2021 steht die Kunsthalle Schweinfurt im Zeichen des Informel, eine Spielart der ungegenständlichen Kunst, die nach dem Zweiten Weltkrieg den künstlerischen Aufbruch in Deutschland wagte. Ihre abstrakt-gestische Bildsprache wurde als bewusster Gegensatz gegen die Kunstdiktatur der Nazizeit und das heroische Menschenbild verstanden und galt in den 1950er Jahren als Ausdruck der neuen politischen Ordnung. Gerhard Fietz, einer der wichtigen Vertreter des Informel erinnert sich: „Erst nach dem Ende des Krieges konnte ich mich wieder künstlerisch entfalten. Ich musste in einen neuen Bereich kommen. Einfach aus dem Dreck heraus, um den Krieg loszuwerden. Es war unmöglich, illustrativ den Krieg darzustellen. Man musste da neue Formen finden. Neu anfangen.“ Rupprecht Geiger resümiert: „Die Welt schreit nach Erneuerung oder Untergang. Die Abkehr vom Gegenständlichen, der Ekel vor den Dingen, die auf den Menschen bezogen sind, hat seinen tiefen Grund. Diese Menschheit hat sich zutiefst verdächtig gemacht. Der herrlichste Frauenkörper hat nun den Makel auf dem Leib, die Frucht dieser bösen Sippe zu tragen.“
Die Kunsthalle Schweinfurt beleuchtet nun in vier Einzelausstellungen diese Kunst der frühen Nachkriegszeit: Die große Hauptausstellung „Positionen des deutschen Informel. Von Ackermann bis Zangs“ ist bis 9. Januar 2022 in der Kunsthalle Schweinfurt zu sehen. Die Schau macht das Informel anhand ausgewählter Themen einer breiteren Öffentlichkeit vertraut, wie zum Beispiel „Netzwerk Rheinland – Franken“, Aufträge im sakralen, öffentlichen und privaten Raum, die informelle Landschaft, die Rolle von Musik oder die informelle Plastik. Wer ein besonderes Augenmerk auf die informelle Druckgraphik legen will, dem sei die Parallel-Ausstellung „Gestalt-Los? Albert Fürst. Auf Papier“, die bis zum 9. Januar 2022 in der Sparkassengalerie zu sehen sein wird, empfohlen.
Schweinfurt und das Informel sind seit langem eng verbunden. Am Anfang standen Aufträge zur Gestaltung kirchlicher oder öffentlicher Bauten: Georg Meistermann aus Köln schuf 1953 sein bedeutendes Glasfenster in der Schweinfurter Kirche St. Kilian; zu erinnern ist auch an die große Wand von Karl Fred Dahmen im oberen Foyer des Theaters der Stadt Schweinfurt von 1966. Durch eine langjährige stringente Sammlungs- und Ausstellungspolitik sowie durch logistische und finanzielle Unterstützung von renommierten Sammlern, Stiftungen und Leihgebern konnte seitdem eine herausragende Sammlung zur informellen Kunst aufgebaut werden, mit der sich die Stadt Schweinfurt einen weit über die Region ausstrahlenden Ruf erworben hat. Die eigenen Bestände mit rund 80 Spitzenwerken sind im Westflügel der Kunsthalle zu sehen.
Die aktuellen Ausstellungen an verschiedenen Orten bieten mit insgesamt rund 200 Werken, darunter Gemälde, Graphiken und Skulpturen, ein umfassendes Kaleidoskop des Informel. Die Auswahl aus eigenen Beständen ergänzen hochkarätige Leihgaben namhafter öffentlicher Sammlungen und Galerien, zahlreicher Nachlässe und privater Leihgeber.
AUSSTELLUNGSORTE
KUNSTHALLE SCHWEINFURT, GROSSE HALLE UND NORDFLÜGEL: Positionen des deutschen Informel. Von Ackermann bis Zangs. Noch bis zum 9.Januar.2022
KUNSTHALLE SCHWEINFURT, KUNSTVEREIN SCHWEINFURT: Positionen des deutschen Informel – Arbeiten auf Papier. Noch bis zum 9. Januar 2022
SPARKASSENGALERIE der Sparkasse Schweinfurt-Haßberge, Roßmarkt 5-9, 97421 Schweinfurt: Gestalt-Los? Albert Fürst. Arbeiten auf Papier. Noch bis zum 9. Januar 2022 (ÖZs.: Montag bis Freitag 8:30 – 16:30 Uhr)