Szene

„Soi mas spuin?“ – Ja, spielt es!

Seiler und Speer im Nürnberger Serenadenhof

veröffentlicht am 28.07.2016 | Lesezeit: ca. 6 Min.

„Letzte Nocht – woa a schware Partie fia mi“ - Worte, die in Deutschland landauf, landab längst Kultstatus erreicht haben. Sobald die ersten Töne von Seiler und Speers Gassenhauer durch die Boxen klingen, stehen die Läden Kopf. Ob die Veranstaltungsorte nun gefüllt sind mit schwer feiernd angetrunkenen Jungspunden oder aber auch mit Leuten am anderen Ende des Altersspektrums: Die beiden Österreicher haben den Nerv der Zeit getroffen. Und lassen ihre Anhängerschaft jetzt auch live auf den Bühnen der Republik daran teilhaben: Am 24. August beglücken die beiden aufstrebenden Austro-Pop-Newcomer den Nürnberger Serenadenhof mit ihrem authentischen Stil.

Millionenfache Klicks auf You-Tube, eine Single, die den deutschsprachigen Raum im Sturm erobert und ein Debütalbum, das der dritten Singleauskopplung kaum nachsteht. Alles in allem genau das, was man sich als Bühnen-Newcomer normalerweise nur erträumen kann. Doch was heißt das schon: Bühnen-Newcomer? Eigentlich sind die beiden Niederösterreicher alte Hasen im Geschäft. Nur halt ganz anders. Christopher Seiler hat sich seit Jahren einen Namen als Schauspieler und Kabarettist gemacht, Bernhard Speer ist in der Heimat ein nicht unerfolgreicher Filmproduzent. Eher zufällig rutschten die beiden ins Musikgeschäft. Bernhard Speer agierte als Produzent und Regisseur, als die Schichtwechsel-Reihe von Christopher Seiler ins Leben gerufen wurde. Seiler, seines Zeichens Komiker, spielte damals seine ersten kabarettistischen Vorstellungen und wollte diese mit Musik untermalen. „I hob wem braucht, dea Gitarre spün kau und da Bernhard hod des so scheh gmocht dass i ma denkt hob, mia haun sie auf a Packl weis eh irgendwo wuascht is“, plaudert er auf der Homepage des Duos über die Anfänge. Aus dieser Idee entstand später die Formation „Seiler und Speer“. Ernst genommen haben die beiden Künstler ihre Musik anfangs nicht. Christopher Seiler: „I nimm grundsätzlich nie wos ernst. I nimm mi nedamoi söwa ernst, do samma de boa Liada a wuascht!“ Dennoch – oder gerade deswegen – machten die ersten Musikstücke Spaß. Nicht nur den beiden. Auch dem Publikum.

Seit Anfang des Jahres hat das unkonventionelle Duo auch außerhalb der Heimat in Österreich große Erfolge. In den bayerischen Charts haben sie es mit „Ham kummst“ an die Spitze geschafft. Die Leute freuen sich über die verrückten und genialen Künstler, die einen in eine nicht so gestriegelte Musikwelt mitnehmen. Und dabei haben die beiden Bad Vöslauer die Bodenhaftung stets gewahrt. Neben zahlreichen, zumeist ausverkauften, Gigs in größeren und richtig großen Hallen verschlägt es das Duo auch immer wieder in familiär angehauchte Clubs. Dort blühen Seiler und Speer erst richtig auf. Auf der Bühne stehen die beiden regelmäßig zu siebt: Christopher Seiler am Mikrofon, Bernhard Speer an der Gitarre, umrahmt von einem musikalischen Quintett an Schlagzeug, Percussion, Bass, Rhythmus- und Leadgitarre. Eigentlich fast schon wie die großen ihrer Zunft. Bedenkt man, dass der Mega-Erfolg der zwei Musikanten aus einem eher als Gag gedachten Projekt entstand – man kann nur den imaginären Hut ziehen. Schließlich ist es nicht so, dass Seiler und Speer nur auf ihrem, zugegebenermaßen authentisch wie bei kaum jemand anderem dargebracht, sympathischen Gassenhauer „Ham kummst“ basieren. Beschäftigt man sich intensiver mit den Austro-Poppern, merkt man schnell, dass das musikalische Schaffen auf mehr als nur Gute-Laune-Songs basiert. In bester Tradition von Georg Danzer, Konstantin Wecker und wie sie alle heißen, präsentieren sich Seiler und Speer als durchaus ernstzunehmende Liedermacher. Christopher Seiler, der mit der charismatischen Glatze und dem momentan so trendigen Vollbart, formulierte das einst in einem Interview mit kurier.at ziemlich charmant: „Ich möchte machen, was mir Spaß macht, das tu’ ich auch. Und das, was ich mache, soll nicht als geistloser Blödsinn verkauft werden. Ruhm kommt dann von alleine. Die Menschen, die nur nach Ruhm streben, vergessen, dass man dafür auch etwas tun muss. Das Ergebnis sieht man dann bei RTL. Ich fühle mich eher bei Arte angesiedelt.“ Auch wenn „Hamm kummst“ eher große Teile des RTL-affinen Publikums ansprechen dürfte: In ihrer Gesamtheit sind Seiler und Bernhard Speer im Arte-Genre weit eher verwurzelt. Sie sehen sich selbst in der Tradition großer Liedermacher angesiedelt. Klar, aktuell haben Wanda und Co. noch einen Vorsprung gegenüber den zwei aufstrebenden Kerlen mit der charmanten Bühnenperformance. Da kann es (noch) nicht darüber hinwegtäuschen, dass der obligatorische eineinhalb-Stunden-Auftritt mangels der Masse an eigenen Songs mitunter durchaus gestreckt wird – wenngleich die Pausen im Programm mit zumeist äußerst amüsanten Publikumsdialogen abgehandelt werden. Auch was diesen Bereich angeht, sind die beiden ganz, ganz weit oben anzusiedeln. Und – das Wichtigste: Auf der Bühne präsentieren sich Seiler und Speer als fast schon routinierte Recken, die in all ihrer musikalischen Bandbreite überzeugen können. Da wird es funkig, da dürfen fein arrangierte Reggae-Beats nicht fehlen und in der einen oder anderen Sequenz darf auch geschmust werden. All diese Aspekte taugen grundlegend dafür, dass sich die beiden einstigen Filmkoryphäen im Musikbusiness nachhaltig etablieren. Und natürlich der eine, DER Klassiker. Wenn sich ein Abend mit zwei witzigen Österreichern dem Ende neigt, dann darf geschunkelt und gegrölt werden. „Soi mas spuin“ – so die obligatorische Frage des Duos. „Mas“, das ist ihr wegbereitender Gassenhauer „Ham kummst“. Natürlich sollen sie ihn spielen. Und am Ende kann man sich sicher sein: Es war alles andere als a schware Partie fia sie. Es sind Abende, die in Erinnerung bleiben. Auch und gerade weil die Austro-Musiker ihren einen Tophit in ein angenehm anzuhörendes 90-Minuten-Gewand stecken und sich damit nachdrücklich in die Köpfe spielen. Da dürfen sie dann auch gerne heimkommen. Und irgendwann wieder.

Copyright Foto:
Seiler und Speer, Foto © Thomas Unterberger

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