Ein Festival-Dampfer in ruhigem Fahrwasser
Yuval Sharon inszeniert, Christian Thielemann dirigiert den „neuen“ Lohengrin bei den Bayreuther Festspielen – Eine kleine Vorschau aufs Wagner-Festival
veröffentlicht am 04.06.2018 | Lesezeit: ca. 6 Min.
Jetzt hat er es also endlich geschafft, alle zehn Festspielopern Richard Wagners in Bayreuth zu dirigieren. Und das nimmt auch kaum Wunder, ist Christian Thielemann doch auf dem Grünen Hügel quasi der „Conductor in residence“, wie man neuerdings so gerne sagt. Die Nummer zehn ist der „Lohengrin“, der ab 25. Juli aus der Taufe gehoben wird, inszeniert von Yuval Sharon, dem amerikanischen Theater- und Opernregisseur mit israelischen Wurzeln. Der gilt als ebenso kreativer wie zuverlässiger Regisseur; Skandale oder andere negative Überraschungen sind also wenig wahrscheinlich. Sharon ist mit der deutschen und österreichischen Theaterwelt vertraut, hat aber kalifornische Wurzeln und wirkt deshalb vor allem in Los Angeles. Dort sammelte er schon bei Achim Freyers „Ring des Nibelungen“ erste Erfahrungen als Regieassistent, außerdem bei den Bregenzer Festspielen („Aida“) und an der Deutschen Oper Berlin („Saint-Francois d’Assise“). Nach seiner ersten eigenständigen Inszenierung wurde Sharon Associate Direktor von Graham Vick bei der Uraufführung von Karlheinz Stockhausens „Mittwoch aus Licht“ 2012 in London. Ein Jahr später brachte er die „Song Books“ von John Cage in Miami, San Francisco und New York (in der Carnegie Hall) auf die Bühne. Zu seinen neueren Arbeiten zählt Peter Eötvös „Tri Sestri“ an der Wiener Staatsoper. 2014 erhielt seine Inszenierung der Oper „Doctor Atomic“ von John Adams am Staatstheater Karlsruhe den Götz-Friedrich-Preis.
Yuval Sharon sagt von sich selbst, dass er kein Regisseur ist, der alles macht – mit Rossini oder Belcanto beispielsweise könne er nichts anfangen. Seine Interessen bzw. Neigungen lägen zwischen alter Musik – Monteverdis „Orfeo“ z.B. oder seine Madrigale müssten „unbedingt einmal sein“ – und der Moderne, dazwischen sei vor allem Richard Wagner platziert. Dessen „Tannhäuser“ hat er als Regieassistent von Graham Vick in San Francisco mitgestaltet und in Karlsruhe die „Walküre“ federführend übernommen. Yuval Sharon begreift es als seine Aufgabe als Regisseur, die Inszenierung so aufzubauen, dass sie sich allmählich entwickelt und nicht etwa das Publikum „mit großem Zirkus zu überfallen“. Wenn alles zu fließen begänne, würden sich die Zuschauer nach einer Weile fragen, ob das so bleibt und hoffentlich interessiert mitgehen. Man wird sicherlich gespannt darauf sein dürfen, welche Früchte die Zusammenarbeit mit dem Künstler Neo Rauch tragen wird, dem die Gestaltung des Bühnenbildes für den neuen Bayreuther „Lohengrin“ anvertraut wurde.
Bei den Solistenpartien stand zunächst die Besetzung der Titelpartie mit Roberto Alagna fest. Die Rückkehr der altgedienten und altverdienten Waltraud Meier in der Rolle der Ortrud wurde ebenfalls schon im April von Festspielleiterin Katharina Wagner bestätigt. Anja Harteros wird die weibliche Hauptrolle der Oper singen, also die Elsa.
Die Wiederaufnahmen beginnen am 26. Juli, also einen Tag nach der Festspieleröffnung, mit dem „Parsifal“ in der Inszenierung Uwe Eric Laufenbergs und unter der musikalischen Leitung Semyon Bychkovs. Am 27. Juli folgt die zweite Wiederaufnahme der sehr abstrakt gehaltenen Inszenierung von „Tristan und Isolde“ durch Katharina Wagner, die von Christian Thielemann dirigiert wird. Tags drauf dann die erste Wiederholung der von Barrie Kosky in Szene gesetzten „Meistersinger von Nürnberg“, bei der wie im Vorjahr Philippe Jordan am unsichtbaren Dirigentenpult steht. Der in der Inszenierung von Jan Philipp Gloger schon etwas betagtere „Fliegende Holländer“ unter der musikalischen Leitung Axel Kobers startet seine sechste Wiederaufnahme am 30. Juli.
Als ein Sonderfall – und gewiss ein besonderes Highlight der diesjährigen Festspiele – darf die Herausnahme einer Oper aus der bereits „abgespielten“ Tetralogie in der Inszenierung Frank Castorfs gelten. Der schon zu Lebzeiten zur Legende gewordene Startenor Plácido Domingo, längst auch ein anerkannter Dirigent, greift gleich drei Mal zum Taktstock, um ab 31. Juli die „Walküre“ musikalisch zu einem Erlebnis werden zu lassen. Insgesamt wird es heuer wohl – ähnlich wie im letzten Jahr – eher ruhig am und auf dem Grünen Hügel zugehen. Die Zeiten unnötiger Aufgeregtheiten oder kleiner Skandälchen, wie sie früher fast zur Regel gehörten, scheinen vorbei – und das ist auch gut so!
Diskurs Bayreuth
Seit 2017 haben die Bayreuther Festspiele ihr Rahmenprogramm um die Veranstaltungsreihe Diskurs Bayreuth erweitert. Fanden letztes Jahr vier Konzerte und ein Symposium statt, so wird heuer am Vorabend der Festspieleröffnung die Oper „der verschwundene hochzeiter“ des österreichischen Komponisten Klaus Lang in Bayreuth uraufgeführt. Diese Oper verbindet mit dem „Lohengrin“,
der Erlass eines rigiden Verbots und dessen menschlich ebenso verständliche wie notwendige Übertretung, woraus jeweils tragische Folgen entstehen.
Die Handlung von Langs Oper basiert auf einer alten Sage aus Österreich und erzählt von einem Bräutigam, der von einem Fremden auf dessen Hochzeit eingeladen wird. Dort solle er sich vergnügen und tanzen, aber niemals länger, als die Musik spiele, warnt der Fremde. Doch der Hochzeiter hält sich nicht daran. Als er heimkehrt, wird er mit Entsetzen gewahr, dass seit seinem Weggang dreihundert Jahre vergangen sind. Er kann deshalb nur noch zu Staub zerfallen. Die Uraufführung dieses Werks findet in der Bayreuther Kulturbühne „Reichshof“ im Herzen Bayreuths statt, einem historischen Kinosaal aus dem Jahre 1925, der jahrzehntelang ungenutzt geblieben war.
Fotocredits:
Foto © Bayreuth Marketing & Tourismus GmbH, Andreas Harback
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