„Nein, auch im Winter, wenn es schneit...“
Zur Simulation des Fürstenportals am Bamberger Dom
veröffentlicht am 27.01.2016 | Lesezeit: ca. 4 Min.
Nun ist der Trend in Bamberg also auch am Dom angekommen. Schon um 1998/99 hatte man am Alten Rathaus die historischen Wandmalereien nach Johann Anwander restauriert, dem allgemeinen Wunsch zuliebe das Gerüst aber mit einem originalgroßen Foto-Duplikat verdeckt. Diese Illusion half über die Zeit hinweg. An der Oberen Brücke verdeckte 2005/06 die barocke Kreuzigungsgruppe des Leonhard Gollwitzer während der Restaurierung ein Riesenfoto des Originales, wobei freilich die grünen Bäume des Hintergrundes im Spätherbst mit dem schütter werdenden Herbstlaub am Ort kontrastierten, eine spaßige Collage. An der Alten Hofhaltung hatte man schon 2003 Ähnliches gesehen, eine Originalbemalung von 1572 kurzzeitig dokumentierend. So nun auch am Dom.
Das Spiel mit Riesen-Bildwänden, die den Eindruck von der Sache selbst wiedergeben sollen, ist schon alt. Es begann in Deutschland 1993 mit der Simulation von drei Fassaden des von Walter Ulbricht barbarisch abgerissenen alten Berliner Hohenzollernschlosses, eine Tat mit großen Folgen, wie wir heute wissen. Es setzte sich fort am Brandenburger Tor mit einer höchst kuriosen Folge von Wechselbildern in Originalgröße zu Werbezwecken, war also inzwischen Gewohnheit geworden. Sogar Schloß Linderhof hatte man 2003 während einer Restaurierung voll als Simulation in Plastik verdeckt, als Entschädigung für die Besucher, auch in Würzburg bei Arbeiten an den berühmten Tiepolo-Fresken des Treppenhauses der Residenz.
Da inzwischen jedermann die Gefährdung vieler Skulpturen im Außenbereich unserer Baudenkmale und Kirchen infolge der Luftverschmutzung erkannt hat, werden in der strengen Winterzeit zunehmend Schutzbauten aus Holz vorgebaut, so auch am Bamberger Dom, wo vor allem das berühmte Fürstenportal inzwischen für einige Monate hinter einer solchen hölzernen Konstruktion verschwindet. Die Wirkung der originalgroßen Reproduktion an diesem Vorbau, die in diesem Winter zu sehen ist, verblüfft, obwohl der einst wohl bei Sonnenschein aufgenommene hellere Stein vor allem bei bedecktem Himmel mit dem Original kontrastiert und der winterliche Reif auf einigen Gesimsen und Profilleisten der Türflügel irritiert. Bei frontaler Ansicht meint man fast, das Original mit seiner Raumtiefe zu sehen. Doch führt die Tieferlegung des Ganzen um fünf Eingangsstufen wieder in die Realität zurück. Vorübergehend entsteht der Eindruck, wie er vor der Absenkung des ganzen Platzniveaus um 1778 einmal gewesen sein mag. Man kann es gut mit der bekannten Zeichnung von Franz Reinstein von 1818 vergleichen. Nähert man sich aber dem Abbild von der Seite, etwa von der Stadt her, so fällt der Raumeindruck vollends auseinander, da die logischerweise richtige optische Verkürzung der Gewände ausbleibt bzw. ins Gegenteil verkehrt wird.
So bleibt beim Betrachten trotz des Staunens ein gewisses Unbehagen, nicht nur über Verwirrungen im Bildlichen. Zu sehr wird hier wohl Tribut dem Geschmack und der Erwartungshaltung des Tourismus gezollt, der bekanntermaßen eigenen Regeln folgt. Um von der hohen Symbolkraft des Originales nichts zu verschenken, auch gegen die evidente Wirklichkeit, und da ja technisch heute ja alles möglich ist, begibt man sich gleichsam in eine Zeitmaschine und inszeniert Unzeitiges gleichzeitig. Es erhebt sich die Frage nach dem Respekt vor der Zeit und vor dem Unvollkommenen. Kann oder will der heutige Tourist nicht mehr sehen, dass Jahrhunderte über unsere Denkmale hinweggegangen sind? Fehlt ihm das Verständnis, will er nur perfekte Dinge, so daß sie sich in der Konsequenz immer perfekt darbieten müssen und ihre volle Geschichte nicht mehr erzählen dürfen und können? Beim Menschen würdigt und respektiert die Gesellschaft inzwischen auch das Versehrte und Verletzte, warum nicht bei Baudenkmalen? Gedanken sollte man sich darüber schon machen. Im kommenden Frühjahr, wenn der Schutzbau wieder die Hüllen fallen lässt, ist es wieder für den Rest des Jahres zu spät.
Copyright Fotos:
Simulation des Fürstenportals am Bamberger Dom, Fotos © Prof. Dr. Manfred Fischer