Vor 116 Jahren, im Jahr 1903, wurde der Kunstverein Jena e. V. durch den Archäologen und Kunsthistoriker Botho Graef gegründet. Graef, der aus einer Berliner Künstlerfamilie stammte (Vater und Mutter waren Maler*in), lehrte ab 1904 als außerordentlicher Professor an der Universität Jena und war zugleich Mentor des von ihm gegründeten Vereins. Er ebnete Künstlern wie Emil Nolde und Ernst Ludwig Kirchner den Weg, für Nolde richtete er mehrere Ausstellungen im Kunstverein ein. Nach dem Tode Graefs im Jahr 1917 stiftete Kirchner dem Jenaer Kunstverein 260 Holzschnitte, Lithografien und Radierungen, die sogenannte Botho-Graef-Stiftung ist heute noch wertvollster Bestandteil der Jenaer Kunstsammlung. Von Anfang an bemühte sich der Verein besonders darum, auch der Kunst ansonsten ferne Bevölkerungsschichten mit dem Thema in Verbindung zu bringen. Besonders die bekannten Expressionisten wie Nolde, Schmitt-Rottluff, Kirchner und Klee, um nur einige zu nennen, präsentierte ihre Werke gerne dem Jenaer Publikum. Da blieb es nicht aus, dass der Kunstverein bald in den Fokus der Nationalsozialisten geriet mit der Folge, dass er 1937 verboten wurde.
Es dauerte 53 Jahre, bis sich der Jenaer Kunstverein im Jahre 1990, anlässlich einer Walter-Dexel-Ausstellung, rekonstituierte. Und was früher mit der Ausstellung der Expressionisten begonnen hatte, wurde nun direkt weitergeführt. Mit dem Ziel, zur geistigen und ästhetischen Auseinandersetzung mit der Vielfalt künstlerischer Ideen und Formfindungen im 20. Jahrhundert anzuregen, standen zunächst Künstler der ehemaligen DDR im Mittelpunkt. Gerhard Altenbourgh, Hermann Glöckner, Gerd Wandrer, Gil Schlesinger und Otto Hofman waren allesamt Künstler, deren Werke in DDR-Zeiten gar nicht, oder nur sehr selten, gezeigt wurden. Darüber hinaus wollte der Kunstverein natürlich auch zeigen, was sich in den vergangenen Jahrzehnten auf dem Gebiet der Kunst außerhalb der DDR entwickelt hatte: Videoinstallationen, Plastiken oder auch Objekte wurden erstmals gezeigt.
Einer, der schon in der ersten Vereinsperiode einen wesentlichen Beitrag zum Wirken des Jenaer Kunstvereins leistete, war Herwarth Walden, der Gründer (1912) der legendären Berliner Sturm-Galerie. Walden, für den der Expressionismus schon eher Weltanschauung als eine reine Mode war, präsentierte nahezu folgerichtig bei seiner Premierenausstellung in der Galerie denn auch die Wanderausstellung der „Blauen Reiter, jenem Beziehungsnetzwerk von Künstlern, die dem deutschen Expressionismus zugeordnet wurden und als wichtige Wegbereiter der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts galten. Obwohl Walden natürlich auch Künstler anderer Stilrichtungen, wie etwa Kubismus oder Dadaismus förderte, blieb er dem Expressionismus auf besonders enge Art verbunden. 1918 gab der Galerist ein erstes Gastspiel in Jena mit überwiegend grafischen Arbeiten von Rudolf Bauer, Heinrich Campendonk, Paul Klee, Oskar Kokoschka, Fritz Stuckenberg und William Wauer. Für Walter Dexel, selbst Künstler und in dieser Zeit Ausstellungsleiter des Jenaer Kunstvereins und Herwarth Walden freundschaftlich verbunden, waren die Ausstellungen mit diesem Künstler wesentlicher Bestandteil der Vereinsprogrammatik.
Als Herwarth Walden am 6. Juli 1924 im Jenaer Kunstverein die Ausstellung „Der Sturm – Gesamtschau“ mit Werken von Willi Baumeister, Georges Braque, Marc Chagall, Robert Delaunay, Albert Gleizes, Paul Klee, Oskar Kokoschka, Fernand Léger, Franz Marc, Laszlo Moholy-Nagy, Johannes Molzahn, Lothar Schreyer, Arnold Topp, William Wauer und anderen eröffnete, hatte er bereits der neuen, unabhängigen Kunst ein Forum geschaffen, das wesentlich zur Durchsetzung der modernen Stilrichtungen im nationalen und internationalen Kunstbetrieb beigetragen hat. Sein Freund Walter Dexel aber, der an der Idee festhielt den Kunstverein Jena e. V. als Schaufenster der modernen Kunst zu entwickeln und auszubauen, wurde 1928 für diese Haltung entlassen.
Die aktuelle Ausstellung „Der Sturm in Jena“, ein Projekt der Kunstsammlung Jena im Bauhaus-Jahr 2019, will das programmatische Wirken des Jenaer Kunstvereins würdigen und dabei vor allem die Verortung der Bauhaus-Künstler darstellen. Die Beziehungen der Künstler, Autoren und Galeristen sind inhaltlich vielfältig und eröffnen auf Haupt- und Nebenwegen einen Blick auf eines der interessantesten Kapitel der modernen Kunstgeschichte. Einmal mehr spiegeln sich im Blick auf regionale Zusammenhänge Muster, die sich auch im Großen bestätigen und die in all ihrer Fülle jene Vielfalt belegen, die in der aktuellen Kunst ertragreich ausblüht. Unter anderen werden Werke von Walter Dexel, Paul Klee, André Lothe, August Macke und Johannes Molzahn zu sehen sein.
Kunstverein Jena e.V., Ausstellung „Der Sturm in Jena“ vom 31. August bis zum 17. November 2019 in der Kunstsammlung Jena, Markt 7, 07743 Jena
Öffnungszeiten: DI, Mi, FR 10 – 17 Uhr, DO 15 – 22 Uhr, SA, SO 11 – 18 Uhr, Eintritt: 8 € (ermäßigt 5€).