Ein bahnbrechendes Jahr für die Kulturgeschichte
1913 – Der Sommer des Jahrhunderts
veröffentlicht am 30.05.2016 | Lesezeit: ca. 2 Min.
1914 sollte zu einem Jahr werden, das man so schnell nicht vergessen würde, das bis heute (und wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit) tonnenweise Geschichtsbücher füllt und Schülerscharen zur Weißglut treibt. Im August 1914 – so weiß jeder – brach eine neue unwirtliche Zeit an, der Erste Weltkrieg begann und sollte lange andauern. Doch was geschah eigentlich zuvor? Kriege brechen ja nicht „mal eben so“ aus, ganz langsam beginnt etwas zu schwelen und Umbruch liegt in der Luft. Irgendwie haben das wohl auch die genialen Köpfe und Protagonisten in Florian Illies fulminanten Sachbuch „1913“ geahnt, konnten es nur noch nicht richtig greifen. Vor allem aber war 1913 ein Jahr, das kulturelle Umbrüche und ein Zeitalter der Extreme markierte und selten beschreibt das ein Sachbuch, das eigentlich eher als Geschichtsroman daherkommt, so eindrücklich wie kurzweilig. Und das, obwohl Illies fast akribisch genau und in höchster Erzählkunst auflistet, wann und wo die Wegbereiter jener neuen Kultur, ja, jener neuen Zeit ihre Ferien verbrachten und Werke wie „Totem und Tabu“ entstanden. Ganz nebenbei erfährt man von bahnbrechenden Ereignissen wie etwa der Eröffnung der Grand Central Station in New York oder stolpert über den Fakt, das ebenfalls in New York das berühmte Woolworth-Gebäude seine Pforten öffnete – übrigens damals das höchste Gebäude der Welt. Klingt vielleicht für den ein oder anderen trocken, ist es aber ganz und gar nicht, denn als Leser ist man ja bereits im Bilde; man weiß, was noch kommen wird und erfährt fast schon spielerisch trotzdem immer neue Details, von Rilkes Zahnarztbesuchen zum Beispiel oder Franz Marcs Rehen Hanni und Ruth.
Selten schafft es eine gut recherchierte Fleißarbeit, die „1913“ ganz nüchtern betrachtet ist, gleichzeitig so unterhaltsam zu sein und vielleicht sogar – und das wird diesem Lesestoff dann doch eher gerecht – zu einem neuen Standardwerk zu avancieren, das mittlerweile übrigens auch in der kompakten FISCHER TaschenBibliothek-Ausgabe erhältlich ist. Fabulös.