Grundausstattung für Symphoniker-Enthusiasten
Die „ersten 70 Jahre“ in einer opulenten, aber sehr preiswerten CD-Box
veröffentlicht am 31.05.2016 | Lesezeit: ca. 3 Min.
Es ist nur eine untypische Jubiläumszahl, die jetzt die Bamberger Symphoniker auf ihre klangliche Vergangenheit zurückblicken, pardon: -hören lässt. 70 Jahre und 18 CD‘s – da fragt man sich, was sie wohl zum 75. Geburtstag auf Lager haben werden. Für‘s erste haben wir jedenfalls genügend Hörstoff, um die Entwicklungen und Wandlungen des Orchesters nachvollziehen zu können - und wie nebenbei eine beeindruckende Phalanx berühmter Dirigenten präsentiert zu bekommen. Allerdings muss man schon zu den älteren Semestern gehören, um sich noch live an Stabführer wie Ferdinand Leitner, Fritz Lehmann, Rudolf Kempe, Antal Doráti, István Kertész oder Witold Rowicki erinnern zu können. Von Jascha Horenstein, Clemens Krauss oder dem viel zu vergessenen Otmar Suitner ganz zu schweigen. Das sieht bei Eugen Jochum, Wolfgang Sawallisch, Kurt Sanderling, Horst Stein, Giuseppe Sinopoli und Günter Wand schon anders aus, freilich: tot sind sie alle. Die Lebenden am Dirigentenpult beginnen erst ab CD 14 und vereinen die Ehrendirigenten Herbert Blomstedt und Christoph Eschenbach sowie den Noch-Chefdirigenten Jonathan Nott.
Einen haben wir in dieser Aufzählung nur zum Schein vergessen, nämlich Joseph Keilberth, der in dieser Anthologie natürlich einen besonderen Platz einnehmen muss und sie deshalb auch mit einer Telefunken-Aufnahme von Smetanas Moldau eröffnet. Die damals bereits exzellente Verfassung des Orchesters wird durch Webers Oberon-Ouvertüre (CD 5, Clemens Krauss) ebenso bestätigt wie die gute Akustik des Zentralsaales. Unter den Perlen der Box befinden sich Wilhelm Kempffs Grammophon-Aufnahme von Mozarts C-moll-Klavierkonzert – welch apollinischer Klavierklang! – und Günter Wands Version von Bruckners Neunter. In CD 6, Smetanas Die verkaufte Braut gewidmet, überrascht Rudolf Kempe mit einer gestochen scharf artikulierten Ouvertüre, diesem Angststück aller Streicher. Ein Orchester in Bestform – und den Hans singt Fritz Wunderlich!
Unbedingt noch zu erwähnen: Brahms-Kenner Horst Stein steuert die Erste bei, Herbert Blomstedt dessen Vierte, Eugen Jochum einen famosen Till Eulenspiegel, Jonathan Nott einen fast exzessiven Sacre du printemps. Die letzte CD serviert als Bonus noch Mendelssohns Lobgesang mit dem Symphonikerchor, doch damit haben wir die vielleicht wichtigste CD bereits übersprungen: In Nr. 17 geht es mit Joseph Keilberth und Aufnahmen aus den Jahren 1940-44 zurück zum Ursprung der „Bamberger“, zum Deutschen Philharmonischen Orchester Prag – welches Dokument! Fazit: Diese Box gehört als Grundausstattung ins CD-Regal aller Symphoniker-Enthusiasten.
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Cover „The first 70 years“