Der „Spirit von Heinz Badewitz“ – ein Andenken, das gewahrt werden will
Bei den 50. Internationalen Hofer Filmtagen im Oktober liegen Freud und Leid nah beieinander
veröffentlicht am 23.09.2016 | Lesezeit: ca. 11 Min.
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge schaut man derzeit nach Hof, wo vom 25.-30. Oktober die 50. [in Worten: Fünfzigsten!] Hofer Filmtage stattfinden. Diese Zahl muss man sich in aller Ruhe auf der Zunge zergehen lassen, das ist mehr als eine ganze Menge. Da hätte man im beschaulichen Hof eigentlich einen guten Grund zum Feiern und Fröhlichsein, wenn nicht im März 2016 eine traurige Nachricht die Meldungen bestimmt hätte: Heinz Badewitz, der das Festival zusammen mit Uwe Brandner und Werner Weinelt 1967 ins Leben gerufen hat und bis zuletzt als (Vollblut-)Leiter der Hofer Filmtage auftrat, verstarb unverhofft, ausgerechnet bei dem Besuch eines Filmwettbewerbs. Die Film- und Schauspielwelt trauerte und tut es noch, weil mit Badewitz ein Großer der Filmlandschaft und das Herzstück der Hofer Filmtage gegangen ist.
Die Aufgaben, die sich der Filmtage-Familie – als die sich die Mitwirkenden nach so langer Zeit begreifen – nun stellen, sind ungleich schwerer. Ein neues Kuratorium musste gefunden werden, denn der dienstälteste Festivalleiter Deutschlands hatte immer schon einen entscheidenden Anteil an der jährlichen Filmauswahl. Und dann klafft da eben diese riesige Lücke.
Man kann guten Gewissens behaupten, dass Heinz Badewitz wie kein zweiter für das Festival brannte. Hof war schließlich seine Heimatstadt und das Filmemachen und -sichten immer ein großer, mit viel Leidenschaft verbundener Bestandteil seines Lebens (das nach 74 Jahren noch lange nicht zu Ende gedacht war). Sein Tod kam unerwartet, für alle, für die Welt, denn die Hofer Filmtage zählen mit durchschnittlich 12.000 Besuchern jährlich, nach den Filmfestspielen in Cannes und Berlin, zu den wichtigsten in Europa. Und das, obwohl es eine ungeschriebene Festivalmaxime ist, so wenig Tohuwabohu wie möglich zu veranstalten. Badewitz galt als nahbar, unprätentiös, offen und warmherzig. „[…] Wir haben alle von dir gelernt, und so sind die Hofer Filmtage das freundlichste und familiärste Festival auf der Welt gewesen“, heißt es in einem der Kondolenzschreiben auf der Filmtage-Homepage. Und die Liste ist lang.
Unweigerlich stellen sich uns Fragen, die Zukunft der Hofer Filmtage betreffend. Oder noch kürzer gedacht: Was wird aus dem bald anstehenden Jubiläum? Ana Radica, Pressesprecherin der Internationalen Hofer Filmtage, findet Antworten.
Interview:
Art. 5|III: 50 Internationale Hofer Filmtage sind eine reife Leistung und obwohl das Filmfestival auch über die Grenzen Deutschlands und Europas ein hohes Ansehen genießt, hat wohl nicht zuletzt Heinz Badewitz dafür Sorge getragen, den familiären Charakter beizubehalten, der unter den Filmemachern und Zuschauern so sehr geschätzt wird. Wie geht es nach dem überraschenden Tod des Gründervaters und der guten Seele der Filmtage nun für das Festival weiter?
Ana Radica: Was das Jubiläum betrifft, so wird das Hofer Filmtage-Team und das Kuratorium das Festival im Sinne von Heinz Badewitz gestalten. Noch vor seinem Tod hatte er ja schon Überlegungen und Ideen formuliert, die wir versuchen umzusetzen. Wichtig ist es uns, dass der, ich will es mal „Spirit von Heinz Badewitz“ nennen, beibehalten wird. Das bedeutet, dass die Filmemacher im Mittelpunkt stehen und die Filmtage ein Publikumsfestival bleiben. Die familiäre Atmosphäre soll gewährleistet sein.
Art. 5|III: Bisher konnte noch kein neuer Festivalleiter gefunden werden und wenn wir richtig informiert sind, wollte man sich damit auch zunächst Zeit lassen. Dennoch die Frage: Ist aktuell schon jemand im Gespräch, der im Sinne von Heinz Badewitz an dessen Lebenswerk anknüpfen kann oder wird es im kommenden Jahr einschneidende Veränderungen geben? Und damit verbunden: Was denken Sie, wen hätte sich Heinz Badewitz als seinen Nachfolger gewünscht?
Ana Radica: Wen Heinz Badewitz als einen Nachfolger bestimmt hätte, diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten.
