Szene

Die Kunst ist es, die Sachen auf ein Minimum zu reduzieren

Die Bamberger Hip Hop-Gruppe „Bambägga“ im Interview.

veröffentlicht am 01.07.2013 | Lesezeit: ca. 9 Min.

Ende Mai hat die Bamberger Hip Hop-Combo „Bambägga“ ihr viertes Album veröffentlicht. „Laib & Seele“ lautet der Titel der neuen Platte, auf der Jonas, Cony MC und DJ Mighty Mike „Stellung beziehen“, wie sie sagen. Art5Drei sprach mit Jonas (27) über das neue Album, ihre Russland-Tournee, Spontan-Raps vor russischem Militär und die Entwicklung von „Bambägga“.

Zu eurem neuen Album ‚Laib & Seele’ habt ihr vier Videos produzieren lassen. In ‚Liebeslied’ thematisiert ihr die Liebesbeziehung eines Seniorenpaars auf sehr einfühlsame, ruhige Weise. Ist euer neues Album insgesamt eher ruhiger?

Jonas: ‚Liebeslied’, ist ein ruhiges Video, wir haben vier Videos gedreht, die anderen sind alle etwas nach vorne gehender, aber insgesamt hat die CD schon mehr Druck, sie hat auf jeden Fall mehr Energie als die davor. Auch von der Produktion her haben wir ein bisschen draufgelegt.

Wie lange habt ihr an dem neuen Album gearbeitet?

Jonas: Es vergehen schon immer zwei Jahre, in denen man sich zusammensetzt und jeder schaut, wo es hingeht. Durch meine Diplomarbeit war ich im Thema Hip Hop relativ tief drinnen. Mit dem Schreiben habe ich mich meiner Leidenschaft Hip Hop noch mal auf einer theoretischen Ebene genähert. Für die Arbeit am neuen Album war das sehr spannend, da dadurch viele Einflüsse dazukamen. Nachdem Cony nach Berlin gezogen ist, hat sich diesmal auch die Frage gestellt, wie wir das Ganze strukturieren und wie wir nach unserem Studium und dem Einstieg ins Berufsleben weitermachen können. Das waren spannende Phasen, bei denen wir einfach ohne Druck geschaut haben, wie es so läuft. Ich denke, die Tatsache, dass wir alle mit unterschiedlichen Dingen beschäftigt waren und viele neue Erfahrungen gesammelt haben, war ein kreativer Nährboden für das Album, der es unglaublich bunt gemacht hat. Trotzdem ist es stimmig und die gemeinsame Arbeit hat zu einem Ergebnis geführt. Die kreative Keimzelle von ‚Laib & Seele’ war immer Bamberg, weil wir uns hier getroffen haben. Hier liegen unsere Wurzeln. Die gemeinsame Arbeit hat gezeigt, dass man ab und zu ein paar Samenkörner streuen muss, dann sprießt auch wieder ein neuer Baum, den man dann abernten kann. Es ist vergleichbar mit dem Anpflanzen. Wir wissen, wo die Zutaten liegen, das ist im Endeffekt dasselbe Prinzip. Diesmal haben wir allerdings noch etwas stärkeren Dünger mit dazugenommen.

Du hast deine Diplomarbeit erwähnt, in der du dich mit dem Thema Hip Hop beschäftigt hast. Worum ging es darin?

Jonas: Der Titel meiner Arbeit lautete ‚Der Rhythmus der Zeit’. Ich habe mich mit der Frage beschäftigt, wie die Jugendkultur Hip Hop als Medium in der offenen Jugendarbeit eingesetzt werden kann. Mittlerweile arbeite ich als Diplom-Pädagoge in Bamberg und Umgebung in der Jugendarbeit. Die Diplomarbeit war die theoretische Seite, nachdem ich bereits früher praktische Erfahrungen bei Hip Hop-Workshops mit Jugendlichen in Schulen sammeln konnte.

