Ausstellungen

Das Primat der Linie

61. Sonderausstellung im Töpfermuseum Thurnau

veröffentlicht am 05.06.2018 | Lesezeit: ca. 2 Min.

Picasso soll gesagt haben „Nähme man Henri Matisses Bildern die Farbe, fielen sie in sich zusammen, bei meinen Werken würde dies nicht geschehen“. Dieser von der Kuratorin Carmen Giménez 2012 in einer Sendung des Deutschlandfunks zitierte Ausspruch zeugt von dem Jahrhunderte währenden Streit in der Kunstwelt zwischen dem Primat der Linie und dem Primat der Farbe. Lange Zeit galt zumindest in Europa die Zeichnung nur als Grundlage, als Vorübung, um aus den Studien und Skizzen heraus ein Gemälde auszuarbeiten. Dabei „gilt die Schule der Zeichnung gemeinhin auch als die Grundschule des aufmerksamen und genauen Sehens“, so der Künstler und Kunsterzieher Peter Eckardt. Zeichnungen begleiten den Menschen von Anfang an: von den steinzeitlichen Höhlen“malereien“ bis hin zum Strickmännchen auf der Schreibunterlage, von Comic-Helden bis zu Landkarten und Architekturentwürfen. Allen zeichnerischen Werken gemeinsam ist die Reduktion des Dargestellten auf das Wesentliche der Wahrnehmung. Der Zeichner muss das Wesentliche seines Motivs erkennen und in der abstrakten Form einer Linie sublimieren. Die Zeichnung ist exakt, penibel, herausfordernd. Sie lässt keine Fehler zu – jeder Strich muss sitzen. Vielleicht sind diese Anforderungen der Grund dafür, dass in der Kunstszene sehr viel weniger Zeichner als Maler anzutreffen sind.

Umso größer ist die Freude, dass mit Walli Bauer, Brigitt Hadlich, Stephan Klenner-Otto, Andreas Rudloff, Horst Sakulowski und Kornelius Wilkens gleich sechs herausragende und in der Kunstwelt anerkannte zeitgenössische Zeichner für die 61. Sonderausstellung im Töpfermuseum Thurnau gewonnen werden konnten. Mit ihren Werken zeigen sie den Besuchern die Welt aus ihrer künstlerischen Sicht, lassen sie die Welt aus ihrem Blickwinkel heraus betrachten. Ob altmeisterlich, phantastisch, expressionistisch oder verspielt – es lohnt sich, genauer hinzusehen und die Geschichten hinter den Linien zu entdecken. Am 15. April wird Stephan Klenner-Otto ab 15 Uhr eine Vorführung des grafischen Tiefdruckverfahrens im Museum geben.

Ausstellung „Blickwinkel“ vom 25.3.-19.8.2018 im Töpfermuseum Thurnau

Fotocredits:

Walli Bauer, Fränkische Ansicht, Pigmente auf Leinwand 2016

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