Gibt es bald doch ein soziokulturelles Zentrum für Bamberg?
Neues in Sachen Kulturquartier
veröffentlicht am 28.07.2016 | Lesezeit: ca. 8 Min.
Es tut sich was hinterm Bahnhof, der Bambergs inoffizielle Stadtgrenze markiert. Hier hört Bamberg auf, danach beginnt ein anderes Bamberg. So zumindest ist der zweifelhafte Ruf, der dem östlich gelegen Stadtteil noch immer anhaftet. Wir erlauben uns jedoch an dieser Stelle folgende Beurteilung: Bamberg Ost ist lebendig und bunt – viele Studenten wohnen hier, aber auch Familien mit Kindern, Rentner und viele Asylbewerber. Eben ein Mix aller Gesellschaftsschichten. Und die machen den Bamberger Osten gerade interessant. Schade ist nur, dass es hier wenig bis gar keine kulturellen Angebote gibt. Ein sozialer und kultureller Austausch zwischen den Menschen ist schwierig. Gelebte Kultur gibt es nur in der Innenstadt.
Das finden auch Rainer Pfaff vom Bürgerverein Bamberg Ost und Michael Schmitt von kontakt – Das Kulturprojekt, mit denen ART. 5|III zum Gespräch verabredet war, denn aktuell formieren sich mehrere Gruppen Kulturengagierter zum Verein Kulturquartier Lagarde e. V.. Das Ringen um Raum für alternative Kultur in Bamberg ist nicht neu. Immer wieder wurde in der Vergangenheit nach Räumlichkeiten für junge Kultur gesucht. Deshalb gründete sich Ende 2014 die Initiative „Kultur braucht Raum“. Der Name war Programm, denn genau mit dieser Forderung richteten sich die über 40 Unterzeichnenden in einem offenen Brief an Oberbürgermeister Starke, Kulturbürgermeister Lange, die Mitglieder des Stadtrates und an die MitarbeiterInnen in den Ämtern und Referaten der Stadtverwaltung. ART. 5|III berichtete darüber. Erhofft hatte man sich feste Räumlichkeiten für die Szene der freien Kulturschaffenden, dem Beispiel Erlanger E-Werk folgend. Vor allem aber hatte man sich den unbedingten Willen seitens der Stadt, ein solches Projekt ideell, institutionell und finanziell zu fördern, erhofft. Nun kommt erneut Schwung in die noch bis vor kurzem scheinbar festgefahrene Debatte. Die Absichtserklärung zur Gründung des Vereins Kulturquartier Lagarde e. V. wurde bereits im Vorfeld des diesjährigen kontakt-Festivals im Mai veröffentlicht. Während wir an diesem Artikel schreiben, ist die Vereinsgründung schon in vollem Gange und soll bis zum 24. Juli abgeschlossen sein. Das klingt nach sehr viel Enthusiasmus und jeder Menge Ernst.
Rainer Pfaff und Michael Schmitt fungieren derzeit stellvertretend als Sprecher des sich gründenden Vereins (Anm. d. Red.: bei Veröffentlichung des Artikels schon gegründeten Vereins) und standen ART 5|III zum Thema Kulturquartier Rede und Antwort. Als Ur-Bamberger bemängelt Rainer Pfaff die seiner Meinung nach schon immer fehlende, nicht nur finanzielle Unterstützung seitens seiner Heimatstadt in Sachen Soziokultur. Um jede kleine Veranstaltung und die damit verbundene Frage nach entsprechenden Räumlichkeiten musste in den vergangenen 20 Jahren gerungen werden. Schon damals habe er sich darüber oft geärgert. Die Schließung vieler Lokalitäten bzw. Einrichtungen, zuletzt die des Morph Club 2014 geben ihm Recht. Dabei stellen weder er noch Michael Schmitt infrage, dass Bambergs guter Ruf als Kulturstadt vor allen von den Bamberger Symphoniker, dem Künstlerhaus Villa Concordia u.v.m. herrührt. Das Kulturquartier solle nicht mit den etablierten Kulturinstitutionen der Stadt konkurrieren, sondern als gleichwertige Ergänzung wahrgenommen werden. Die Ziele des Vereins und somit des Kulturquartiers sind vor allem die Förderung der Jugend- und Breitenkultur, die Förderung generationen- und völkerübergreifenden Austausches, die örtliche Sozialarbeit und das Schaffen eines kulturellen Bindegliedes, wenn nicht sogar Mittelpunktes zwischen den verschiedenen Stadtteilen Bambergs. Konkret bedeutet das ein umfassendes Angebot verschiedener kultureller Veranstaltungen: Feste, Seminare, Workshops, Atelier-und Werkstattarbeit etc.. Soweit der durchaus ehrgeizige Plan.