Ihr seid im Mai 2012 vom Goethe-Institut zu einer Russland-Tournee eingeladen worden. Was für eine Erfahrung war das für euch?

Jonas: Das waren noch mal ganz neue Einflüsse. Die Leute dort sind ganz anders auf uns zugegangen. Sie haben gedacht, dass wir in Deutschland die Mega-Nummer im Hip Hop sind. Dass uns hier außerhalb von Strullendorf schon keiner mehr kennt, haben wir natürlich niemandem erzählt. (lacht) Die Russland-Tournee war eine super Erfahrung. Wir waren zwei Wochen lang mit der Band unterwegs, danach haben wir noch sechs Wochen lang Workshops gegeben. Die Leute haben uns angepriesen, als wären wir mordsmäßig mit Echos prämiert. Das war sehr lustig, weil wir für die Autogramm-Stunden Bodyguards gebraucht haben. Das war eine neue Erfahrung für uns. Hier in Bamberg wollten bislang nur mal ein paar Kumpels aus Spaß ein Autogramm, ansonsten gab es nie ernsthafte Anfragen. In Russland hat es einen richtigen Hype gegeben. Wir sind Scharen von 14- und 15-Jährigen begegnet, die sich mit uns fotografieren lassen wollten. Es war sehr schön, dass wir so etwas erleben durften. Die ersten drei, vier Tage fanden wir es auch richtig cool, ab dem siebten Tag hat es dann allerdings schon ziemlich genervt. Es war quasi eine Art Rolling Stones-Gefühl im Schnelldurchlauf. Es war eine tolle Erfahrung, die uns auch gezeigt hat, welche Vorzüge es hat, dass wir unserem bisherigen Weg treu bleiben dürfen und sagen können, so wie wir es machen, passt es für uns am besten.

Das bedeutet in Russland seid ihr mittlerweile Stars?

Jonas (lacht): Gewissermaßen schon. Bei vk.com, einer Art russischem Facebook, gibt es sogar eigene Bambägga-Gruppen. Die Leute haben unsere Fotos in ihrem Profil-Bild verwendet und sich darüber unterhalten, welchen unserer Pullover sie schön finden. In den Städten, in denen wir gewesen sind, waren wir schon ein Thema. Wir sind sogar im russischen Fernsehen aufgetreten und die Leute waren immer sehr ehrfürchtig. Das war ein etwas komisches Gefühl, aber auch sehr unterhaltsam. Man muss dann einfach mitmachen. Wenn man so angepriesen wird, dann spielt man mit. Sehr spannend war auch, dass wir zwei Wochen lang mit Nachtzügen entlang der Wolga gereist sind. Wir waren unter anderem in Saratow, Wolgograd, Moskau, und Astrachan, das ist schon fast bei Kasachstan. In den Nachtzügen ist außer uns nur russisches Militär gefahren. Dazu gibt es auch eine schöne Anekdote. Cony musste nachts aufs Klo. Dafür musste er ein Abteil durchqueren, indem ausschließlich Soldaten untergebracht waren. Sie waren schätzungsweise 18 Jahre alt und recht trinkfreudig. Als einziger Nicht-Uniformierter wurde Cony eingeladen mitzutrinken, was er aber abgelehnt hat, da wir vor selbstgebranntem Wodka gewarnt wurden. Cony hat versucht mit Gesten klar zu machen, dass er Musiker ist. Er hat uns gerufen und wir haben uns dann zusammen aus dem Militärabteil herausgerappt, um nicht mittrinken zu müssen. Mighty Mike stand im Durchgang zwischen den Waggons und hat gebeatboxt und Cony und ich haben eine halbe Stunde lang gerappt, bis wir draußen waren. Wir hatten schon ziemlich Muffensausen, weil das komplette Militär plötzlich mitgenickt hat. Wir waren am Rappen, die haben kein Wort verstanden und uns sind langsam die Texte ausgegangen, weil es 3 Uhr morgens war und wir ziemlich müde waren. Wir haben uns dann aber schließlich freigerappt.

