Zum Ersten, zum Zweiten und zum... Dritten!
Geschichten aus dem Kunstauktionshaus
veröffentlicht am 08.01.2014 | Lesezeit: ca. 5 Min.
„Das Bild wurde auf einem Viehwagen angeliefert. Es war in einem äußerst schlechten Zustand und es war nicht bekannt, ob es sich tatsächlich um ein Original handelte oder nicht.“
Die Augen von Joseph Schlosser beginnen zu glänzen, wenn er über eine seiner spektakulärsten Auktionen spricht. Kein Wunder, werden Sie denken, wenn Sie den Rest der Geschichte hören. Das Auktionshaus schrieb das fragliche Bild dem polnischen Künstler Józef Chelmónski zu, übernahm für die Echtheit allerdings keinerlei Garantie, weil für Expertisen et cetera einfach die Zeit fehlte. Dementsprechend niedrig, nämlich bei 3.000 Euro wurde das Eröffnungsangebot angesetzt. Nun war Józef Chelmónski in der Kunstwelt kein unbekannter (zumindest in Polen nicht) und so trieben die angereisten polnischen Bieter den Preis für das Gemälde schnell in die Höhe. Zum ersten – zum zweiten und zum dritten, der Hammer fiel bei sage und schreibe 245.000 Euro (zuzüglich der Gebühr für das Auktionshaus), und damit war die Geschichte von Joseph Schlosser um ein spektakuläres Mosaikstückchen reicher.
Einer der Wege Kunst zu erhalten, und auch zu verbreiten, ist sicherlich, diese in gute (Sammler-)Hände zu geben. Viele der von ihm angebotenen Stücke werden nicht mehr für die Zwecke genutzt, für die sie ursprünglich gedacht waren. Solche sogenannten „Semiophoren“ erfüllen dennoch einen wichtigen Zweck, sie vermitteln durch ihre Erscheinung nicht sichtbare Informationen zu dem Objekt, die zum Teil sicherlich auch durch das subjektive Empfinden des Betrachters beeinflusst werden. Demjenigen, der ihnen zuzuhören vermag, können sie spannende Geschichten erzählen.
Dieser Wegbereitung hat sich Joseph Schlosser verschrieben. Geboren aus einer privaten Sammlerleidenschaft machte er sein Hobby zum Beruf und gründete 1997 in Nürnberg sein Kunstauktionshaus. Und vielleicht hätte die Geschichte hier auch ein baldiges Ende gefunden (Nürnberg erwies sich letztlich als wenig einträgliches Pflaster für den Kunsthandel), hätte der Zufall nicht nachgeholfen. Schlosser wollte sich in Bamberg Kunstgegenstände anschauen, als er von dem leerstehenden Bibra-Palais erfuhr, in dem zuvor ebenfalls ein Kunsthändler beheimatet war. Ein Telefonat und eine Besichtigung später und schon war die Verlegung des Geschäftssitzes von Nürnberg nach Bamberg perfekt, die dann im Jahr 2005 vollzogen wurde.
Seitdem finden jährlich im Haus des öffentlich bestellten und vereidigten Kunstversteigerers mindestens vier Auktionen statt, bei denen interessierte Kunst- und Antiquitätenliebhaber aus über 4.000 Exponaten wählen und mit steigern können. Davon werden circa vierzig Prozent direkt bei den Auktionen selbst und manches im Vor- und Nachhandel an den Mann oder die Frau gebracht. Waren es zu Zeiten der deutschen Wiedervereinigung eher Bürger der ehemaligen DDR, die für ihr Erspartes eine gute Anlagemöglichkeit suchten, sind es heute in der Mehrzahl Asiaten, die die Preziosen bei ihm erwerben. Und natürlich wird auch dem wachsenden Internethandel Rechnung getragen. Viele Interessenten geben über das Internet ihre Gebote ab, und nicht selten bleibt der Käufer dem Auktionator völlig unbekannt.
Aber wer denkt, dass sich mit Investitionen in Kunst und Antiquitäten das große Geld verdienen lässt, der ist auf dem Holzweg. „Reine Antiquitäten sind schon längst keine Wertanlage mehr“, sagte Joseph Schlosser. „Wer Kunst heute zu Investitions- und Wertsteigerungszwecken kauft, hat damit nur Erfolg, wenn er gegenüber dem Mitbieter einen Wissensvorsprung hat, über das Objekt etwas weiß, was die anderen nicht wissen.“ Aber generell sei der Markt, bei weltweit dreieinhald Dutzend Auktionen täglich, schon sehr saturiert, stellt der Wahlbamberger fest.
Trotzdem möchte er seinen Auktionshandel nicht missen, denn wenn man Glück hat, kann man bei den Lizitationen schon noch den Reiz der Auseinandersetzung spüren, wenn sich beispielsweise um ein Artefakt eine sogenannte „Bieterschlacht“ entwickelt. Wenn die Gebote rasch hin und her wechseln und sich letztlich der Hammer des Auktionars senkt, dann hat jeder der Anwesenden, egal ob er mitgeboten hat oder nicht, eine Ahnung von der Aufregung bekommen, die mit dem Erwerb eines Kunstgegenstandes verbunden sein mag. Und dabei muss es nicht immer ein teures Gemälde sein, schon eine Mokkatasse aus der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin lässt manches Bieterherz höher schlagen und entfacht mitunter einen Wettstreit um das beste Gebot.
Dass solch ein Wettstreit auch schon mal zehn Minuten dauern kann, davon kann auch Joseph Schlosser berichten. Kunstliebhaber aus den USA und der Schweiz überboten sich bei einer seiner Auktion so lange, bis der Hammer bei umgerechnet 316.000 Euro gesenkt wurde. Und das Objekt der Begierde? Eine Tiffanylampe, deren neuer Besitzer direkt im Saal saß. Ein Zuschlag, wie er dem Auktionator ganz besonders gut gefällt. Fast schon „old school“, sozusagen.
Copyright Foto: 2mcon märthesheimer consulting, Bamberg