Art5drei setzt in dieser Ausgabe eine Artikelserie fort, die sich mit der architektonischen Entwicklung fränkischer Städte nach dem II. Weltkrieg befasst. Neben einer bilanzierenden Rückschau, die auf die Bewertung der baulichen, ästhetischen und stadträumlichen Qualitäten der Architektur dieser Zeit zielt, sollen auch Fragen nach den Optionen für die Zukunft gestellt werden. Zu Wort kommen Fachleute wie z.B. Architekten, Baureferenten, Hochschullehrer und Städteplaner, aber auch Politiker.
Der Schwerpunkt liegt dabei zunächst auf Oberfranken. Nach dem Auftakt mit Bamberg geht es in dieser Ausgabe nach Hof, also in eine Stadt, in der andere Fragen in den Fokus geraten als im UNESCO-Welterbe-Umfeld. Art5drei unterhielt sich mit Ute Mühlbauer, der Stadtplanungschefin der Stadt Hof.
Frau Mühlbauer, hat die Architektur der 50er und 60er Jahre, die ja unter dem Zeitdruck schnellen Wiederaufbaues stand, oder vielleicht auch der 70er Jahre, in Hof bemerkenswerte Resultate hinterlassen? Gibt es aus dieser Zeit qualitätvolle Beispiele?
UM: Zunächst muss festgestellt werden, dass in Hof aufgrund weniger Bombentreffer im II. Weltkrieg nur geringfügiger Druck zum schnellen Wiederaufbau bestand. Das Stadtbild wird immer noch vorwiegend geprägt durch ein zusammenhängendes Biedermeierviertel im Stadtzentrum, erbaut nach dem großen Stadtbrand von 1823, sowie durch angrenzende Gründerzeitgebiete, z.B. in der Bahnhofsgegend. Als Beispiele für die Architektur der fünfziger Jahre sind zu nennen das Kaufhaus in der Altstadt und das ehemalige Amerika-Haus. Der heutige Kaufhof wurde 1959-1965 als fünfgeschossiger, streng gerasteter Stahlbetonbau mit Flachdach und so genannter curtainwall-Fassade aus Aluminium und Glas gebaut. Architekt Hermann Wunderlich integrierte das Gebäude in das umgebende Ensemble der Altstadt.
Das heutige Haus der Jugend entstand 1954 als Amerika-Haus. Der dreiflügelige Pavillonbau mit Flachdach und mittiger Erschließung besitzt im südlichen Flügel einen Veranstaltungssaal mit Bühne, während im nördlichen Flügel die Verwaltung mit ehemaliger Bibliothek untergebracht ist.Stehen solche Gebäude in Hof unter Denkmalschutz oder gilt der nur für sehr altes Gemäuer?
UM: Die beiden genannten Beispiele stehen als einzige Nachkriegsarchitektur unter Denkmalschutz.
Gibt es bezüglich dieses Zeitraumes auch ein „Sündenregister“, will heißen: Bedauert man heute aus der Retrospektive manch unnötigen Abriss oder misslungenen Neubau?
UM: Die Einschätzung eines Bauobjektes als „Bausünde“ unterliegt natürlich subjektiven Sichtweisen, denn die Meinungen über aus der Zeit entstandene moderne Bauten gehen verständlicherweise weit auseinander. Geht man von dem Ersatzbau eines historischen Gebäudes durch einen Neubau in Beton- und Stahlbauweise aus, so steht hierfür das Beispiel des Zentralkaufes in der Bismarckstraße. Dem Ende der 70er Jahre entstandenen Warenhaus wichen die historischen Mauern der Deininger Brauerei sowie die dazugehörige Villa des Industriellen.
Bezüglich des Altbestandes an Gebäuden hört man in vielen Städten vermehrt von notwendigen Schließungen bzw. von hohen Sanierungskosten. Aufgrund genauerer Diagnosemöglichkeiten schlagen die Statiker früher Alarm. Wie sieht es diesbezüglich in Hof aus?
