
Gerhard Richter! Dieser Name klingt wie Donnerhall in der internationalen Kunstszene. Der 1932 in Dresden geborene, gelernte Schriften-, Bühnen- und Werbemaler, der unter anderen vom Kunstkompass 2021 zum 18. Mal in Folge als wichtigster Gegenwartskünstler geführt wurde, feierte am 9. Februar seinen 90. Geburtstag. Aber feiern? Sich selbst? Das liegt sicher nicht in seinem Naturell. Gerhard Richter „schenkt“ sich anlässlich seines 90. Geburtstages lieber selbst eine Ausstellung. Wo? In seiner Geburtsstadt Dresden, genauer gesagt im Albertinum, dem ehemaligen Zeughaus hinter der Frauenkirche, das seit 2010 wieder die Skulpturensammlung und die Galerie neue Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) beherbergt.
Insgesamt 40 von Richter selbst ausgewählte Werke, die zum Großteil aus der Gerhard Richter Kunststiftung stammen (die anderen kommen aus Privatsammlungen und anderen großen Museen), sind in drei Räumen des Museums zu sehen. Und jeder der drei Räume ist einem der im Ausstellungstitel genannten Begriffe „Gerhard Richter: Portraits. Glas. Abstraktionen.“ zugeordnet.
Der erste der drei Ausstellungsräume dürfte wohl auch gleich als der persönlichste gelten. Hier hängen mit der Serie „S mit Kind“ aus dem Jahr 1995 Portraits seiner Ehefrau Sabine und seiner Kinder Betty (425-4 und 425-5 beide 1977), Moritz (863-3, 2000), Theo und Ella (903-1, 2007) kombiniert mit einem Selbstportrait (836-1, 1996) und einigen „romantischen“ Landschaftsbildern, hinter denen sich laut Ausstellungsbegleitheft „mehr persönliche Befindlichkeiten verbergen, als die Motive offenbaren.“ Das ist schon sehr ungewöhnlich für den Künstler Gerhard Richter, gilt er doch einerseits als sehr zurückhaltend was seine eigene Person und seine Familie angeht, andererseits ist er auch nicht als konkreter Portraitmaler bekannt.
Im zweiten Saal findet der Besucher die großformatigen „Abstrakte Bilder“ für die Gerhard Richter wohl weltbekannt ist und die auf dem Kunstmarkt Höchstpreise erzielen. Zu sehen sind vor allem Arbeiten aus den letzten Jahren. Neben dem Bild „Fels“ (694, 1989), das 2002 für 2,6 Millionen Euro auf einer Benefiz-Auktion zugunsten der vom Hochwasser geschädigten Dresdner Museen versteigert wurde ist, neben anderen abstrakten Werken, auch das Bild zu sehen, welches offiziell als letztes von Richter gemaltes Bild gilt, das „Abstrakte Bild“ (952-4) aus dem Jahr 2017.
Die Exponate im dritten und letzten Raum, der offensichtlich das Thema „Glas“ in den Mittelpunkt stellt, lassen erahnen, wie stark der Künstler mit seinen Bildern experimentierte. Neben den drei großformatigen „Farbtafeln“ (4900 Farben, 901A, 2007) hat Richter, der auch selbst die Anordnung der Werke verantwortet, zwei große Spiegel („Spiegel“ 687/5-6, 1989) installiert, die den optischen Eindruck des Raumes vervielfältigen. In der Mitte der Raumes steht das Objekt „9 Stehende Scheiben (879-3)“ und an der letzten Wand dieses Raumes hängt mit dem „Strip“ (930-6, 1989) eines der Bilder, die der Künstler einem komplexen Recycling-Verfahren unterzogen hat. Dazu hat er eines seiner bestehenden Bilder halbiert, geviertelt, geachtelt usw., also in immer schmalere Streifen zerlegt, die dann wiederum digital gespiegelt, geschnitten und wiederholt wurden. Am Ende sind so tausende dünner Längsstreifen entstanden, die es den Betrachter:innen mitunter schwindlig werden lassen.
Gerhard Richter hat diese Ausstellung geplant, die Auswahl der zu zeigenden Werke bestimmt und auch deren Hängung überwacht. Er ist überall in der Ausstellung zu spüren, obwohl er selbst nicht anwesend ist. Ganz wie eingangs erwähnt, die große Aufmerksamkeit mag ihm schmeicheln, letztlich aber ist sie ihm unangenehm.
Als eine ganz große Rückschau oder auch künstlerische Bilanz sollte man diese Ausstellung aber nicht sehen, dazu ist sie schlicht nicht umfangreich genug, auch wenn sie nach Meinung von Marion Ackermann, der Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, eine „ganz präzise, aber auch bescheidene Ausstellung ist, die in großer Intensität den Kern seines Werkes vorstellt.“
Zur Person:
Gerhard Richter wurde am 9. Februar 1932 in Dresden geboren und studierte zunächst von 1951 bis 1956 an der Hochschule für Bildende Künste in seiner Heimatstadt. Nach seiner Flucht in die Bundesrepublik 1961 absolvierte er ein zweites Studium an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf und lehrte dort von 1971 bis 1994 als Professor für Malerei. Richter gilt als einer der einflussreichsten zeitgenössischen Künstler, seine Werke sind weltweit in den wichtigsten Museen für moderne Kunst vertreten. Die starke Verbundenheit des Malers mit seiner Heimatstadt zeigte sich unter anderem nach dem Elbehochwasser im August 2002, als er das Gemälde „Fels (694)“ für eine Benefizauktion zur Unterstützung der SKD spendete. Die Schau zelebriert daher nicht nur den 90. Geburtstag Gerhard Richters, sondern auch dessen Engagement für seine Geburtsstadt und die zwanzigjährige intensive Zusammenarbeit zwischen dem Künstler und den SKD.