Jung, alt und alter Ego
David Saam erhält Kunststipendium Bamberg 2017
veröffentlicht am 01.02.2017 | Lesezeit: ca. 9 Min.
Seine Ensembles heißen Boxgalopp, Mahrsmännchen, Rakete Bangkok, Kapelle Rohrfrei oder Kellerkommando. Mit „Bier gewinnt“ ist er aktuell unterwegs. Als Hits- und Glitzerboys-Akteur Moderator und DJ des guten schlechten Geschmacks. Als BR-Moderator ist er gleichermaßen Forscher wie Lehrmeister. David Saam, der studierte Musikethnologe, gebürtig aus Heroldsbach, ist vielfältig im Einsatz und stets im Dienste der populären Musik. Seine Antistadl-Festivals haben Kultcharakter und stehen, wie auch längst er selbst und seine zahlreichen Missionen, für die unermüdliche Entstaubung der fränkischen Volksmusik. Zumeist mit Akkordeon bewaffnet ist er regelmäßig im Einsatz und hat sich für die Zukunft einiges vorgenommen. Seine „Kneipenmusik“ läuft in Bälde an, bei der die Gäste zum Mitsingen kommen und die Tradition des Wirtshaus-Singens aufleben darf. Und dann wären da noch diverse Projekte, die längst auf Schubladen seiner guten Ideen zurückgreifen können und die er mit Hilfe des Kunststipendium Bamberg 2017 voranbringen will, das mit insgesamt 9.000 € dotiert ist und ihm in den nächsten Monaten hier und da etwas Freiheit für das eigene Tun verschaffen wird.
Die Jungen sind es und auch die Alten, denen er sich zuwenden will. Und auch er selbst darf dabei nicht zu kurz kommen. Was genau er für die nächste Zeit im Hinterkopf hat, erläutert der fränkische Volksmusiker im Interview:
ART. 5|III: Als Familienvater, Bayern 1-Betthupferl-Stimme und fränkischer Vollblutmusiker liegt es nahe, dass du schon länger über eine fränkische Kinder-CD nachdenkst. Doch was genau steckt dahinter?
David Saam: Der Gedanke beschäftigt mich tatsächlich schon lange. Denn es ist sehr schade, dass es bisher kaum Tonträger mit fränkischen Kinderliedern gibt. Insgesamt ist im Feld der Kinderalben auffallend viel erschütternd schlecht produzierte Musik zu finden, die oft billig mit Keyboard-Samples aufgenommen wird. Wie sollen Kinder so lernen, wie echte Instrumente klingen?! Am Ende denken die noch, das gehört so, dass die Kuh lila ist! Aus Bayern gibt es immerhin einige regional motivierte Produktionen. Aber es sollte für die fränkischen Kurzen etwas in ihrer eigenen Mundart geben. Der Dialekt ist ein wichtiges Kulturgut mit seinen regionalen Verschiedenheiten und Eigenheiten. Er macht die Welt wunderbar bunt. Daher ist seine Vermittlung so wichtig. Es braucht eine Vertrautheit mit dem eigenen Dialekt. Eine Kinder-CD mit fränkischer Volksmusik ist daher eine alte Idee von mir und meinen Musikerkollegen, der ich mich in der nächsten Zeit annehmen möchte.
ART. 5|III: Gibt es schon einen Masterplan? Irgendwelche konkreten Schritte?
David Saam: Es gibt die Forschungsstelle für fränkische Volksmusik der Bezirke Frankens und den Bayerischen Landesverein für Heimatpflege. Mit beiden Institutionen werde ich bezüglich der Recherche für geeignetes Liedmaterial zusammenarbeiten. Daneben stehen aber bereits einige Lieder auf meiner Liste. Bei der musikalischen Umsetzung stelle ich mir vor, dass auch Kinder selbst mitwirken können. Sonst steckt dieses Projekt noch in den Kinderschuhen. Aber mit den ersten Schritten sollte es schnell Formen annehmen.
ART. 5|III: Ein anderes Projekt ist eine Art gezieltes generationenübergreifendes Musizieren. Hier versprichst du dir einen sehr fruchtbaren Austausch. Wie kommst Du darauf und was genau bedeutet das?
David Saam: Der Gedanke entstand schlicht und einfach beim gemeinsamen Musizieren eines meiner Ensembles mit der Gesangsgruppe meines Vaters. Wir hatten die Gruppe spontan bei ein, zwei Liedern begleitet. Das war eine sehr erfrischende, beflügelnde Erfahrung. Natürlich auch für mich persönlich, im gemeinsamen Musizieren mit meinem Vater. Aber auch völlig davon losgelöst. Die persönliche Begegnung erfahrener und verschieden geprägter Musiker-Charaktere fühlte sich sehr vielversprechend an. Seitdem nehme ich mir vor, diesen musikalischen Generationenaustausch, das Miteinander verschiedener musikalischer Persönlichkeiten, einmal gezielt zu befördern. Als Experiment mit viel Spaß am Musizieren sozusagen, nicht als wissenschaftliche Dokumentation musikalischer Zeitzeugen. Ich möchte die Popularität von Boxgalopp nutzen und mit dem Ensemble dessen eigenen Wurzeln begegnen. Ich bin davon überzeugt, dass alle Seiten etwas aus diesen Begegnungen herausziehen können.
ART. 5|III: Wie genau kann das dann aussehen? Zielt es auf musikalische Exzellenz erstklassiger fränkischer Volksmusiker verschiedener Generationen ab?