Du hattest vorhin scherzhaft erwähnt, dass euch außerhalb von Strullendorf niemand kennt, was ziemlich tiefgestapelt ist, da ihr in der fränkischen Hip Hop-Szene eine feste Größe seid. 2008 seid ihr zudem als Vorband von Fanta4 in Coburg aufgetreten. Hat euch dieser Auftritt weitergebracht?

Jonas: Es war immer wieder Thema und wurde angesprochen. Es sind damals sehr schöne Fotos entstanden, die wir natürlich immer wieder verwendet und ausgeschlachtet haben. Es ist eine schöne Erinnerung. Wichtig ist, dass man sich wieder darauf besinnt, dass man mehr als eine Vorband ist und sein eigenes Ding durchzieht. Das ist dann selbstbewusster. Man muss sich sein Selbstbewusstsein als Gruppe über Jahre hinweg erarbeiten. Ich denke, das zeigt sich auch bei der neuen Platte. Dass wir einfach mehr Mumm hatten, auch gereifter auf Themen zuzugehen, deutlicher zu werden, nicht in irgendwelchen sanften Phrasen zu verharren, sondern direkt zu sagen, was wir meinen und Stellung zu beziehen.‚Laib & Seele’ ist eine sehr direkte Platte. Natürlich arbeiten wir in unseren Texten mit Bildern und Metaphern, aber insgesamt ist es eine direkte Platte, die unsere Entwicklung widerspiegelt.

Wie hat sich Bambägga im Lauf der Jahre entwickelt?

Jonas: Uns war immer wichtig, dass wir eine Mischung finden aus dem sehr verkopften Rap-Stil, den wir verfolgen und der uns immer sehr gefallen hat, aber eben auch aus Abgeh-Nummern, die jedoch weder eine platte Party-Attitüde, noch Hip Hop für Hip Hopper sein sollten. Ich denke, dass uns das jetzt mit dem vierten Album am besten gelungen ist. Wir haben unsere Entwicklung gemacht und sind jetzt, um es im Stil des neuen Albums zu formulieren ‚aus der Seele für den Laib und vom Laib in die Seele zurück’ angekommen. Daran haben wir gearbeitet. Ich denke, die Kunst ist es, die Sachen auf ein Minimum zu reduzieren, gerade auch hinsichtlich der Komplexität. Dass man eben auf ultraverschachtelte Sätze verzichtet und lieber prägnant ist.

Zum Abschluss: Sind bei eurem vierten Album auch neue Mitwirkende dazugekommen?

Jonas: Wir haben auf jeden Fall einen guten Stapel an wirklich talentierten Beats-Leuten, die grandiose Beats beigesteuert haben. Zum einen ist das Quendolin Fender, den wir sehr schätzen und den wir sehr lange kennen, der auch mit Cony in Berlin zusammengearbeitet hat. Er macht einfach super-soulige, jazzige Beats, die viel Seele besitzen und nach echter Musik klingen. Wir haben wieder Scratch Dee mit dabei, der die Platte auch produziert hat. Und wir haben tolle Bamberger Nachwuchskünstler wie Beatinyo, denen wir damit eine Plattform geben wollen, weil es eben auch ein Bamberger Projekt ist und von unserer russischen Reise haben wir auch noch einige russische Beatmaker dabei.

Erhältlich ist „Laib & Seele“ für 5 Euro im Musicland Bamberg (Austraße 14), bei Titus Bamberg (Luitpoldstraße 20), im Result Skatestore (Grüner Markt 17) sowie im TX Select (Luitpoldstraße 17), direkt bei „Bambägga“ oder als Online-Download über iTunes und Amazon.

Information:

Weitere Infos zu Bambägga inklusive Video:
http://bambaegga.blogsport.de/

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