Mixtur

Tag der Franken

Juli 2013

veröffentlicht am 01.07.2013 | Lesezeit: ca. 11 Min.

Ein Bürger aus Selbitz im Landkreis Hof regte durch eine Petition an den Bayerischen Landtag einen Tag der Franken an. Daraufhin beschloss das Landesparlament am 18. Mai 2006, „die Geschichte Frankens“ alljährlich „durch die Feier eines ,Tags der Franken‘“ zu würdigen. „Der 2. Juli eines jeden Jahres ist ein geeigneter Termin.“

Zur Begründung heißt es im Antrag von 57 Abgeordneten der CSU- und der SPD-Fraktion: „Die Gründung des Fränkischen Reichskreises durch Kaiser Maximilian am 2. Juli 1500 markiert den Beginn des fränkischen Gemeinschaftsgefühls, das [...] bis heute spürbar ist.“ Zweck des Tags solle sein, „der eigenständigen Geschichte Frankens in angemessener Weise zu gedenken und die landsmannschaftliche Verbundenheit der Ober-, Mittel- und Unterfranken zum Ausdruck zu bringen“.
Die knappen politischen Aussagen geben freilich Fragen auf. Zunächst: Was ist überhaupt Franken? Scheinbar einfach, erweist sich die Antwort bei näherem Hinsehen als schwierig.

Was ist Franken?

Welches Gebiet man mit Franken bezeichnete, war während des Mittelalters einem starken Wandel unterworfen. Das Stammesherzogtum Franken, das nach 900 zu entstehen begann, aber nie zu einem geschlossenen Herrschaftsraum wurde, griff weit aus: im Westen bis über Worms und Speyer hinaus, in Norden bis Kassel. Im Spätmittelalter war der Landstrich, den man mit Franken bezeichnete, dagegen sehr klein geworden: Wenn jemand ins Land zu Franken reiste, dann meinte er damit den Raum zwischen Steigerwald und Spessart, das Kernland des Hochstifts Würzburg. Die Nürnberger, so betonten Autoren des 15. Jahrhunderts, sähen sich weder als Franken noch als Bayern, sondern als eigenständiger Stamm.

Der Fränkische Reichskreis, 1500 geformt, ein Zusammenschluss von geistlichen und weltlichen Fürsten, von Grafen und Reichsstädten, gab der Region Franken Halt und Bestand. Er erstreckte sich vom Odenwald bis ins Vogtland, von der Rhön bis an die Altmühl. Parallel bestand der Ritterkreis, der die reichsritterlichen Orte vereinte. Doch beide Kreise deckten sich nicht. Der Ritterkreis griff beispielsweise bis in den Raum Fulda aus.

Doch lässt sich Franken nicht nur über den Reichskreis beschreiben. Franken ist auch ein Sprachraum. Doch nicht überall im Fränkischen Reichskreis wurde Ostfränkisch gesprochen, und Landstriche, in denen Fränkisch gesprochen wurde, etwa in Südthüringen, lagen außerhalb des Reichskreises.
Nicht zuletzt haben die drei bayerischen Regierungsbezirke Ober-, Mittel- und Unterfranken, 1838 so benannt, Identität gestiftet. Sie schlossen Gebiete ein, die einst nicht zu Franken gezählt hatten – etwa Aschaffenburg –, und machten sie dadurch erst fränkisch.

Es gibt also nicht bloß ein Franken, sondern mindestens drei: ein Reichskreis-, ein Sprach- und ein Verwaltungs-Franken. Franken sperrt sich mithin einer raschen Beschreibung, und es lässt sich nicht in eine Schublade stecken. Aber ist das ein Nachteil? Wir sollten wir lernen, die Uneinheitlichkeit Frankens als Wert zu erkennen.

Wer ist Franke?