Wir standen ja alle unter Schock, als uns die Nachricht von seinem plötzlichen Tod erreichte. Er war gerade auf der Diagonale in Graz, um Filme für die Filmtage zu sichten. Wir mussten uns erst einmal mit dieser neuen Situation auseinandersetzen, bevor wir überhaupt entscheiden konnten, ob und wie es mit den Filmtagen weitergehen kann. Es war uns aber dann doch sehr schnell klar, dass die 50. Internationalen Hofer Filmtage stattfinden müssen, schon allein deshalb, um Heinz‘ Lebenswerk in seinem Sinne fortzusetzen und zu ehren und das aufzugreifen, was er für dieses Jahr schon organisiert hatte. Es ist ja eine enorme Leistung, die er in 50 Jahren erbracht hat.
In dieser Zeit konnte man sich keine Gedanken darüber machen, wer die Filmtage als Leiter oder Leiterin übernehmen könnte. Dazu war Heinz Badewitz zu prägend. Das Festival lebte von seiner Persönlichkeit, von seiner Vitalität und seinem Engagement für die Filmemacher – besonders für den Nachwuchs –, und von seinem unkorrumpierbaren Charakter in dieser doch auf Show und Erfolg ausgerichteten Branche. Da war Heinz Badewitz ein Fels in der Brandung,
Für uns ist es deshalb zunächst das Wichtigste, die 50. Filmtage in seinem Sinne zu begehen. Erst danach werden Kapazitäten frei sein, sich um eine Nachfolge Gedanken zu machen. Aber natürlich gibt es hierzu schon relativ konkrete Vorstellungen und Konzepte für die Weiterführung.
Art. 5|III: Über die Sie uns schon etwas verraten können?
Ana Radica: Ich denke, das wäre noch verfrüht, weil einfach noch nichts spruchreif ist.
Art. 5|III: Die 50 ist ein Grund zum Feiern, und trotzdem: kann man das in Anbetracht der Situation überhaupt? Wir stellen uns die Gratwanderung zwischen der Trauer über den Verlust von Heinz Badewitz auf der einen Seite, und Vorfreude auf das anstehende Jubiläum auf der anderen sehr schwer vor.
Ana Radica: Da haben Sie recht. Es wird eine Gratwanderung sein, die wir meistern müssen. Aber wir wollen es für Heinz schaffen, auch in diesem Jahr ein gutes Festival auf die Beine zu stellen. Wie wir das emotional hinkriegen werden, darauf kann ich Ihnen ehrlich gesagt noch keine Antwort geben.
Art. 5|III: Können Sie uns ein bisschen was über das neue Kuratorium, bestehend aus Alfred Holighaus, Thorsten Schaumann und Linda Söffker, erzählen?
Ana Radica: Alfred Holighaus ist Präsident der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft und besucht die Filmtage seit mehr als 35 Jahren, zudem war er eng mit Heinz Badewitz befreundet. Linda Söffker leitet die Reihe „Perspektive Deutsches Kino“ auf der Berlinale in Nachfolge von Holighaus. Auch sie kennt Badewitz seit vielen Jahren durch die Zusammenarbeit auf der Berlinale. Thorsten Schaumann kennt ihn aus seiner Zeit als Co-Leiter von Bavaria Film International, ein Weltvertrieb, mit dem Badewitz eng zusammengearbeitet hat. Beide sind sich oft auf Festivals begegnet, wo Schaumann zunächst für Bavaria Film und später dann für Sky Deutschland unterwegs war. Mit dieser Erfahrung liegt Schaumanns Schwerpunkt deshalb auch auf der Auswahl des internationalen Programms. Alle drei sind kompetente Persönlichkeiten in der Branche und wir sind sehr glücklich, dass sie sich spontan bereit erklärt haben, in diesem Jahr ehrenamtlich das Kuratorium für die Filmauswahl zu übernehmen.
Art. 5|III: Wir sind neugierig, welcher Film wird die Filmtage eröffnen?
Ana Radica: Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich dazu leider noch nichts sagen. Die Programmauswahl ist noch nicht ganz abgeschlossen.
Art. 5|III: Wann genau wird die endgültige Filmauswahl denn feststehen und wann wird der Programmkatalog erhältlich sein? Alles wie gehabt – kurz voher?
Ana Radica: Die Auswahl der Filme wird gegen Ende September feststehen und dann geht es an die Programmierung.
Art. 5|III: Wird es zum Jubiläum besondere Gäste geben?
Ana Radica: Selbstverständlich wird es wieder viele Gäste aus dem In- und Ausland in Hof geben. Neben jungen unbekannten Filmemachern erwarten wir aber in diesem Jahr auch Filmemacher aus den früheren Jahren wie auch einige Wegbegleiter von Badewitz, so z.B. Werner Herzog, Wim Wenders, Doris Dörrie, Dominik Graf oder Gründungsmitglied Uwe Brandner und viele mehr.
Art. 5|III: Voranmeldung waren ja bisher nicht möglich, um auch den Kurzentschlossenen eine Möglichkeit zu bieten, den ein oder anderen Film anzuschauen. Aber die Nachfrage wird heuer ja wahrscheinlich nochmal um ein Vielfaches höher sein… kommen zu den bekannten Spielstätten noch weitere hinzu?
