Titelthema

Erkenntnisse und Herausforderungen

Eine Studie fordert mehr finanzielle Teilhabe für das Kinder- und Jugendtheater in Deutschland

veröffentlicht am 30.11.2017 | Lesezeit: ca. 5 Min.

Im April / Mai 2017 wurde eine von der ASSITEJ e.V. – dem Netzwerk der Kinder- und Jugendtheater in Deutschland – eine Umfrage zur Lage des Kinder- und Jugendtheaters in Deutschland durchgeführt. Die Studie, die im Oktober im Rahmen des Nürnberger Festivals „Licht.Blicke“ am Gostner Hoftheater der Öffentlichkeit präsentiert wurde, gibt darüber Auskunft, unter welchen Bedingungen professionelles Theater für junges Publikum in Deutschland produziert und finanziert, gezeigt und vermittelt wird. In der Befragung wurden Zahlen und Fakten zu Organisationsformen, Budgets, Mitarbeiterstruktur, Produktion und Rezeption erhoben. Konzipiert wurde die durch einen Fachbeirat begleitete Studie vom Kulturwissenschaftler und Musiker Dr. Thomas Renz.

Befragt wurden dabei rund 1.000 Theater und Spielstätten in ganz Deutschland. Aus den Antworten der Befragten konnte eine Typologie abgeleitet werden, die zeigt, wer, wo unter welchen räumlichen, finanziellen und personellen Bedingungen Theater, Tanz, Schauspiel, Musiktheater, Puppentheater und Performance für junges Publikum produziert und zeigt.

Zentrale Ergebnisse der Studie

Die Umsatz- und Zuschauerzahlen der Theater zeigen im Verhältnis zur Anzahl der Aufführungen, wie kleine und mittlere Institutionen eine große Vielfalt an Angeboten ermöglichen und dabei Produktionen für Kinder ab dem Babyalter bis hin zu jungen Erwachsenen anbieten. Deutlich wird, so Dr. Thomas Renz, dass nur in größeren Städten und Metropolregionen ein vielfältiges Angebot für alle Altersgruppen gefördert und gezeigt wird. Im ländlichen Raum bemühen sich meist kommunal getragene Veranstaltungsorte darum, ihre Spielstätten für ein junges Publikum zu öffnen und begegnen im Alltag einem Mangel an Personal und Finanzierung sowie geeigneter Spielstätten.

Die Ensembles der Kinder- und Jugendtheater erarbeiten in kleinen Teams eine große Zahl von Produktionen. Die Ensembles sind klein und die Gesamtzahl der MitarbeiterInnen liegt häufig unter 10 Personen. Auffällig ist, dass ein großer Anteil der Ressourcen in die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen oder in generationsübergreifende Projekte investiert wird. So sind insbesondere die Kinder- und Jugendtheater, die über eigene Häuser und Spielstätten verfügen, auch der Ort, wo unter professionellen Bedingungen mit denjenigen Theater gemacht wird, die die Vielfalt der Darstellenden Künste als Ausdrucksform selbst erproben möchten. Die Studie zeigt auch, dass Theater sich als lokal vernetzte Akteure und als öffentliche Orte der Mitsprache verstehen.

ASSITEJ fordert Investitionen und Kontinuität

Mit Nachdruck fordert ASSITEJ kontinuierliche Investitionen in die Theaterlandschaft, so z. B. in den Ausbau der Gastspielförderung. Diese solle ein facettenreiches, genreübergreifendes Angebot der Darstellenden Künste im ländlichen Raum ermöglichen, den Dialog mit dem Publikum mitdenken und die geringeren Einnahmen bei einem Familienpublikum oder kleineren Spielstätten berücksichtigen.

Zudem müsse in die Konzeptions- und Infrastrukturförderung für mobile, freie Theater intensiviert werden, denn nur so könne der Lebensunterhalt von KünstlerInnen gesichert, die Qualität gesteigert und längerfristig ein Programm für Kommunen und Regionen entwickelt werden.

Auch würden mehr SchauspielerInnen und ProjektdramaturgInnen an den Kinder- und Jugendtheatern gebraucht sowie eine angemessene finanzielle Ausstattung.

Gleichfalls fordert ASSITEJ den Ausbau und die Pflege der Kinder- und Jugendtheater als zentrale öffentliche Orte, denn für die verantwortungsvollen Aufgaben, die eine kulturelle Teilhabe mit sich bringt, benötige es genügend Personal und eine entsprechende Strukturfinanzierung. Dazu besteht bereits eine lokale Vernetzung der Theater, die als Ausgangspunkt genutzt werden kann. Ein weiteres Fazit ist, dass die Theaterverbände in Deutschland die Belange des jungen Publikums stärker als bisher in ihre Verbandsaktivitäten einbeziehen müssen. Auch hier kann dabei auf die ASSITEJ als Partner zurückgriffen werden, so Wolfgang Schneider, 1. Vorsitzender der ASSITEJ e. V. und Professor für Kulturpolitik an der Universität Hildesheim.

Auch die generelle finanzielle Ausstattung von Kinder- und Jugendtheaters sei nicht angemessen bzw. ausbaufähig. So dürften diejenigen, die an Kinder- und Jugendtheater-Sparten und eigenständigen Häusern arbeiten, nicht weniger verdienen als diejenigen, die in Oper und Schauspiel arbeiten.

Konkretere Handlungsfolgen liefert die Studie nicht, da eine solche Präsentation ohne stattfindende Diskussionen aller Beteiligten weder sinnvoll, noch seriös erscheint. Der Verbandsvorsitzende Wolfgang Schneider fordert daher ausgehend von den Ergebnissen nun eine breit angelegte Debatte, die die kultur-, jugend- und bildungspolitische Relevanz der Darstellenden Künste für ein junges Publikum sichtbar macht. Die vollständige Studie ist unter www.assitej.de nachzulesen.

Fotocredits:

Schneewittchen, Foto © Michael Zanghellini
Schneewittchen, Foto © Michael Zanghellini
Schneewittchen, Foto © Michael Zanghellini
„Kaschtanka“ im Theater Mummpitz, Foto © Rudi Ott

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