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Es gibt viele exzellente Musiker und Musikerinnen bei den Bamberger Symphonikern. Sie „vermitteln“ Musik, indem sie die perfekte Beherrschung eines Instrumentes in den Dienst des Klangkörpers stellen. Aber das ist nur die eine Seite der Musikvermittlung. Die andere wird von nur wenigen gemeistert, nämlich das kenntnisreiche und anschauliche Reden über Musik, man könnte auch sagen: das Moderieren. Harald Strauss-Orlovsky ist so einer, der das kann, man hört ihm einfach gerne zu, und das eben nicht nur beim Spielen.
Nach seinem Studium führten ihn erste Stationen nach London zum Chamber Orchestra of Europe unter Claudio Abbado und zu den Münchner Philharmonikern. Schon als Student hatte er bereits unter großen Dirigenten wie Sir Georg Solti, Daniel Barenboim, Ozawa, Metha, Gardiner, Harnoncourt gespielt und zahlreiche Begegnungen mit vielen weiteren Größen der Klassik, darunter einigen der bekanntesten Solisten. Erfahrungen, die ihn sicherlich stark geprägt haben.
„Herbert von Karajan gab mir Jungspund einst den Wink, ich solle nicht dauernd auf ihn schauen, sondern lieber auf den Solohornisten hören und beginnen, wenn seine Fermate verklungen ist . . . .“
Solche Ratschläge merkt man sich, zumal wenn sie aus solch einem berufenen Munde kommen. Silvester 1987 spielte Harald Strauss-Orlovsky sein erstes Konzert in Bamberg und im April 1988 trat er offiziell seine Stellung als 2. Konzertmeister der Bamberger Symphoniker an. Bis zum Dezember 2022 standen nun etliche Konzerte und viele viele Konzertreisen mit seinen Orchesterkollegen auf dem Plan. Dass gerade seine letzte von etwa 2.000 dienstlichen Busfahrten ganz besonders ereignisreich werden sollte, passt dabei natürlich ins Bild. Das Orchester war nach Luzern gereist, um beim festlichen Firmenjubiläum des Reiseunternehmens zwei hochkarätige Konzerte darzubieten. Auf der Rückreise, sozusagen das Bamberger Ziel schon vor Augen, entwickelte sich in einem der Luxus-Liner auf der Autobahn bei Schweinfurt ein Feuer, das am Ende den Bus völlig ausbrennen ließ. Glücklicherweise kamen alle Insassen rechtzeitig aus dem Bus und aus der Gefahrenzone. Aber immerhin verbrannten vor den Augen der Musiker eine Menge persönlicher Gegenstände. Besonders bitter für Harald Strauss-Orlovsky: Alle Noten für das eine Woche später stattfindende Weihnachtskonzert waren im Fahrgastraum an seinem Platz, weil er als Dirigent das Orchestermaterial in stundenlanger Detailarbeit minutiös vorbereitet, jede Stimme einzeln bezeichnet hatte. Als sich die Türen des im hinteren Bereich bereits heftig qualmenden, im Motorraum und nach unten sichtbar brennendem Busses zur Evakuierung öffneten, befand er sich stehend im Mittelgang, sozusagen in einer Pole-Position zum schnellen Hinausgelangen. Aber für den Stapel Noten war es ungünstig, dass er nicht von seinem Platz aus nach draußen floh, er konnte rein gar nichts mehr mitnehmen. Draußen hatte er nur eine Telemann-Partitur und einen Bleistift in den Händen. Und dies alles bei seiner allerletzten Busfahrt in den Diensten der Bamberger Symphoniker. Die Bemerkung seiner Kollegen „Dein Feuereifer in Ehren, aber musste das wirklich sein . . .“ spendete dabei nicht wirklich Trost.
Jetzt ist der langjährige 2. Konzertmeister des Orchesters in den Ruhestand gegangen, und die Art und Weise, wie das zelebriert wurde, spricht Bände. Sein Abschied nach 35 Jahren wurde zu einer Finissage im zwiefachen Sinne, denn seine letzten Bögen als Orchestermitglied strich er ausgerechnet am Altjahresabend, also beim Silvesterkonzert. Das war diesmal – erfreulicherweise! – nicht dem Ernst der 9. Symphonie Beethovens, sondern den Walzern und Polkas der Strauß-Dynastie (welch nette Namensanalogie!) gewidmet.
Wie das über die Bühne ging, ist erzählenswert, deutet es doch auf eine nicht selbstverständliche Beliebtheit dieses Musikers im Kreise seiner symphonischen Mitstreiterschaft hin. Als es am Ende eines denkwürdigen Konzertes zur offiziellen Verabschiedung seitens des Intendanten kam, schloss sich dem ein charmantes „Techtelmechtel“ mit der superben Gesangssolistin des Abends an. Katharina Konradi, ein wahres Stimmwunder im Sopranfach und zu allem Überfluss auch noch eine hinreißende Frau, überschüttete den Ruheständler in spe mit Blumen und schönen Tönen.
Der revanchierte sich natürlich ebenfalls mit Tönen, und zum guten Schluss war es eine listige Idee der Sopranistin, den scheidenden Konzertmeister per Pas de deux hinauszubegleiten. Wer wird schon so charmant verabschiedet?