UM: Alarmierende statische Probleme sind uns nicht bekannt. Abrisse waren vorrangig in einem Funktionsverlust der Gebäude oder veränderten Ansprüchen an diese begründet, z.B. zu kleine Räumlichkeiten oder verschärfte brandschutzrechtliche Auflagen.
Wie stehen Sie zur Frage der Rekonstruktion von verloren Gegangenem? Ist das oft von der Bürgerschaft gewünschte historisierende Bauen im Sinne einer „Wohlfühlarchitektur“ für Sie denkbar oder kommen in Hof nur konsequent zeitgenössische Baustile in Frage?
UM: In Hof ist es keine gängige Praxis, Gebäude vergangener Zeiten zu rekonstruieren, vielmehr ist man bei Neubauten darauf bedacht, den aktuellen Einfluss sichtbar zu gestalten und sich dabei trotzdem in die umliegende Bebauung einzufügen. So werden etwa vorhandene Proportionen und Größenverhältnisse aufgegriffen und der Stadtgrundriss in seiner historisch gewachsenen Struktur erhalten. Im Bereich der Altstadt greift man auf die Gestaltung per „Lochfassaden“ zurück und verzichtet bewusst auf die einheitlichen Flächen moderner Glasfassaden. Rekonstruktionen gibt es nur als Ausnahmen, beschränkt auf die denkmalgeschützte Substanz im Bereich des Biedermeier- und Gründerzeitensembles. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf der Rekonstruktion von Details, um das einheitliche Gesamtbild zu stärken. So wurden etwa im Rathaus in den Jahren 2007/08 historische Fenster eingearbeitet zwecks Wiederherstellung der ursprünglichen Fassadengliederung.
Wie müssen Architektur und Städteplanung auf die stagnierenden bzw. in randständigen Lagen wie Oberfranken sogar sinkenden Bevölkerungszahlen reagieren?
UM: Vorweg sei bemerkt, dass sich Hof im deutschen und europäischen Maßstab gesehen nicht im engeren Sinne in der Situation einer Randlage befindet, aber dennoch wie viele andere deutsche Gemeinden vom Bevölkerungsrückgang betroffen ist. Stadtplanung und Architektur können durch eine planvoll gesteuerte städtische Entwicklung dazu beitragen, diesen Bevölkerungsverlusten zu begegnen. Ziel sollte es dabei sein, sich auf die einstigen Kerne der Städte zu konzentrieren und im Sinne des europäischen Stadtverständnisses eine Vielfalt der Nutzungen anzustreben, was in der Folge auch die funktionale Bedeutung der Innenstädte zu erhalten bzw. zu stärken hilft. Ein wichtiges Anliegen ist es uns, die identitätsstiftenden städtischen Strukturen aufrecht zu erhalten und auszubauen. Die Stärkung der Identität einer Stadt festigt auch die Verbundenheit der Bevölkerung zu „ihrem“ Ort.
Welche urbanen Visionen hegen Sie für Hof?
UM: Grundlegendes Ziel ist die sukzessive Umsetzung jener urbanen Visionen, die sich aus den Stadtentwicklungs- und Kernstadtkonzepten ergeben. Hierbei sind von besonderer Bedeutung: die Attraktivitätssteigerung der Kernstadt, die Aufwertung des rund um das Rathaus gelegenen Biedermeierviertels, die Valorisierung des Gründerzeitgebietes im Bahnhofsviertel sowie der Ausbau der Schnittstellen zwischen den Saaleauen und den innerstädtischen Bereichen. Allerdings wird sich dieser Prozess aufgrund der Haushaltssituation nur langfristig gestalten lassen.
Na, dann wünschen wir Ihnen für die Erreichung dieser Ziele eine üppige Mittelbereitstellung und bedanken uns für das ausführliche Gespräch.
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Kinderschutzbund, Hort und Krippe, Hof, © Martin Köhl
Kaufhof-Filiale in Hof, © Martin Köhl