Bühnenweihfestspiel? Schon das Wort wirkt befremdend und versetzt heutige Zeitgenossen bestenfalls in ehrfurchtsvolle Distanz. Dabei hat Richard Wagners letztes Bühnenwerk „Parsifal“ Menschen des 21. Jahrhunderts nicht nur etwas, sondern ziemlich viel zu sagen. Was das im Einzelnen ist, lässt sich – bei Wagner naturgemäß – nicht in ein paar Sätze packen, sondern eher in eine intensive Auseinandersetzung. Letztere bietet der Richard-Wagner-Verband Bamberg, begleitend zur Coburger Neuinszenierung und in Zusammenarbeit mit dem Landestheater, am 22. und 23. April in seiner so titulierten „Parsifal“-Werkstatt für Anfänger und Fortgeschrittene. Renommierte Experten kommen dabei im Grünen Saal der Harmonie ebenso zu Wort wie Künstler und Bühnenpraktiker, der Blick zurück auf die Quellen läuft unter anderem auch über einen abendfüllenden Film, der Blick ins Hier und Jetzt direkt über die aktuellste musiktheatralische Umsetzung, also eine „Parsifal“-Vorstellung in Coburg.
Womit Alfons Abbass ins Spiel kommt, der Schöpfer der so genannten „Coburger Fassungen“, die unter diesem Namen seit über hundert Jahren an manchen großen, vielen mittleren und kleinen Bühnen ein Begriff sind. Der Musiker aus Meiningen erstellte unter anderem die erste „Ring“-Fassung für ein reduziertes Orchester, die vermutlich 1906/07 in Coburg aus der Taufe gehoben wurde. Seine Version des „Parsifal“ ist auch die Grundlage der jetzigen Aufführung dort. Worüber in der Werkstatt Generalmusikdirektor Roland Kluttig sprechen wird – sowohl am Eröffnungstag als auch tags darauf beim von Holger Noltze moderierten Podiumsgespräch, zu dem aus Berlin eigens auch Regisseur Jakob Peters-Messer kommt.
Während beim Podium am Sonntag der Eintritt frei ist, wird für Nicht-Mitglieder am Samstag ein Tagungsbeitrag erhoben. Kein Wunder, konnten doch namhafte Wagnerkenner, Wissenschaftler und Künstler als Referenten gewonnen werden, die sich jeweils maximal dreißig Minuten einem Teilbereich aus dem „Parsifal“-Kosmos widmen. Die exklusive Filmvorführung am Abend spiegelt märchenhaft-poetisch eine frühe französische Quelle des Stoffs wider, die „Parsifal“-Vorstellung am Sonntag, zu der eine große Besuchergruppe aus Bamberg nach Coburg fährt, beantwortet schließlich konkret die Frage, wie man 135 Jahre nach der Uraufführung Wagners „Weltabschiedswerk“ umsetzen kann.
Damit endet zwar die Werkstatt, die unter der Schirmherrschaft von Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke steht, aber nicht die Auseinandersetzung des Wagnerverbands mit diesem Werk. Die alljährliche große Musik- und Kunstfahrt des Vereins führt heuer Anfang Juni nach Wien, wo die Oper „Mondparsifal Alpha 1-8 (Erzmutterz der Abwehrz)“ des ehemaligen Villa-Concordia-Stipendiaten Bernhard Lang in der Inszenierung des aus Bayreuth wieder ausgeladenen Jonathan Meese uraufgeführt wird. Ob sie dort endlich erfahren, wer der Gral ist? Ganz schön neugierig sind sie jedenfalls, diese Wagnerianer!
Information:
„Parsifal“-Werkstatt in der Übersicht
Ort: Grüner Saal der Harmonie am Schillerplatz in Bamberg und Landestheater, Großes Haus am Schlossplatz in Coburg
Samstag, 22. April
10 bis 12.30 Uhr: Thomas Goerge, Regisseur, „Parsifal“-Bühnenbildner in Bayreuth, Maler und Bilderbuchautor, gibt eine unkonventionelle Einführung; Studenten präsentieren ihre Parsifal-Sicht, ihre Professorin Ingrid Bennewitz stellt Chrétien de Troyes und Eric Rohmers Film „Perceval le Gallois“ vor; Sabine Zurmühl, Mediatorin, Journalistin und feministische Autorin aus Berlin, bringt uns über die „Höllenrose“ Kundry auf den neuesten Stand; Tom Artin aus New York, Autor mehrerer Wagner-Bücher, spricht über „Parsifal“ aus psychoanalytischer Sicht.
15 bis 17.30 Uhr: Stephan Mösch, Musiktheater-Professor aus Karlsruhe, beleuchtet ideengeschichtliche und aufführungsästhetische Hintergründe der Gralsoper; Roland Kluttig, Coburger GMD, informiert, wie man den für die Festspielhausakustik komponierten „Parsifal“ in einem Haus wie Coburg realisiert; Holger Noltze, Musik-, Medien- und Literaturwissenschaftler aus Dortmund, geht ein auf Wagners Umgang mit der Vorlage Wolframs von Eschenbach; Roman Payer, Tenor und Parsifal-Sänger, spricht mit Intendant Bodo Busse und Dirigent Roland Kluttig über sein Rollendebüt.
20 bis 22.15 Uhr: „Perceval le Gallois“ – Vorstellung mit Eric Rohmers Film von 1978 (in französischer Sprache mit deutschen Untertiteln; Eintritt: 10 Euro)
Sonntag, 23. April
10 bis 11.30 Uhr: Podiumsgespräch mit Werkstatt-Referenten und dem Leitungsteam der Coburger Inszenierung in Bamberg.
14 bis 22.30 Uhr: Busfahrt zur „Parsifal“-Vorstellung im Landestheater Coburg.
Infos und Anmeldung
rwv-bamberg.jimdo.com sowie unter Telefon 0951/133426 und 0951/53895
Parsifal in Coburg
Premiere 9. April, weitere Vorstellungen 13., 16., 23.
und 30.4. sowie 15., 18. und 25. Juni.
Weitere Infos unter www.landestheater-coburg.de
Fotocredits:
Optisches Leitmotiv der „Parsifal“-Werkstatt aus dem Bilderbuch „Jump‘n‘Grail, Parsifal!“ von Thomas Goerge, der zum Auftakt der Vorträge am 22. April mit mehreren Beamern eine unkonventionelle Einführung gibt. Vorlage: Thomas Goerge
Ohne Wagner geht‘s einfach nicht: beim Pressegespräch vor der „Parsifal“-Werkstatt-Plakatwand im Hotel Bamberger Hof rechts RWV-Vorsitzende Dr. Jasenka Roth und links ihre Stellvertreterin Monika Beer, Foto © Erich Weiß
Ausstattungskonzept für die Coburger „Parsifal“-Neuinszenierung: Bühnenbild und Licht-Design von Guido Petzold im „Parsifal“-Trailer des Landestheaters Vorlage: Guido Petzold