„Ich will nicht nach Berlin“ wetterten Kraftklub, die Emporkömmlinge der deutschen Rockmusik der neuen Bundesländer, schon vor einigen Jahren. Und sie bleiben sich treu: Zwar touren die Chemnitzer auch in der Bundeshauptstadt, doch bevorzugt zieht es den sächsischen Fünferpack in kleinere Ort. „Dort rockt es einfach mehr“, so Frontmann Felix Brummer einst. Davon überzeugen können sich die Anhänger am 25. Februar in der Bamberger Brose-Arena.
Als ihr Album „Mit K“ 2012 aufgelegt wurde, sorgte das für einen wahren Flächenbrand in der Republik. Wie aus dem Nichts hatte Deutschland wieder Helden im Rockzirkus zu bieten. Der war jahrelang still in sich verharrt, traditionell etablierte Bands beherrschten die Szenerie und nur selten – exemplarisch seien die Broilers genannt – sorgten Newcomer in der nach-Tocotronic-Ära für Furore. Kraftklub war anders. Mit ihrer Mischung aus gitarrenlastigem Indie-Pop und knalligem Punkrock eroberten sie die Bühnen deutschlandweit im Sturm. Und vergaßen dabei nie ihre Wurzeln. Unvergessen in Bayreuth ein Auftritt der damals noch unbekannten Karl-Marx-Städter im Glashaus. Den schmucken Laden auf dem Uni-Campus verwandelten sie binnen Minuten in ein bombastisches Feier-Feuerwerk. Und Jahre später? Als Frontmann Felix Brummer und seine Mitstreiter längst den Durchbruch geschafft hatten, kamen sie wieder an die Stätte früher Tage. Der Geheim-Gig im Glashaus einige Jahre später gilt bis heute als einer der kultigsten Auftritte dort. Dort, wo sich vielleicht 300, 400 Feierwütige versammeln, dort fühlt sich Kraftklub wohl. Wohlwissend, dass man auf den großen Bühnen in hiesigen Gefilden längst einer der Top-Performer ist und bei diversen Festivals die Nachmittags-Termine längst gegen Headliner-Auftritte eingetauscht hat. Es ist viel passiert in den letzten sechs Jahren, in denen sich Kraftklub wacker gegen die bedenklichen politischen Entwicklungen der Neuzeit stellen, den Spagat zwischen Zeitgeist und traditioneller KK-Mucke mitunter dank musikalischer Bodenständigkeit schier grandios meistern. Neu erfinden müssen sich Brummer und Co. längst nicht mehr – und doch überraschten sie im Vorjahr ihre Fanbasis. Nach dreijähriger Schaffenspause überraschten sie mit einem Album, das so gar nicht typisch für die Band war. Klare Kante statt Spaß-Rock, deftige Aussagen in Richtung aller möglichen Empfänger und auch musikalisch nicht unbedingt das, was man gewöhnt war. Erdig-dreckiger Indierock ist das, was die Fans der vor Selbstironie nur so strotzenden Combo erwartet. Und was die Anhänger erwarten, das bekommen sie auch. Noch immer gelten Kraftklub als spaß- und partyorientierte Rock-Crew, deren Leben ein einziges Fest ist. Dabei sind die Sachsen ruhiger geworden. Auch da Bassist und Frontmanns Bruder Till zuletzt eher negative Schlagzeilen produzierte: Aufgrund eines Drogenvorfalles und einer misslungenen Graffiti-Spray-Aktion wurde er gleich zweimal verurteilt. Ob das Parlieren mit eben solchen Themen in selbstironischer Art die richtige Antwort ist? Die bleiben die Brummers und ihre Mitstreiter bislang schuldig. Sie müssen auch keine Antwort darauf geben. Antworten geben Kraftklub regelmäßig dann, wenn sie auf der Bühne stehen. Und diese Antwort muss genug sein. Schließlich sollte man nicht verdrängen, dass die fünf Musiker aus dem vor sich hin darbenden Chemnitz trotz aller Bodenständigkeit tatsächlich nur Menschen mit all ihren Fehlern sind. Und eines kann man Kraftklub, trotz erst dreier veröffentlichter Langspieler längst Kult geworden, nicht vorwerfen: dass sie sich verbiegen lassen - und Abgehobenheit ist sowieso ein Fremdwort. Wie sonst ist erklärbar, dass die Bandmitglieder bis heute ihrer Heimatstadt treu geblieben sind und den Namen „Gemz“ in alle (zumindest deutschsprachige) Welt hinaustragen? Felix Brummer und seine Mitstreiter stehen zu ihren Wurzeln. Auch wenn sie singen: „Andere Städte sind scheiße, aber ich will nicht nach Berlin!“ Inzwischen sind sie sogar soweit, die Berliner dazu zu animieren, ihre Heimatstadt zu besuchen. In diesem Jahr nicht für ein Konzert der vielleicht berühmtesten musikalischen Jünger der Stadt. Warum das? Kraftklub spielt schlichtweg keinen Auftritt in Chemnitz. Fast schon wundersamer Weise. Weit weniger verwunderlich wäre allerdings, würde die Band nicht irgendwo in der Stadt spontan einen Gig einschieben. Es wäre nicht das erste Mal, dass Kraftklub damit überraschen würde. Frag nach. Nicht nur in ihrer Heimatstadt. Auch in der Wagnerstadt Bayreuth kann man davon ein Lied singen. Was die Bamberger freuen dürfte: Nicht nur die ungeplanten Kraftklub-Auftritte sind Annalen-geeignet: auch die, die angekündigt sind. Wenn erst einmal mehr als 6000 Menschen einträchtig miteinander in einer Halle springen, dann weiß man, was Brummer mit: „Es rockt einfach mehr in kleineren Orten“ meint.
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Kraftklub, Fotos © Philipp Gladsome