Wenn ein Autor 25 Jahre an einem Buch arbeitet, dann kann man das Ergebnis daraus mit Recht als einen großen Teil seines Lebenswerks bezeichnen. Der 1883 im Libanon geborene und 1895 in die USA ausgewanderte Dichter und Philosoph Khalil Gibran veröffentlichte 1923 mit „Der Prophet“ sein bekanntestes Werk, das bis heute millionenfach verkauft und in mehrere Sprachen übersetzt wurde, dessen Autor aber immer noch so etwas wie ein Geheimtipp ist.
Das Buch erzählt in 26 Kapiteln von dem Prophet Almustafa, der zwölf Jahre in Orfalis, einer orientalischen Stadt, auf sein Schiff gewartet hat, um in seine Heimat zurückzukehren. Auf inständiges Bitten der Bewohner der Stadt, spricht er ein letztes Mal zu ihnen und beantwortet die von den Einwohnern gestellten Fragen, z. B. von der Liebe, der Ehe, den Kindern, dem Tod und vielem mehr. Er gibt Antworten zu allem, was die Menschen bewegt und schafft. Damit gelingt ihm gleichzeitig ein Brückenschlag zwischen Orient und Okzident. In seiner Einfachheit und Symbolträchtigkeit erinnert „Der Prophet“ den Leser an „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry, verstehen es doch beide Werke die Herzen ihrer Leser in fast unnachahmlicher Art und Weise zu berühren. Es mag sein, dass die Weisheiten des Buches für die/den ein oder andere(n) LeserIn zu einfach „gestrickt“ sind, intellektuell nicht anspruchsvoll genug, aber genau darin liegt unserer Meinung nach die Schwierigkeit und damit auch Klasse dieses Buches. Die Einfachheit so zu Papier zu bringen, dass daraus solch ein Zauber entsteht – das erfordert hohe Schreibkunst. Ein Buch, das man unbedingt gelesen haben sollte.
Khalil Gibran: Der Prophet, Taschenbuch, Piper, Deutsch, 128 Seiten, € 10,00, ISBN: 978-3492304818