Matthias Reim ist im deutschen Schlager eines dieser Gesichter, das nicht wegzudenken ist. Seit er 1990 mit seinem Allzeit-Klassiker „Verdammt, ich lieb dich“ den Durchbruch geschafft hat, durchlebt der 66-Jährige ein Wellental der Gefühle: Von ganz oben bis ganz unten und wieder zurück. Inzwischen ist der im hessischen Korbach, der einzigen Hansestadt des Bundeslandes, geborene und seit Jahren am Bodensee beheimatete Sänger längst mit sich im Reinen. Am 16. Juli gastiert der passionierte Motorradfahrer und Biertrinker mit seinem neuen Album im Gepäck auf der Kulmbacher Plassenburg. Erstmals gastiert er dort – und freut sich auf die Stadt und seine Fans. Im Vorfeld stand er Art. 5|III für ein Interview zur Verfügung. Und hat einige spannende Geschichten ausgeplaudert. Auch über seine musikalische Familienbande.
Helfen Sie mir auf die Sprünge (lacht).
Was tatsächlich mit 60 Jahren anfängt, ist, dass man seine Erfahrungen zu nutzen lernt und etwas relaxter wird. Man ist einfach nicht mehr so hektisch und rennt jedem Strohhalm hinterher. Man fragt sich, ob man das machen will oder machen muss. Ich überlege dann. Ich bin entspannter. Ob das ein Lebensanfang ist, das weiß ich nicht. Es kommen ja auch Sachen dazu, die gar nicht so witzig sind. Ich bin jetzt 66. Wenn du fünf Stunden mit dem Auto zu einem Konzert fährst, dann brauchst du erst einmal fünf Minuten, bis du deine Knochen sortierst. Das hatte ich mit 25 Jahren nicht. Da sind wir rausgesprungen und haben gesagt: Los geht’s! So Kleinigkeiten.
Ich liebe das hier. Ich lebe in einer Kleinstadt, bin sowieso ein Kleinstadtjunge. Jeder grüßt mich, alle lassen dich aber in Ruhe einkaufen oder was auch immer. Wenn ich etwas brauche – ich kenne den Schreiner, den Automechaniker, ich kenne einfach jeden. Die Menschen hier mögen und respektieren mich und lassen mich, was meinen Beruf angeht, wirklich in Ruhe hier.
Das stimmt. Ich habe hier keinen Stau, immer einen Parkplatz. Nicht wie mein Sohn. Der wohnt in Düsseldorf und sucht erst einmal eine halbe Stunde, um sein Auto abzustellen. Als das gibt es hier nicht. Und die Leute, die hier sind, die freuen sich, dass ich hier wohne und helfen mir auch, wenn ich Hilfe brauche. Und das ist etwas sehr, sehr schönes.
Ja. Das ist defintiv ein gewisser Luxus. Ich bin einfach ein freundliches Wesen. Deswegen sind die auch freundlich zu mir. Ich kenne keine Arroganz von wegen hier kommt der große Reim, geh mir aus dem Weg. Um Gottes Willen! Ich stelle mich in der Schlange hinten an und die Omi, die nur ein Brot in der Hand hat, lasse ich vor wie jeder andere normale Mensch auch. Zuhause bin ich ein ganz normaler Mensch. Ich vergesse auch, dass ich „Promi“ bin. Hier vergesse ich das und habe es gar nicht auf dem Schirm. Wenn dann mal ein Tourist kommt und möchte ein Selfie machen, dann ist das so das Gefühl „Oh Gott“, ich bin ja der Matthias Reim. Habe ich gerade vergessen.
Ich glaube, dass ich draußen wirklich einen ziemlichen Sympathiebonus habe. Das ist etwas, das ich sehr genieße, weil ich auch immer versucht habe, so zu leben und so zu sein. Also ein normaler, höflicher Mensch. Und respektvoll. Etwas, das mir meine Eltern beigebracht haben. Das heißt, wenn ich in eine Halle gehen, dann grüße ich jeden. Ob Feuerwehrmann, Wachmann oder der Chef der Halle. Das ist egal. Behandle alle gleich. Behandle sie einfach freundlich. Das ist ein Lebensmotto, das ich immer durchgezogen habe, wo ich immer wieder merke, wenn du mit offenem Herzen und nicht gespielter, sondern gefühlter Freundlichkeit durch das Leben gehst, dann bekommst du das zurück.