Mit dem Abziehen der Amerikaner aus der Lagarde-Kaserne und der in diesem Rahmen stattfindenden Konversion ergeben sich für die insgesamt 10 mitwirkenden Initiativen, die hinter dem Projekt Kulturquartier stehen (Bürgerverein Bamberg-Ost, kontakt – Das Kulturprojekt, KUNSTPROJEKT INGE, Studierendenvertretung Uni Bamberg, AStA Bamberg e.V., Kunstverein Bamberg u. a.) nun ganz neue Möglichkeiten, die man nur noch nutzen und beim Schopfe packen müsse, so Pfaff und Schmitt im Gespräch. Ideal, um das Projekt Kulturquartier neu in Gang zu bringen. Die Infrastruktur im Bamberger Osten sei super und die Menschen sowieso, erzählen sie einmütig. Es fehle eben nur noch etwas Entscheidendes: Ein fester Anlaufpunkt für Kulturformen abseits des Mainstream – Kultur von und für alle. Nicht ausschließlich, aber auch vor dem Hintergrund des Flüchtlingszustroms in die sog. Ankunfts- und Rückführungseinrichtung (ARE) auf dem Konversionsgelände und den Asylbewerbern im gesamten Stadtgebiet ist das vielleicht gar keine so schlechte Idee. Das jährliche kontakt-Festival, das seit mehr als einer Dekade einen festen Platz in der Bamberger Kulturlandschaft einnimmt und in den letzten zwei Jahren ohnehin schon auf dem Lagarde-Gelände zwischen Zollnerstraße und Weißenburgstraße stattgefunden hat, zeigt deutlich, wie gut Soziokultur funktionieren kann und auch angenommen wird. Allein in diesem Jahr war der Ansturm überragend. Davon konnten wir uns im Mai selbst überzeugen. Eine Nachfrage bestünde also durchaus.
Doch die Interessen betreffs des Konversionsgeländes sind so zahlreich wie vielfältig. Ein Großteil des Geländes wird bereits ab September 2016 als 6. bundesweite Aus- und Fortbildungsstätte der Bundespolizei genutzt werden. Die Polizeischule soll sich laut aktuell vorliegender Informationen aber vor allem auf dem Gelände der Warner Barracks östlich des Berliner Rings und nicht auf dem Lagarde-Areal ansiedeln. Ob es dabei bleiben wird? Schließlich wird schon jetzt mit 400 Mitarbeitern und 700 Auszubildenden gerechnet und die endgültige Ausbaustufe steht noch nicht fest. Die Freigabeerklärung der Staatsregierung für den Ankauf der ehemaligen Lagarde-Kaserne liegt der Stadt zwar seit Anfang Juli 2016 vor, der Ankauf ist aber nach wie vor davon abhängig, was die Bundespolizei und/oder ARE II künftig an zusätzlichem Platz benötigt. Rainer Pfaff und Michael Schmitt sind aber zuversichtlich. Und sie scheinen allen Grund dazu zu haben, denn seitens der Stadt versicherte man auch der ART. 5|III: „Insgesamt soll auf der Lagarde-Kaserne ein Mix aus Leben und Arbeiten, Wohnen, Dienstleistung, IT und Kultur entstehen. Ein Kulturquartier ist fest eingeplant“. Das klingt zumindest vielversprechend. Beim Sichten aller uns vorliegenden Unterlagen fragen wir uns allerdings, wie all die Nutzungseinheiten am Ende zusammengehen sollen. Ideen und Entwürfe gibt es ja aktuell viele. Sicher scheint bislang nur die Neubebauung der Freifläche im Bereich Ecke Zollnerstraße und Berliner Ring zu sein. Hier und in Teilen bestehender, angrenzender Bauten soll besagtes IT-Quartier entstehen. Für eines von insgesamt zwei Digitalen Gründerzentren im Regierungsbezirk Oberfranken bekam Bamberg – neben Hof – Ende Juni den Zuschlag. „Uns war es von Anfang an wichtig, die Wirtschaft und die Unternehmen mitzunehmen, denn das Digitale Gründerzentrum soll nicht nur Raum für Startups bieten, sondern die gesamte Region digital voranbringen. Hierfür ist die Vernetzung von Wirtschaft, Wissenschaft und Startups immens wichtig […]“, hieß es in der Pressemitteilung der Stadt vom 28. Juni 2016. Und dann steht da ja noch die Teilnutzung der denkmalgeschützten Gebäude sowie geplanten Neubauten zu Wohnzwecken im Raum, was zu einem weiteren Problem führt, nämlich dem Lärmschutz. Die Planungen von Rainer Pfaff und dem Verein Kulturquartier Lagarde sehen, über das gesamte Gelände verteilt, unter anderem einen Atelierbereich, Werkstätten, Büro- und Tagungsräume, Lagerräume, Probenräume, eine Kunstthalle/Art-Café und ein Multiplex-Kino vor. Einiges davon ist eventuell schwierig zu realisieren, wenn direkt nebenan neuer Wohnraum entstehen soll. Die Idee, ein Multiplex-Kino auf der Lagarde-Kaserne anzusiedeln, wurde in einer Stellungnahme der Stadt zum Thema, die ART. 5|III vorliegt, entschieden verneint. Ansonsten gilt jedoch bis auf weiteres: Nichts Genaues weiß man nicht, es gibt noch zu viel Raum für Spekulationen. Das betrifft auch die Planungen bzgl. der Reithalle, deren Nutzung schon länger diskutiert wird und die eventuell als Kammermusiksaal oder multifunktionaler Veranstaltungsraum genutzt werden soll. Die Machbarkeitsstudie ist noch immer nicht abgeschlossen. Allen Beteiligten ist allerdings klar, dass die Reithalle allein für ein Kulturquartier, wie es sich die Akteure um Rainer Paff und Michael Schmitt vorstellen, nicht ausreichen wird.
Auch wenn noch vieles ungewiss ist, eines steht hingegen fest: in den Fall Kulturquartier scheint wieder Bewegung zu kommen. In Sachen Konversion jagt gerade ein Beschluss den nächsten und es bleibt weiter spannend. Wir hoffen das Beste und bleiben natürlich weiter am Ball. Die Vereinsgründung ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Kulturquartier und verlangt nach einem nächsten. Aber Hartnäckigkeit hat sich doch noch in den meisten Fällen ausgezahlt.