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Die ‚Germania‘ als Drahtseilkünstlerin

Das Museum Schäfer in Schweinfurt zeigt 100 deutsche Karikaturen

veröffentlicht am 27.01.2016 | Lesezeit: ca. 3 Min.

Und immer wieder die Bulldogge! Schon im ersten Jahrgang des Simplicissimus, also 1896, wird sie ganz allgemein als Symbolfigur für die Karikatur eingesetzt und avanciert, nunmehr in rot, bald zu einer Art Logo für die Zeitschrift selbst. In der europäischen Karikatur personifizierte die Bulldogge dagegen neben „John Bull“ die britische Nation, so wie für Frankreich statt der „Marianne“ der gallische Hahn auftreten konnte. Neuerdings spielt der Bullenbeißer noch eine ganz andere Rolle, eine recht konträre und hochaktuelle: die Satire-Zeitschrift Charlie-Hebdo kennzeichnet mit dem gräuslig aussehenden Tier den rechtsradikalen französischen Politiker Jean-Marie Le Pen und, nach dessen schmählichem Abgang, nun auch das mittlerweile bedrohlich populäre Töchterchen Marine in menschenfressender Pose.

Auch in einer hochinteressanten Karikaturenausstellung, die seit kurzem im Museum Schäfer zu sehen ist, spielt die eigentlich völlig unschuldige Bulldogge eine Rolle. Im Bestand des Museums befindet sich ein bisher kaum bekanntes Konvolut von über 100 Karikatur-Zeichnungen. Sie wurden zwischen 1890 und 1940 geschaffen und dienten meist als Vorlage für einen danach zu fertigenden Druck in Magazinen oder Büchern. 60 dieser Vorzeichnungen werden jetzt in Schweinfurt gezeigt, ergänzt um 40 Leihgaben aus Privatbesitz. Die Themenkreise der Ausstellung sind Politik, Gesellschaft, Kunst und „urbayerische“ Kultur. Die Bulldogge nicht zu vergessen...

Eine Sonderstellung nimmt die „Galerie berühmter Zeitgenossen“ Olaf Gulbranssons ein. Der norwegische Künstler hatte diese Karikaturen, von denen das Museum Schäfer 26 besitzt, ab 1903 für den „Simplicissimus“ gezeichnet. Gulbranssons Darstellungen von berühmten Schriftstellern, Musikern, Künstlern oder Wissenschaftlern zeichnen sich durch extreme Reduktion, fließende Linien und starke Kontraste zwischen leeren und strukturierten Flächen aus.

Für das Verständnis der historischen Exponate ist mitunter tieferes Geschichts- und Personenwissen erforderlich. Auch das jeweilige Zielpublikum ist ein wesentliches Verständniskriterium. Es macht einen Unterschied, ob es ein Münchner Publikum oder ein anderes war, dem die Alpenland-Späße zugemutet wurden. Und den Standesdünkel des ostelbischen Adels konnte das Berliner Bürgertum, weil quasi vor Ort, besser verstehen als die Rheinländer. Diese sehr erhellende Ausstellung ist im Museum Georg Schäfer Schweinfurt bis zum 6. März zu sehen.

Angaben Bilder:

Arnold - Mir sein mir

Gulbransson - Auguste Rodin

Heine - Dies ist das Hundevieh

Jüttner - Treue

LUZ c est reparti

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