Der positiv beschiedene Landtags-Antrag des Jahres 2006 spricht von Gemeinschaftsgefühl, von Landsmannschaft, von den Franken, kurz: von fränkischen Menschen. Nimmt man aber Menschen und nicht Räume in den Blick, dann wird es noch komplizierter. Was macht einen Menschen zum Franken? Dass er in Franken – in einem der verschiedenen Franken – zur Welt gekommen ist? Dass schon seine Eltern Eingeborene waren? Muss er hier wohnen? Braucht es ein Bekenntnis zu Franken? Kann ein Nichtfranke Franke werden? Wie macht er das? Kann man sein „Frankentum“ auch einbüßen?
Jegliche Enge wäre fehl am Platz. Denn Franken war von jeher ein offenes Land, eine Region in der Mitte Europas. Nicht nur die Fürsten, Ritter und Patrizier, die über Bestandteile Frankens herrschten, waren europaweit vernetzt. Auch unter den Beherrschten waren Zuwanderer nicht selten. Zu Zeiten des Reichskreises kamen Fremde, und sie haben das Land verändert, es bunter, reicher gemacht. Der Dreißigjährige Krieg entvölkerte ganze Landstriche. Da waren Zuwanderer willkommen, ob aus dem Norden, aus Böhmen oder aus Altbayern. Zigtausende evangelische Glaubensflüchtlinge aus Niederösterreich und der Steiermark ließen sich im heutigen Mittelfranken nieder. In Erlangen fanden ab 1686 Hugenotten Zuflucht – über 3000 in ganz Franken –, Menschen, die aufgrund von Sprache und Konfession für Generationen eine Parallelgesellschaft bildeten. Immer wieder, namentlich seit dem 18. Jahrhundert, zogen italienische Familien zu, Händler meist, und bald waren die Pisani und Wazanini, die Osta und die Molendo akzeptierte Nachbarn in fränkischen Kleinstädten. Sommer für Sommer kamen hunderte Bauhandwerker aus Tirol und Graubünden nach Franken. Sie schufen gemeinsam mit Einheimischen die barocken Gebäude, die heute fränkische Identität stiften und Tourismusprospekte zieren. Gefangene Türken, um 1690 nach Franken gebracht und getauft, heirateten Einheimische und gründeten Familien. Juden, die vor Pogromen in Russland flohen oder aus dem habsburgischen Machtbereich ausgewiesen wurden, fanden in Franken Zuflucht. Kurz, Franken ist ein offenes Land mitten in Europa.

Fränkische Traditionen

Wenn im Landtagsbeschluss von „fränkischer Geschichte“ die Rede ist, dann müssen wir uns bewusst sein, dass Geschichte nicht einfach die Summe des Geschehenen ist, sondern das Bild, das wir Heutigen von unserer Vergangenheit zeichnen. Tradition entsteht nicht, sondern wird von Menschen geformt.

Die Bereicherung durch Zugezogene, aber auch die Verdienste von Franken in anderen Teilen Deutschlands und der Welt könnten eine solche Tradition darstellen.

Auch aus dem Reichskreis lässt sich manches ableiten. In dessen Bereich gab es keine Großmacht, die die kleineren Staatsgebilde dominiert hätte. Deshalb funktionierte das vereinte Nebeneinander der unterschiedlichen Herrschaftsgebilde in Franken vergleichsweise gut. Eingezwängt zwischen den Großmächten Preußen und Habsburg und bedrängt durch die Mittelmacht Bayern, stützte die fränkische Staatengemeinschaft im auseinanderdriftenden Reich des 18. Jahrhunderts den Reichsgedanken.
Solche Bezogenheit auf das ehemalige Reich fand man auch in den Revolutionsjahren 1848/49. Der Wille nach Reichseinheit vermengte sich mit dem Wunsch der neuen Eliten, des Wirtschafts- und Bildungsbürgertums, an der politischen Macht teilzuhaben. In München freilich sah man in den Staatsbürgern noch allzu gerne Untertanen. Im Königreich Ludwigs I. von Bayern waren es namentlich Franken, die um Bürgerrechte rangen: Wilhelm Joseph Behr, Franz Ludwig von Hornthal, Johann Gottfried Eisenmann, Johann Georg August Wirth, um nur die wichtigsten Persönlichkeiten zu nennen.

Die Ereignisse von 1848/49 lassen innerhalb Bayerns klar den Unterschied zu anderen Landesteilen erkennen. Bei der Landtagswahl vom Herbst 1848 wählte Franken – anders als Altbayern und auch Schwaben – fast überall, über konfessionelle Grenzen hinweg, teils radikale, teils gemäßigte Demokraten. Diese wollten, was heute besteht: ein demokratisches Bayern in einem einigen, demokratischen Deutschland.

Im Frühjahr 1849 war die von der Paulskirche erarbeitete Reichsverfassung des Deutschen Volkes vollendet. Als sich zeigte, dass König Maximilian II. von Bayern sie nicht annehmen würde, entstand in Franken eine Volksbewegung für die Verfassung, für ein geeintes Reich, für Demokratie. Ein Aufruf, den der „Congreß der fränkischen Demokraten“ am 29. April 1849 in Bamberg verabschiedete, endete so: „Franken hat jetzt eine große Aufgabe, es muß den Altbayern vorangehen im Kampfe für die Freiheit, für Deutschland. Vorwärts ihr Männer von Franken! Die Franken müssen Bayern deutsch und frei machen.“

Friedliche Volksversammlungen sollten den König zur Annahme der Reichsverfassung bewegen, und Tausende strömten mit schwarz-rot-goldenen Fahnen herbei. Am 13. Mai 1849 fanden sich auf dem Judenbühl bei Nürnberg Deputationen von über 150 politischen Vereinen aus ganz Bayerisch-Franken ein; man sprach vom „Frankentag“. 30 000 bis 50 000 Menschen legten einen Schwur auf die Reichsverfassung ab.