Du lernst daraus. Ich habe mir das ja nicht ausgesucht und anfangs noch etwas gezuckt, wenn ich so etwas gelesen habe. Aber dann gibt es so einen Selbstschutz, den glaube ich jeder entwickelt. Ich guck auch nicht mehr nach, was über mich geschrieben wird. Meine Kinder, die die selbe Karriere machen wollen wie der Papa – die schauen ständig nach, was über sie geschrieben wird. Und ärgern sich manchmal. Ich sage ihnen dann, dass sie den Kram gar nicht durchlesen sollen. Was sie noch nicht können. Ich kann das. Ich denke mir, schreibt, was ihr wollt. Ich gehe auf meine Bühne, ich mache meine Platten und mache das Beste, was ich kann. Wie viele Kinder ich habe, wie viele Frauen, die mich verlassen habe – das ist mir doch egal! Es ist mir egal geworden.
Ich finde das eine sehr, sehr schöne Idee. Ich denke darüber nach und plane für mich eine Sondertour. Vielleicht so zehn Arenen, in denen wir das gemeinsam machen. Das ist ein Traum, den möchte ich mir noch erfüllen. Wir verstehen uns alle gut und ich glaube, dass das musikalisch ein guter Abend wäre – und auch witzig für die Leute. Ich liebe meine Kinder, ich liebe ihre Fähigkeiten und ihre Art, damit umzugehen. Ich berate sie auch gerne. Und das dann einmal mit dem Übervater auf einer Tournee durchzuziehen und zu zeigen, dass Familie auch so geht. Ich glaube, das würden den Menschen so richtig Spaß machen und erfolgreich sein. Ich denke daran, das 2025 oder 2026 zu realisieren. Und ich würde nie jemanden mit auf die Bühne nehmen, wäre ich nicht davon überzeugt, dass sie das drauf haben. Bei Christin (Anm. d. Red.: Seine Ehefrau), Julian und Marie (seine Kinder) weiß ich, was sie können. Das alles mal zusammenlegen, das könnte wirklich ein Event werden.
Bei mir ist das Zufall. Ich mache gar nichts bewusst. Ich sehe immer zu, dass ich auf meinen Alben ein, zwei, drei typische Mainstream-Schlagersongs habe, bei denen ich weiß, dass die Leute drauf feiern. So wie „Der doch nicht“ oder solche Sachen. Das wollen die Menschen von mir haben, das liefere ich. Danach mache ich, was ich will. Da gehe ich meine Reise und weiß, die Leute gehen die Reise gerne mit. Wenn ich ein Album nur mit „Tattoo“ oder „Echte Helden“ machen würde, dann wären die Menschen gelangweilt von mir. Die wollen ja auch die Geschichten hören wie „Zeppelin“ oder „Radio“. Das was mich ausmacht. Ich mache einfach Songs und wenn sie mir gefallen, dann bringe ich sie raus.
Meine Playlist ist Ozzy Ozbourne, ein bisschen Led Zeppelin, Steve Walsh oder Ghost. Kennst du die? Sensationell, was die machen! Die sind seit einem Jahr für mich eine der faszinierende Bands, die ich entdeckte habe. Das Album „Freequell“ habe ich im Auto sicherlich mehr als 1000mal gehört. Solche Sachen inspirieren mich! Und Ozzy genauso. Mein „Träumer“ ist ganz klar Ozzy Ozbournes „Dreamer“. Ich hatte ja schon Angst, dass er mich anruft und beschimpft. Hat er nicht gemacht.
Wahrscheinlich hat er es nicht gehört.
Ich war tatsächlich noch nie dort. Bier gehört bei mir dazu. Das steht immer im Kühlschrank und vor dem Auftritt ist das Beruhigungsbier absolut Pflicht. Ohne würde ich nie auf die Bühne gehen. Da würde ich von Lampenfieber und Nervosität sterben. Ein Bier beruhigt mich, hält mich wach und lässt mich frech werden.
Ich komme nach Kulmbach! Ich freue mich auch da drauf.
Eine Reise durch 33 Jahre Reim-Musik-Geschichte! Und sie werden alle Songs kennen. Ohne es vorher zu wissen. Und sie werden es lieben. Ich spiele nur eigene Songs. Eigentlich müsste ich ja vier statt zwei Stunden spielen. Aber ich bin der Meinung, zwei Stunden intensiv reicht völlig bei einem Konzert. Mit Bierpause!
Danke! So etwas freut mich immer. Wenn ich in mein Studio gehe, dann gehe ich erst einmal immer an den ganzen Auszeichnungen vorbei (lacht). Ich gucke immer drauf und stelle fest, dass ich schon etwas geleistet habe im Leben.
Ich komme natürlich mit dem Auto. Motorradfahren ist anstrengend. Die Kraft brauche ich auf der Bühne. Wenn ich nach Hause komme, ist es das erste, das ich tue: An den Bodensee fahren und an der Promenade einen Cappucino trinken.
Ich habe mir daheim eine Sauna, einen Pool und einen Kraftraum eingerichtet. Durch den Sport werde ich wahrscheinlich 110 Jahre alt. Also mache ich das. Ich werde noch gebraucht.
Die Freude ist meinerseits! Stellt schonmal ein Bier kalt. Bis dann!