Nein, sagt Bernhard Schemmel, er habe nicht damit gerechnet und sei völlig überrascht. Und angenehm bescheiden, wie er nun mal ist, fügt der Honorarprofessor für Kultur- und Literaturgeschichte Frankens an der Otto-Friedrich-Universität an: „Ich sehe es im Wesentlichen als Anerkennung der Sache E.T.A. Hoffmanns in Bamberg.“ Jury und Stadtrat haben beschlossen, Schemmel „für sein nunmehr vier Jahrzehnte währendes, von Leidenschaft getragenes Engagement um Leben und Werk E.T.A. Hoffmanns“ mit dem Kulturpreis der Stadt Bamberg auszuzeichnen.
In der Tat ist Schemmel ein Hoffmann-Mann durch und durch, und wenn er sich jetzt über den nach dem zeitweiligen Bamberger (1808 bis 1813 weilte Hoffmann in der Domstadt; Bernhard Schemmel, wie wohl kein Zweiter, weiß viel davon zu erzählen) benannten Preis freuen darf, der im Rahmen einer Feierstunde am 17. Dezember im hiesigen Theater verliehen werden wird, so trifft diese einstimmige Entscheidung wahrlich den Richtigen. Das persönliche Anliegen des Ausgezeichneten, heißt es in der Begründung der Jury weiter, sei „dabei nicht allein eine wissenschaftliche Aufarbeitung und Pflege dessen Erbes, sondern die Bedeutung dieses berühmtesten Dichters und Musikers Bambergs für unsere Gegenwart herauszustellen“.
Seit knapp über anderthalb Dekaden ist Schemmel – gebürtig aus dem schlesischen Obernigk im Katzengebirge, Jahrgang 1940 – Vorsitzender der E.T.A.-Hoffmann-Gesellschaft. Diese habe er „mit einem überaus lebendigen und vielseitigen Programm zu einem über die Grenzen Bambergs hinaus auch international beachteten Ansehen geführt“. Neben der Herausgabe der E.T.A.-Hoffmann-Jahrbücher widmet Schemmel sich vor allem dem E.T.A.-Hoffmann-Haus am Schillerplatz, das von ihm persönlich betreut und bis ins kleinste Detail gestaltet wird. Jüngste Frucht dieser passionierten Beschäftigung mit dem Haus und seinem ehemaligen Bewohner ist der auch optisch aufs Schönste gestaltete Band (ein Großteil des Bildmaterials stammt von Gerald Raab, der zusätzlich die Reproduktionen insgesamt übernommen hat) „In Hoffmanno! E.T.A. Hoffmann-Haus und E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft. Ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichte“, herausgekommen in Kommission in der edition hübscher.
Schemmel zeichnet als so kundiger wie akribischer Herausgeber für die E.T.A.-Hoffmann-Jahrbücher verantwortlich und widmet sich, siehe oben, daneben vor allem dem Hoffmann-Haus (keinesfalls am Hoffmann- sondern am Schillerplatz gelegen), dessen Wohl ihm persönlich am Herzen liegt und das er bis ins Detail gestaltet. Nach dem Abitur in Schweinfurt hat der Kulturpreis-Preisträger in der ersten Hälfte der Sechziger in Würzburg Germanistik, Anglistik und Volkskunde studiert. Im rebellischen Jahr 1968 wurde er, mit Auszeichnung, promoviert. Der bis 1973 währenden Zeit an der Julius-Maximilians-Universität, an welcher er auch als Assistent wirkte, schloss sich eine Bibliothekarsausbildung an. 1975 führte ihn sein Weg an die Bamberger Staatsbibliothek, der er von 1984 bis 2005 als Leiter vorstand. Seit Beginn des neuen Jahrtausends schließlich ist Schemmel Honorarprofessor an der Otto-Friedrich-Universität.
Laut Satzung wird der E.T.A.-Hoffmann-Preis verliehen an Personen oder Institutionen, „die sich durch ihr literarisches, musikalisches, bildnerisches oder sonstiges künstlerisches Schaffen und Wirken verdient gemacht haben und dem künstlerischen Anspruch, der mit dem Namen E.T.A. Hoffmann verbunden ist, gerecht werden“. Erstmals ging die inzwischen mit 6000 Euro dotierte Auszeichnung anno 1989 an den unvergessenen Hans Wollschläger, zuletzt zuhause im unterfränkischen, zu Königsberg gehörenden Dörflis (und E.T.A. Hoffmann, wie Wollschläger eine Mehrfachbegabung, Komponist, Zeichner, Schriftsteller natürlich, ist, 1776, im preußischen Königsberg geboren). Auch der Organist Edgar Krapp, der Oboist Albrecht Mayer, der auf seine Art durchaus begnadete Photograph Werner Kohn, Gerhard C. Krischker, Horst Lohse und vor zwei Jahren der Musikverein Bamberg wurden mit dem Hoffmann-Preis bedacht.
Andrea Paletta, die Musikvereinsvorsitzende, zählt unterdessen selbst zur Jury des Kulturpreises der Stadt Bamberg – er wird im Wechsel mit dem Kulturförderpreis vergeben –, der auch Bürgermeister und Kulturreferent Christian Lange, Villa-Concordia-Leiterin Nora Gomringer, sodann Barbara Kahle, die Vorsitzende des Kunstvereins Bamberg, Wilhelm Marx, Literaturwissenschaftler und Thomas-Mann-Mann sowie, vonseiten des Berufsverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler Oberfranken, dessen Vorsitzender Gerhard Schlötzer angehören.
Bernhard Schemmel gratulieren wir herzlich und sind mehr als zuversichtlich, dass es, mit Schemmel, um den aus Bamberg im April 1813 mehr oder minder zur Flucht getriebenen Hoffmann in seiner einstigen Heimat nicht leise werden wird. In den Tagebüchern des Verfassers etwa der „Fantasiestücke in Callot’s Manier“, des Komponisten eines Misere und der Oper „Undine“, heißt es unter dem Eintrag von Dienstag, dem 20. April: „Abends bei Kunz [also Hoffmanns Verleger und Weinhändler] – weinerlicher Abschied – (von der Kunz eine Haarlocke erhalten – [hier folgt eine Zeichnung derselben] – m’intendo [in etwa: ich werde ihrer gedenken]“. Und anderntags, am 21. April 1813, „Abreise Früh Morgens um sechs Uhr – Bareuth [sic!] genachtet“.
Dies hier angeführt zu haben, ist sicherlich im Sinne Schemmels, wie ein letzter Hinweis: Am kommenden Samstag und Sonntag, dem 8. und dem 9. November, lesen im Hoffmann-Haus von 17 Uhr an Martin Neubauer und Andreas Ulich die Erzählung „Des Vetters Eckfenster“. Bei der Wiederholung, am 21. November um 20 Uhr, zwei Tage später um 17 Uhr, jeweils im Brentano-Theater in der Gartenstraße, kommt ein zusätzlicher Reiz hinzu. Mit dem Veranstaltungsort werden Ulich und Neubauer auch die Rollen tauschen.
Foto Copyright © Silke Heimerl (Stadt Bamberg)