Ana Radica: Wer spontan ins Kino gehen möchte, kann sich in der Regel noch an der Kinokasse eine Karte kaufen. Ein weiteres Kino kommt in diesem Jahr nicht dazu. Es bleibt bei den bekannten Kinospielstätten Central und Scala. Neu ist, dass wir in diesem Jahr einen ‚Meeting Point‘ in einer ehemaligen Textilfabrik in Hof haben werden. Die Hoftex-Halle wird in die Filmtage integriert.
Art. 5|III: Gibt es zum Jubiläum besondere Programmpunkte oder Neuerungen, z.B. neue Filmpreise, oder Highlight-Veranstaltungen? Kurz: worauf kann man sich als Zuschauer freuen?
Ana Radica: Man kann sich auf ein vielfältiges Programm freuen, neben den deutschen Produktionen auf spannende Filme aus den USA, Frankreich, Italien, Österreich, Schweiz, und weiteren Ländern. Der Zuschauer kann Filmemachern aus dem In- und Ausland begegnen und so manchen weltberühmten Regisseur oder Darsteller treffen. Hof ist ja nicht groß, da läuft man mit hoher Wahrscheinlichkeit dem ein oder anderen Star über den Weg und das soll auch so sein.
Die Filmpreise sind die gleichen wie bisher: „Der Filmpreis der Stadt Hof“, der „Förderpreis Neues Deutsches Kino“, der „Granit“ für den besten Dokumentarfilm, der seit dem vergangenen Jahr vergeben wird, der „Hans-Vogt-Filmpreis“ der Stadt Rehau und der Bild-Kunst-Förderpreis.
Art. 5|III: Wenn man die Vergangenheit resümiert, was waren im Rückblick dann die Höhepunkte, die einem sofort wieder ins Gedächtnis kommen?
Ana Radica: Es ist natürlich schwer bei so vielen Jahren einzelne Höhepunkte herauszupicken. Rückblickend für mich ist es sehr beeindruckend, welche Filme in den frühen Jahren, als das Festival gegründet wurde, gedreht werden konnten. Mit welchem Mut und experimenteller Freude die Filmemacher gesellschaftspolitische Themen aufgegriffen und verarbeitet haben. Diese Offenheit würde ich mir heute auch für die Filmemacher wünschen.
Faszinierend finde ich auch, dass viele heute berühmte Filmemacher schon in Hof ihre Filme gezeigt haben, als sie noch keiner kannte, so z.B. Brian de Palma, Peter Jackson oder unter den deutschen – nur um einige zu nennen – Tom Tykwer oder auch Doris Dörrie und Caroline Link, die beide als Gästebetreuerinnen in Hof gearbeitet haben. Das belegt den Satz, den Heinz Badewitz prägte: „Wir brauchen keine Stars, wir machen Stars“. Und in diesem Sinne soll es weitergehen.
Art. 5|III: Dafür und natürlich für das anstehende Jubiläum wünschen wir Ihnen und dem gesamten Team viel Kraft und Erfolg!
Information:
Bei den Internationalen Hofer Filmtagen werden jährlich rund 130 Filme aus verschiedenen Ländern in deutscher Erstaufführung oder als Weltpremiere gezeigt. Dazu zählen Filme in Spielfilmlänge, Kurzfilme und Dokumentarfilme. Das Publikumsfestival gilt als wegbereitend für viele deutsche und internationale Filmemacher, deren Karrieren in Hof starteten.
Preisträger 2015: Constantin Hatz (Förderpreis Neues Deutsches Kino für seinen Film FUGE), Katharina Marie Schubert (Filmpreis der Stadt Hof), Michel Imhof für das Beste Szenenbild in SWEET GIRL und Laura Büchel für das Beste Kostümbild in TRASH DETECTIVE (Bild-Kunst Förderpreis, Bestes Kostümbild, Bestes Szenenbild), Michael Verhoeven (Hans-Vogt-Filmpreis), WHERE TO, MISS? (GRANIT – Hofer Dokumentarfilmpreis)
Traditionell treten im Rahmen der Internationalen Hofer Filmtage jedes Jahr der FC Filmwelt (einheimischer Fußballverein) gegen den FC Hofer Filmtage (bestehend aus Schauspielern, Regisseuren und Produzenten) in einem Fußballspiel gegeneinander an.
Copyright Fotos:
Heinz Badewitz, Foto © Hofer Filmtage
Großer Andrang vor dem Central-Kino, Foto © Hendrik Ertel
Festivalleiter Heinz Badewitz begrüßt die Crew von „Ein Atem“, Foto © Hendrik Ertel
Das Team von „Herbert“ auf der Bühne im Scala-Kino, Foto © Hendrik Ertel
Schauspielerin Chara Mata Giannatou im Interview, Foto © Hendrik Ertel