Die Bilder von Oska Gutheil sind nicht besonders leise – nein, ganz im Gegenteil: Die meist großformatigen Gemälde kann man als farbenfroh, figurativ und geradezu geschwätzig bezeichnen. Menschen, ob allein oder in Gruppen, Tiere, Fantasiewesen und alles dazwischen haben auf den Leinwänden ein Biotop gefunden, in dem sie nebeneinander existieren – wenn auch nicht immer in trauter Harmonie. Das Bildpersonal zeigt sich überwiegend skeptisch, erschrocken oder nachdenklich, seltener unbeschwert wie in den Selfies am Strand. Ursachen dieser Zurückhaltung bilden weniger die Bedrohungen von außen, als vielmehr die inneren Dämonen. In erster Linie ist es das eigene Gedankenkarussell, dessen unablässiges Kreisen die Gefahr der Verselbstständigung mit sich bringt und das in dem Bild Träumer allerlei merkwürdige Dinge und Getier zum Leben erweckt.
Seine narrative Malerei legt der Künstler wiederholt in Serien an, in denen er einzelne Bilder aufeinander Bezug nehmen lässt, sie als gedankliche Fortführung herausarbeitet. Ein Themenfeld, zu dem er immer wieder zurückkehrt, ist seine unmittelbare Lebenswirklichkeit. Nicht selten lassen sich die Züge des Künstlers entdecken, der 1980 als Stefanie Gutheil geboren wurde und uns mittels seiner Werke teilhaben lässt an seinem Weg hin zu Oska. Und so sind wir eben auch ganz nach dran, wenn auf der Leinwand die persönliche Identitätsfindung durchexerziert wird und sich dabei höchst intime Einblicke offenbaren. Dieser Prozess gerät jedoch nicht zur bloßen Nabelschau, da Fragen nach Identität, Zugehörigkeit oder der Akzeptanz des Andersseins mehr denn je von gesellschaftlicher Relevanz sind. Die Ausstellung in der Kunstsammlung Jena trägt den Titel 2022 und bezieht sich auf den Zeitraum, in dem die hier präsentierten Werke entstanden sind – ein Zeitabschnitt, in dem sich nicht nur das persönliche Leben des Künstlers massiv verändert hat, sondern sich darüber hinaus auch die gesamte Welt in einem Ausnahmezustand wiederfand, der teilweise bis heute anhält. Die Verarbeitung dieser Prozesse findet auf der Leinwand statt und verwebt sich mit einer Reihe von aktuellen Fragestellungen, die von Feminismus bis zur Flüchtlingskrise reichen.
Oska Gutheil 2022 Ausstellung bis zum 6. November in der Kunstsammlung Jena, markt 7, 07743 Jena. Öffnungszeiten, Eintrittspreise und Begleitprogramm bitte online unter www.kunstsammlung-jena.de abrufen.
