Gunter Sachs
Eine wahre Schatzkammer - Die Sammlung Gunter Sachs
veröffentlicht am 02.01.2014 | Lesezeit: ca. 7 Min.
Ihn allein als einen Bonvivant, als einen Playboy zu bezeichnen, wird dem Mann, um den und um dessen Lebenswerk es hier geht, keinesfalls gerecht. Vor allem war Gunter Sachs – das ist jetzt und noch bis Ende März in der Kunsthalle Schweinfurt aufs Schönste zu erleben – ein begnadeter Kunstsammler. Die Sammlung Gunter Sachs sucht ihresgleichen, und in der Stadt, der der Sammler und seine Familie lange verbunden waren und es eben noch immer sind, wird sie ganz großartig inszeniert. Somit ist die Präsentation im ehemaligen Ernst-Sachs-Bad, das im dunklen Jahr 1933 mäzenatisch an die Bürger der Stadt ging, auch eine Hommage der Familie Sachs an die Wurzeln ihres gesellschaftlichen Engagements.
Wer die ähnliche Ausstellung 2012 in der Münchener Villa Stuck gesehen hat, dem sei gleich gesagt, dass er sich auch Schweinfurt nicht entgehen lassen sollte. Denn gegenüber der Präsentation in der bayerischen Landeshauptstadt zeigt sich jene im Unterfränkischen mittels einer großen Zahl weiterer Leihgaben in neuem Gewand. Die 165 Exponate stellen ein veritables Who’s Who der internationalen Nachkriegskunst dar. Allesamt zusammengetragen hat sie – mit dem untrüglichen Blick des Kunstkenners – Gunter Sachs, Jahrgang 1932, geboren auf Schloss Mainberg und am 7. Mai 2011 in seinem Haus im schweizerischen Gstaad freiwillig in den Tod gegangen. Wie schon sein Vater Willy Sachs hat sich auch dessen jüngster Sohn erschossen. Gunter Sachs glaubte erkannt zu haben, „an der ausweglosen Krankheit A.“ zu leiden. „Der Verlust der geistigen Kontrolle über mein Leben wäre ein würdeloser Zustand, dem ich mich entschlossen habe, entschieden entgegenzutreten“, hielt er in einem Abschiedsschreiben fest.
1958 ging Sachs nach Paris, bezog ein Appartement in der Avenue Foch im 16. Arrondissement, der exklusivsten Wohnstraße der französischen Kapitale. Schnell kam er in Kontakt mit den dortigen Künstlern und baute innerhalb einer Dekade den Kern seiner Sammlung auf. Als Erbe eines Millionenunternehmens genoss Sachs im Kreise des Nouveau Realisme (Daniel Spoerri, Arman, Yves Klein) und des Informel (Jean Fautrier, Hans Hartung) das verwegene Savoir-vivre der Pariser Kunstszene. Er hat nie mehr als die aus heutiger Sicht unglaublich bescheidene Summe von 800 000 Dollar investiert. Später baute er seine Sammlung nur noch über wertgesteigerte Verkäufe aus. So trennte er sich auf einer Auktion von Christie’s in New York noch im Mai 2006 von einem der acht Porträts, die Andy Warhol für ihn von Brigitte Bardot, mit der er von 1966 bis 1969 verheiratet war, nach einer Fotografie von Richard Avedon gemacht hatte.
Tatsächlich steht die Pop-Art im Zentrum der Sammlung Gunter Sachs, und gerade sie wird in der sehr hohen, raumgreifenden Eingangshalle in Schweinfurt atemberaubend in Szene gesetzt. Warhol also, Roy Lichtenstein natürlich und die Werbung und nackte Frauen verbindenden Ölgemälde Mel Ramos’, dann Robert Rauschenberg und Tom Wesselmanns großformatige Akte und Studien. Chronologisch reichen die Exponate, deren Fokus auf dem dritten Viertel des vergangenen Jahrhunderts liegt, zurück bis zu den Surrealisten Max Ernst, Salvador Dalí, Yves Tanguy und René Magritte (etwa „Arbre et lune“, 1948), und sie greifen voraus bis in die aktuelle Graffiti-Kunst eines Banksy („People who have flags“).
Sachs war selbst ein mit Preisen bedachter Fotograf vor allem von ins Surreale gehenden Akt- und Landschaftsaufnahmen. Der Sammler ist in Schweinfurt zu sehen auf Fotografien von Henri Cartier-Bresson, von Mimmo Rotella, von Will McBride, und zu sehen sind zudem Arbeiten etwa von Karl Lagerfeld oder Thomas Ruffs verschwommene, andeutungsreiche, delikate, nicht näher datierte „Nudes“.