Ein Beispiel nur. Solche wichtige Facetten unserer fränkischen Vergangenheit gilt es herauszuarbeiten und als Tradition zu etablieren. Derartige Form von Geschichtspflege könnte ein Sinn des Tag der Franken sein.

Kulturelle Vielfalt als Wert

Dieser Tag bietet aber auch eine Gelegenheit für Franken, sich in seiner ganzen Vielgestaltigkeit zu zeigen, die historische Wurzeln hat. Franken hatte eine Fülle von Herrschaften: Hochstifte, Markgraftümer, Grafschaften, Deutschordensland, ritterschaftliche Dörfer. Zumal im 18. Jahrhundert wollte jeder Herr, der es sich leisten konnte, sein kleines Versailles, und daraus erwuchs eine kulturelle Buntheit in der Fläche, die bis in die Gegenwart fortdauert. Franken hat nicht ein Zentrum, das von kulturellen Wüsten umgeben wäre, sondern besitzt viele, unüberschaubar viele Glanzlichter.
Dem sollte der Tag der Franken Rechnung tragen. In den Jahren 2006 bis 2012 wurde er als zentrales Fest durchgeführt – organisiert nicht vom Haus der Bayerischen Geschichte, dem der Landtag diese Aufgabe eigentlich zugedacht hatte, sondern von den drei fränkischen Bezirken im Wechsel. 2006 fand der Tag der Franken in Nürnberg statt, 2007 in Bamberg, 2008 in Miltenberg, 2009 in Bad Windsheim, 2010 in Kulmbach, 2011 in Bad Kissingen, 2012 in Schwabach.

Für 2013 hat der Bezirk Oberfranken den Versuch unternommen, in den ersten Julitagen tatsächlich Franken in seiner ganzen Vielfalt zu präsentieren. Nicht an einem Ort, sondern überall in Franken finden Veranstaltungen statt. Damit wird die breite Bürgerbeteiligung, wie sie der Landtag wollte, Wirklichkeit.
Die runden Geburtstage des Dichters Jean Paul (1763–1825) und des Komponisten Richard Wagner (1813–1883) boten den Anstoß für das Motto: „Franken im Ohr“. Die unterschiedlichsten Töne, wie sie Franken prägen, sollen zu hören sein: Volksmusik ebenso wie Oper und Musical, Jazz und Rock, getragen rezitierte Mundart ebenso wie Poetry Slam.

www.tagderfranken2013.de

Information:

Prof. Dr. Günter Dippold
Bezirksheimatpfleger von Oberfranken, geboren am 21. November 1961 in Schney

Ausbildung und beruflicher Werdegang
1982 – 1987:
Studium der Geschichte und Volkskunde an den Universitäten Bamberg, Regensburg und Erlangen-Nürnberg

1992 – 1994:
Leiter des Deutschen Korbmuseums in Michelau i. OFr.

1993:
Promotion mit der Dissertation „Konfessionalisierung am Obermain“

seit 1994:
Bezirksheimatpfleger und Kulturreferent des Bezirks Oberfranken

1995 – 2002:
Lehrauftrag für Historische Hilfswissenschaften an der Universität Bayreuth

2000 – 2004:
Lehrauftrag am Lehrstuhl für Volkskunde / Europäische Ethnologie der Otto-Friedrich-Universität Bamberg

2004:
Ernennung zum Honorarprofessor an der Universität Bamberg
Ehrenamtliche Tätigkeiten und Mitgliedschaften / Außerberufliches
Engagement
• Vorsitzender des Colloquium Historicum Wirsbergense e. V. (CHW), seit 1997
• Mitglied im Vorstand des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege e. V., seit 2004
• Mitglied im Gesamtausschuss der Gesellschaft für fränkische Geschichte e. V., seit 2004
• Vorsitzender des Caritas-Kreisverbands Lichtenfels, seit 2009
• Vorsitzender des Stiftungsrats der Bürgerstiftung für Familie und Jugend im Landkreis Lichtenfels,

seit 2009
• Verfasser und Herausgeber von über 300 Monografien und Aufsätzen zur fränkischen Landesgeschichte

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