An dieser Stelle sollte man vielleicht darauf hinweisen, dass Musiker der Bamberger Symphoniker eigentlich immer zu Beginn ihrer letzten Probe verabschiedet werden. Das passierte auch und nach der Schilderung Harald Strauss-Orlovskys stellte sich das wie folgt dar: „ Ich komme rein (als letzter, das ist so üblich bei der Verabschiedung), das Orchester spielt, Maestro Honeck dirigiert und die Solistin singt die Arie „Mein Herr Marquis“ aus Johann Strauss' Operette „Die Fledermaus“. Allerdings hatte sie über Nacht den gesamten Text mit ihrem Mann umgedichtet. „Fünfunddreißig Jahr war er nun schon da…“. das war natürlich ein ganz besonderes Geschenk und eine ganz ehrenwerte Geste an mich, das hat mich sehr gefreut. Dann hat auch noch der Kollege Mátyás Németh (Kontrabass) so wundervoll über mich gesprochen, das hat mich ebenfalls sehr berührt.“
Das mit dem Ruhestand stimmt übrigens nicht, denn einer wie Harald Strauss-Orlovsky, dem die Musik das Leben bedeutet, wird wohl kaum die Geige aus der Hand legen und als Moderator verstummen. Dass er auch noch dirigiert, weiß gerade das Bamberger Publikum am besten, denn es strömt alljährlich mit freudiger Erwartung in sein traditionelles weihnachtliches Konzert. Da darf es auch ein wenig glitzern, denn Angst vor Populärem hat Harald Strauss-Orlovsky – bei allem Ernst als seriöser Musiker – nicht.
Es liegen aber auch bereits Anfragen anderer namhafter Orchester vor, bei denen er von Zeit zu Zeit als 1. Konzertmeister aushelfen möge. Und dann ist ja auch noch sein Engagement beim „Festival Europäische Wochen“ in Passau, bei dem er jedes Jahr das Jugendsinfonieorchester leitet. Ein besonderes Projekt des Künstlerehepaares Susanne Strauss und Harald Strauss-Orlovsky, ist die Wiederbelebung einer sehr deutschen Tradition aus dem 19. Jahrhundert, nämlich der Einrichtung eines Salons – vulgo: Hausmusik – an einem erlesenen Ort. Die beiden haben das in Hallstadt befindliche Mainschlösschen, das in seiner heutigen Form im Jahr 1735 von Balthasar Neumann konzipiert und für den Grafen von Ostheim, den Kanzler des damaligen Fürstbischofs gebaut wurde, 2017 käuflich erworben und mit viel Liebe aber auch Arbeit und Schweiß wieder instandgesetzt und zu einem richtigen Schmuckkästchen gemacht. Und dabei haben sich die beiden nicht auf die Zuschauerrolle beschränkt, ganz im Gegenteil. Susanne Strauss, im Hauptberuf Konzertpianistin, hat geplant, gebaut und beaufsichtigt und ihr Mann Harald war sich selbst für die einfachsten Arbeiten nicht zu schade, wie anhand von reichlich Bildmaterial gut zu dokumentieren ist.
Entstanden ist dabei ein Kleinod, in dem man sehr gut wohnen, sich aber auch künstlerischen Dingen widmen kann. Dabei mussten, da das Haus in den letzten 300 Jahren den unterschiedlichsten Zwecken gedient hatte (unter anderen als Gärtnerei, Bäckerei und Gasthaus) ganze Wagenladungen an Schutt aus dem Haus herausgetragen und entsorgt werden, um so etwas wie den Urzustand wiederherzustellen. Was an historischer Bausubstanz da war wurde, soweit möglich, gerettet und wiederverwendet, wo dies nicht machbar war, wurde versucht historisierenden Ersatz zu beschaffen, wie etwa bei der rückwärtigen Ausgangstür im Erdgeschoss, der barocke Türen aus Bamberg als Vorbild gedient haben. Bei der Treppe zum Obergeschoss handelt es sich tatsächlich noch um das von Balthasar Neumann eingebaute Original, bei der Restaurierung mussten lediglich einige Stellen ergänzt werden, aber selbst hierfür haben die Bauherrin und der Bauherr historisches Holz verwendet. Wie übrigens weitestgehend im ganzen Haus nur historische Baumaterialen verwendet wurden, bis hin zur Leinölfarbe mit Pigmenten.
Das eigentliche Juwel des Barockbaus liegt im 1. Stock des Schlosses, der Saal, in dem es künftig auch wieder Konzerte zu hören geben wird. Auch hier mussten die Orlovskys erheblich Hand anlegen, die komplette Decke war zerstört, genauso wie der Fußboden. Das Ergebnis ist aber umso überzeugender und man kann sich sehr gut vorstellen, wie hier bald wieder Stücke von Mozart, Vivaldi oder auch Strauss erklingen. Neben der konzertanten Bespielung kann dieser Saal für die verschiedensten Formate genutzt werden und wird, darüber hinaus, der Stadt Hallstadt als Trauungszimmer zur Verfügung stehen. Vom 18. bis zum 21. Mai soll es nach dem Willen von Susanne Strauss und ihrem Ehemann Harald Strauss-Orlovsky dann mit einem Festakt und Kammerkonzerten endlich losgehen. Man darf gespannt sein, was beim Eröffnungskonzert zu hören sein wird.
Vielleicht die Jagdkantate von Bach, mit ein paar Hornisten auf dem Deich?
Ein Fest wird es allemal. Dorthin werden die Musenfreunde pilgern und sich weiterhin von den Impulsen des Künstlerehepaares Strauss-Orlovsky bereichern lassen können. Ad multos annos!