Seine Schätze im Tresor zu hüten, war Sachs fremd. Vielmehr waren sie Teil des Interieurs seiner diversen Domizile zwischen Paris, St. Moritz, Manhattan, Velden am Wörthersee (für die Gestaltung seines Appartements im Schlosshotels konnte er die Graffiti-Künstler Sigi von Koeding alias Dare und Ata Bozaci alias Toast gewinnen) und Gstaad. Dass sich die Echtfell-Schafskulpturen von François-Xavier Lalanne auch wunderbar als Sitzmöbel machen, führte nach dem Presserundgang durch die Ausstellung Rolf Sachs vor, Gunters ältester Sohn aus seiner ersten Ehe. An der Tatsache, dass die Sammlung Gunter Sachs kein einziges Exponat minderer Qualität enthalte, erkenne man das überragende Gespür seines Vaters für Kunst, sagte Rolf Sachs, der heute als Möbeldesigner und Bühnenbildner arbeitet.
Dem studierten Mathematiker und Ökonom Gunter Sachs fehlte es weder an Bildung noch an Charisma, und an exzellentem Geschmack und Kunstsinn schon gleich gar nicht. Da Sachs nicht auf seinen Exponaten sitzenblieb, sondern sich bisweilen auch wieder von ihnen verabschiedete, einzelne Werke tauschte oder verkaufte, spiegelt die Sammlung auf sehr vitale Weise Sachs’ Interessen, seine Bekanntschaften und sein originäres individuelles Stilempfinden. Aufs Schönste lässt sich das derzeit in der Schweinfurter Kunsthalle in Augenschein nehmen.
Keinesfalls vergessen werden soll im Übrigen das feine Engagement des Hauses in Sachen Kunstvermittlung. Für Schulklassen, für Kinder und Kindergartengruppen hat sich der MuSe geheißene Museums-Service bei einem Unkostenbeitrag von zwei Euro pro Person Angebote ausgedacht, die Führung, Kunstbetrachtung und eigene kreative Arbeit im Atelier unter den Arkaden kombinieren. So lädt MuSe etwa ein zu einem Spaziergang durch surrealistische Traumwelten, bei dem Kinder ihre eigene Welt erfinden dürfen. Ein zweiter Rundgang regt dazu an, selbst ein witziges Stillleben zu malen, mit knallbunten Farben zu spielen, sich eine Installation aus Federn auszudenken. Sehr schön auch, dass das (gewiss nicht schwarze) Schaf Franzi Kinder durch die Sammlung begleitet. Außerdem ist an der Kasse ein Quiz erhältlich.
Eine speziell auf Senioren zugeschnittene, einstündige Führung wird an jedem dritten Dienstag im Monat offeriert. Im Anschluss darf man, bei Selters und Sekt, unter Anleitung selbst im Atelier tätig werden. Bereits am letzten Novembersonntag fand eine ungewöhnliche Kreativführung mit Heike Meidel-Masuch und Friederike Kotouc statt, „Man(n) sieht Frau“. Über Bewegung, über inhaltsbezogenen Tanz, erschloss man sich auf wahrhaft neuen Wegen die künstlerischen Aussagen der Ausstellungsstücke.
Wer keine Möglichkeit sieht, die Ausstellung zu besuchen, dem bleibt immerhin noch der Katalog, der auch über den Buchhandel zu beziehen ist. Und er ist ganz großartig geraten, so wie man das eben vom Münchner Verlagshause Hirmer kennt. Rose-Maria Gropp beispielsweise widmet sich in ihrem Essay dem „lebenslang Kunstversessenen“, der sich der Kunst mit Leidenschaft und Hingabe gewidmet habe, „wie all den schönen Dingen, von denen er sich berühren ließ“, und Wilfried Dickhoff, der Verleger und Kurator zeitgenössischer Kunst, lässt in einem wunderbar schwärmerischen Beitrag („April in Paris – A Night with Masterpieces“) seinen Privatmythos Paris hochleben, zu welchem die Meisterwerke, mit denen er das Vergnügen hatte, im Appartement Sachs’ in der Avenue Foch eine Nacht zu verbringen, ebenso gehören wie Roland Barthes, wie Ringo Starr und Chet Baker.
Foto: Copyright Andy Warhol, Gunter Sachs, 1972. Warhol Foundation for the visual Arts, Inc. New York. Estate Gunter Sachs, Courtesy Inst~1