shakespeare heute, shakespeare über alles
der präsident der shakespeare-gesellschaft im gespräch
veröffentlicht am 08.04.2014 | Lesezeit: ca. 5 Min.
Tobias Döring hat seit 2005 den Lehrstuhl für Englische Literatur an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität inne und ist derzeit Präsident der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft. Neben der postkolonialen Literatur, über die er immer einmal wieder in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt, zählt das Schaffen William Shakespeares zu Dörings Forschungsschwerpunkten.
Aus dem Zeitgeist der Dichterfeiern heraus wurde 1864, aus Anlass von Shakespeares dreihundertstem Geburtstag, in Weimar die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft gegründet. Deren hundertfünfzigjähriges Bestehen fällt somit zusammen mit dem vierhundertfünfzigsten Geburtstag des Barden. „Ein großes Ereignis, das entsprechend groß begangen werden soll“, sagt Döring im entspannten Gespräch. Das Doppeljubiläum wird vom 24. bis 27. April in Weimar gefeiert. Die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft, so Döring, sei die älteste noch existierende und aktive Gesellschaft, die sich diesem Autor widmet. Die sehr mächtige Shakespeare Association of America beispielsweise sei erst 1972 ins Leben gerufen worden, die British Shakespeare Association sogar erst 2002.
Tatsächlich zählt Shakespeare hierzulande gemeinsam mit Goethe und Schiller zu den drei großen Klassikern. „Shakespeare feiern – Celebrating Shakespeare“ lautet das Thema der Weimarer Feier, die eine dichte Folge von Vorstellungen, Vorträgen, Konzerten, Gesprächen, Ausstellungen, Workshops und Lesungen verspricht, bei denen die spannungsreichen Verbindungen von Geschichte und Gegenwart erkundet werden sollen. Die Aktualität der acht Historien-Dramen wird durch einen Vortrag von Diana Henderson, der Präsidentin der Shakespeare Association of America, neu zu erfahren sein und kann auch durch das Gastspiel der Bremer Shakespeare Company erlebt werden, die eigene Bearbeitungen dieses Zyklus’ von „Richard II“ bis „Henry VI“ aufführen wird. Zugleich ist dies eine Verbeugung vor einer historischen Großtat, der weltweit ersten zyklischen Aufführung der Historiendramen 1864 am Hoftheater Weimar durch Franz Dingelstedt.
„Das Besondere an der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft ist, dass es sich dabei um eine Begeisterungs-Versammlung von Liebhabern handelt, in der sich ganz unterschiedliche Milieus mischen: Wissenschaftler, Lehrer, Künstler, Theatergänger, Kulturbürger, Junge, Alte“, sagt Döring und hebt hervor, dass gerade der Anteil an jungen Mitgliedern sehr hoch sei. „Die Goethe-Gesellschaft hingegen, das kann man ohne Häme sagen, ist eine Senioren-Veranstaltung.“
Neben Theaterleuten und anderen Praktikern werden in Weimar auch Lyrikerinnen und Lyriker zu Gast sein, die Gedichte verfasst haben, welche sich an Shakespeare richten oder seine Figuren thematisieren. Darunter sind Ulrike Draesner, Albert Ostermaier und Heinrich Detering. Die daraus hervorgehende, vielsprachige Anthologie wird von Tobias Döring herausgegeben. Detering, der Göttinger Germanist, wird zudem den Festvortrag halten und darin Verbindungen zwischen Bob Dylan und Shakespeare freilegen.
Die Frage nach dem ihm liebsten Shakespeare-Stück beantwortet der Münchner Anglist mit der Komödie „Was ihr wollt“. Darin macht auch sein Vornamensvetter Tobias von Rülps gute Figur. Döring freut sich ganz besonders darüber, dass das Nationaltheater Weimar eben diese Festkomödie der Gesellschaft zum Geburtstag schenkt, noch dazu als Premiere. Es ist die erste Shakespeare-Produktion unter der neuen Intendanz von Hasko Weber.
An Shakespeare interessierten Lesern empfiehlt Döring die bei ars vivendi im mittelfränkischen Cadolzburg erscheinende Gesamtausgabe. Die neununddreißig Bände sollen 2016 – zum vierhundertsten Todestag des Barden – geschlossen vorliegen. Es ist die erste vollständige Übertragung ins Deutsche durch einen einzigen Übersetzer, Frank Günther. Die „sehr schön aufgemachten, zweisprachigen Bände“, erläutert Döring, seien publikumsorientiert und mit einem Essay großer Shakespeare-Forscher nebst Literaturhinweisen versehen. Beim großen Shakespeare-Fest am Samstag, den 26. April, mit Musik, Dinner und Tanz wird auch Günther zu erleben sein, der seit den Siebzigern Shakespeare übersetzt. „Wenn Musik der Liebe Nahrung ist / Spielt weiter!“ wird man mit den Eröffnungsworten von „Was ihr wollt“ der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft und allen, die mir ihr in Weimar feiern werden, zurufen können. Weiter so!
Copyright Foto: © Gerald Raab, Staatsbibliothek Bamberg