David Saam: Nein, vielmehr auf ein magisches Miteinander. Es geht auch um einen Beitrag zur Weitergabe althergebrachter Spieltraditionen. Um den Bezug, wo etwas herkommt. Großprojekte wie „Buena Vista Social Club“ haben mich in dem Ansatz bestärkt, da sie zeigen, dass die Verquickung von musikalischen Generationen sehr fruchtbar sein kann. Ein daran angelehntes Bandprojekt wäre wohl zu ambitioniert, aber einige gezielte Begegnungen wären schon ein großer Schritt. Nicht zwangsweise zum Festhalten an alten Spieltraditionen, sondern als Quelle der Erneuerung. Die „alten Hasen“ haben sich im Laufe der Jahre auch weiterentwickelt. Wenn nun alte und neue Spielweisen sich gegenseitig zeigen und neue Konstellationen befördern, bereinigen und ergänzen sich verschiedene Facetten und neuer Zauber kann entstehen. Hierbei geht es um emotionale, musikhistorische und viele andere Komponenten, vor allem aber um die musikalischen Persönlichkeiten, die in der fränkischen Volksmusik vorhanden sind. Am Ende ist der Ansatz sehr simpel: Sich treffen, darauf losspielen und sehen, was dabei passiert. Neben meinem Vater habe ich da einige Personen im Hinterkopf, auf die ich hierfür zugehen will.
ART. 5|III: Neben Kulturvermittlung und praktischem Austausch mit Alt und Jung, willst du nach Möglichkeit an deiner eigenen musikalischen Identität als Solokünstler arbeiten. Wo stehst du diesbezüglich derzeit und wo könnte die Reise hingehen?
David Saam: Bisher bin ich ja vor allem und beinahe ausschließlich als Ensemblemusiker tätig und übernehme in den Musikgruppen häufig Rhythmus- und Harmoniefunktion am Akkordeon. Zudem arbeite ich als Komponist und Texter für verschiedene Gruppen. Oft halte ich Ideen für Stücke als Skizze fest. Nicht unbedingt als ausgereifte Gedanken, aber als wertvolle, meist instrumentale Musikteile, von denen ich glaube, dass sich mehr daraus machen lässt. Dabei kommen mir auch immer wieder Stücke in den Sinn, die ich als Akkordeonist und Soloinstrumentalist ausarbeiten möchte. In Liedern, in denen das Akkordeon dann auch entsprechend in den Vordergrund rückt. Mein Ziel in der nächsten Zeit ist es, diese Memos zu sortieren und aufzuarbeiten, um weitere, reifere Aufnahmen zu realisieren. Mit Gastmusikern, je nach Komposition. Wobei diese Reise stilistisch noch offen ist. Boxgalopp wird vermutlich mitschwingen. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass Elemente aus Popmusik und elektronischer Musik Eingang finden. Oder auch Remix-Techniken. Insgesamt wird das Akustische aber wohl im Vordergrund stehen.
ART. 5|III: Kannst du ein paar Namen nennen. Beispiele, wie sich ein David Saam Solo einst anhören könnte?
David Saam: Prinzipiell orientiere ich mich nicht unbedingt gezielt an musikalischen Idolen. Aber nehmen wir beispielsweise Accordion Tribe. Das sind fünf Akkordeon-Spieler aus fünf verschiedenen Ländern. Ich werde zwar nicht mit fünf Akkordeons arbeiten, aber die Methode, ihre Vorgehensweise finde ich gut und das Ergebnis daraus. Ganz verschiedene Musiker haben sich zusammengetan, in den Probenraum eingeschlossen und nach ein paar Tagen hatten sie ein beachtliches tourneereifes Programm auf die Bühne gebracht. Oder nehmen wir Kepa Junkera, den baskischen Akkordeonspieler mit seiner Trikitixa. Sein Songwriting ist sehr gelungen und auch er arbeitet in verschiedenen Besetzungen mit unterschiedlichen Musikern. Das faszinierende an diesen Kollegen ist ihre Art, Lieder zu schreiben und wie sie diese dann zusammenbauen. Sie sind gute Komponisten und Arrangeure, die mit den jeweils geeigneten Musikern ihre Arbeit noch verfeinern. Ein weiteres gutes Beispiel sind hier Herbert Pixner oder auch Johannes Sift. Der hat jetzt keine Eigenkompositionen aufgenommen und spielt kein Tastenakkordeon sondern eine steirische Knopfharmonika. Aber er besetzt bei Aufnahmen ganz auf die Stücke bezogen und sein Akkordeonspiel zieht sich als der rote Faden durch das Album.
ART. 5|III: David Saam Solo – das bedeutet dann also weltoffene Kompositionen, die vom Akkordeon des Solokünstlers dominiert werden, auf einem Fundament der fränkischen Volksmusik sitzen und die jeweils in verschiedener Besetzung veredelt werden?
David Saam: Ja, so in diese Richtung. Dabei wird mein Hang zur Tradition prägend sein. So werden unter anderem Walzer, Mazurka und Rheinländer mit von der Partie sein. Auch Tangoelemente sind vorstellbar. Grundsätzlich werde ich in den kommenden Monaten weiter an meinen Instrumentalstücken arbeiten und natürlich meinem Hauptinstrument, dem Akkordeon die Hauptrolle geben. Daneben freu ich mich aber auch schon darauf, meine neue Liebe, die Ukulele, mit einzusetzen. Aber es wird gleichzeitig Freiräume für Gastmusiker geben, die die Kompositionen stärken. Und nicht zuletzt wird der fränkische Akzent bei allen Aufnahmen zu hören sein.
ART. 5|III: Ich bedanke mich recht herzlich für das Gespräch und wünsche dir für alle anstehenden Projekte viel Erfolg!
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David Saam, Foto © Pressefoto