Szenen aus einem beschädigten Musikerleben
Die Regenschirme des Erik Satie
veröffentlicht am 06.06.2018 | Lesezeit: ca. 2 Min.
Das Leben des französischen Komponisten, Pianisten und Caféhauskünstlers Erik Satie ist biographisch gut erschlossen, sodass der Lebensweg des in seiner Zeit unverstandenen und vereinsamten Künstlers ausreichend bekannt ist. Der Regisseurin und Drehbuchautorin Stéphanie Kalfon scheint das ans Tragische grenzende Schicksal Saties jedoch so nahe gegangen zu sein, dass sie eine sehr persönlich gefärbte Annäherung an den Zeitgenossen Claude Debussy wagte. Unter dem Titel des Büchleins ist „Roman“ vermerkt, was schlichtweg nicht zutrifft, denn es hat kaum mehr Umfang als eine Novelle und verzichtet auf jegliche Handlungsstränge. Eine reine Biographie ist es jedoch ebenso wenig, obwohl die Lebensstationen des Protagonisten ausnahmslos vorkommen; eher darf von einem Psychogramm gesprochen werden. Da mischt sich Beobachtendes und Analytisches, doch die Perspektiven wechseln, sodass die Welt mitunter auch mit Saties ureigensten Augen gesehen bzw. geschildert wird. Dass sich bisweilen auch Lebensweisheiten der Autorin in den Text verirren, ist keineswegs störend, denn sie beruhen auf sehr genauer Beobachtung.
Stéphanie Kalfon nähert sich Satie mittels verschiedener literarischer Mittel, aber chronisch zieht sich durch ihr Buch der Versuch, ihn quasi an der Hand zu nehmen und mit ihm durch Paris und durch die Zeiten zu spazieren. Das gelingt ihr auf eindringliche Weise, denn als Leser wird man hineingezogen ins Pariser Musikleben, in marginale Milieus, in die geistigen Zeitumstände oder ins Private. Wenn sie uns mit Satie und seiner Entourage in den „Chat noir“ auf dem Montmartre entführt, dann malt sie das mit viel Phantasie aus und man ist mittendrin im Künstlermilieu des Fin de Siècle. Am Ende ist einem der Schöpfer der „Gymnopédies“ und anderer musikalischer Novitäten ganz vertraut und nahe, mochte er seiner Zeit auch ziemlich fremd geblieben sein. Erik Satie war eben – um mit Claude Debussy zu reden – einer, der „sich in diesem Jahrhundert verirrt hatte“.
Stéphanie Kalfon: Die Regenschirme des Erik Satie, Oktaven, Deutsch, 193 Seiten, 22,00 €, ISBN 978-3-7725-3004-3