Rebellische Volksmusik
Hubert von Goisern rockt Nürnberg – Wo? Natürlich in der Meistersingerhalle!
veröffentlicht am 30.09.2016 | Lesezeit: ca. 4 Min.
„Koa Hiatamadl mog i net, hot koane dick´n Wadln net“ - wenn am 7. Oktober in der Nürnberger Meistersingerhalle dieser fast schon altehrwürdig populäre Satz durch die Boxen dröhnt, spätestens dann weiß man: Hubert von Goisern ist in der Stadt. Seit mehr als einem viertel Jahrhundert rockt Hubert Achleitner, in Anlehnung an seinen Heimatort Bad Goisern einst kurzerhand für die Bühne „umgetauft“ nun schon die deutschsprachigen Länder. Und ein Ende ist nicht in Sicht: Der mit inzwischen 63 Jahren nahe am Rentenalter balancierende Österreicher wird nicht müde, politische Mißstände anzuprangern, grandiose Partyabende mit viel tiefgründigem und genauso flachem Humor zu feiern und „seinen“ Alpenrock zu perfektionieren.
Einst und bis heute noch galt und gilt Hubert von Goisern als der legitime Erfinder des Alpenrocks, Wegbereiter für unzählige nachziehende Bands, die zwischen Austropop und bayerisch-diatonischem Jodelwahnsinn variieren, war von Goisern in jedem Fall. 1992 gingen er und seine Band durch die Decke: Das „Hiatamadl“ – zusammen mit seiner damaligen Kombo, den Alpinkatzen, eingespielt – rockte die Republik. Und mit einem Schlag war die Mischung aus Rockmusik und traditioneller Volksmusik salonfähig – „Crossover“ auf Deutsch war geboren. Und der Liedermacher ist bis heute der wichtigste und einflussreichste Vertreter der Neuen Volksmusik, wie der Alpenrock landläufig auch gerne tituliert wird.
Hubert von Goisern balanciert musikalisch auf seiner eigenen Tradition aus dem Alpenland. Er ist ganz der Goisern. Von den Anfängen als Alpenrocker mit dem Lied „Hiatamadl“ über seine Expeditionen nach Tibet und Afrika, die Linz-Europa-Tour auf einem umgebauten Lastschiff bis zum bahnbrechenden Erfolg von „Brenna tuats guat“. Und auch auf dem Album „Federn“ ist er ganz er selbst: direkt, unverblümt, erdig, echt. Wenn er mit seinem Akkordeon auf der Bühne steht, dann blüht der immer sich selbst treu gebliebene Weltstar richtig auf. Der scheut sich auch nicht, klare Worte in Richtung der Politik zu senden – dort war er früh geprägt, wuchs doch Österreichs FPÖ-Spitzenmann Jörg Haider ebenfalls in Goisern auf. Dem vielleicht umstrittensten Politiker in seiner Heimat, HC Strache, schrieb er vor einigen Jahren klare Worte, als dieser von Goiserns Gassenhauer „Heast es nit“ im Rahmen seines Wahlkampfes abspielte. „Ich stehe für eine offene, tolerante Gesellschaft, für den Abbau der Ängste vor dem Fremden und Neuen, und nicht das Schüren derselben. Ich stehe dafür, den Veränderungen ins Auge zu schauen und nach vorne zu blicken, nicht für den Versuch die Zeit aufzuhalten oder gar zurück zu drehen“, musste Strache lesen. Klare Positionen scheute der Weltenbummler nie. Das Zwiegespräch mit seinem Publikum sucht er immer wieder. Genauso wie ihn auch immer wieder das Fernweh packt. Regelmäßig gönnt sich der Superstar seine Auszeiten, die er zu weltweiten Expeditionen nutzt. Von diesen oft monatelang dauernden Trips bringt er Inspiration und neue Kraft mit. Zumeist münzt er das postwendend um in neue Stücke – stets weiterentwickelt, aber doch immer seinem Stil treu geblieben. Nichtsdestotrotz versucht er sich auch immer wieder (erfolgreich) in musikalischen Grenzbereichen: Ob Jazz, ob Funk, ob Reggea – die Einflüsse verschiedenster Musikrichtungen in seinen Projekten ist garantiert. Und so bleibt er trotz aller Gradlinigkeit stets für Überraschungen gut. Der Volksmusikrebell muss weder sich, noch seinem Publikum noch etwas beweisen. Nicht die schlechteste Basis für interessante Experimente. Ob im Studio oder auch auf der Bühne: von Goisern rockt. Und wie. Und wer ihn einmal live erlebt hat, der weiß auch, was zwischen seinen beiden unumstrittenen Gassenhauern, dem vielzitierten Hiatamadl und „Brenna tuats guat“ 2011 alles so abging. Von nachdenklich, sozialkritisch bis hin zu rotzig rockig und tiefgründig sinnierend: Hubert von Goisern lässt kaum Wünsche offen. Und am Ende eines Konzertabends haben er und seine Anhänger zumeist ein Problem weniger: Die Wadln der Madln – die sind dick genug. Dem geschwungenen Tanzbein sei Dank.
Copyright Foto: © Konrad Fersterer