Lese- & Hörstoff

Interpretatorische Plausibilität

Brahms und Dvorák auf einer CD

veröffentlicht am 30.09.2019 | Lesezeit: ca. 2 Min. | von Martin Köhl

Albumcover

Albumcover, Foto © Tudor Recording AG

Es gibt in der Musikgeschichte kaum eine wichtigere und künstlerisch ergiebigere gegenseitige Beeinflussung als die zwischen Johannes Brahms und Antonin Dvorák. Insofern ist es als posthume dankbare Reverenz zu werten, wenn Jakub Hrusa seiner Neuaufnahme von Dvoráks 9. Symphonie („Aus der Neuen Welt“) die ebenfalls letzte Symphonie von Johannes Brahms beigesellt, also die vierte in e-moll. Natürlich mag man sich fragen, warum in der Diskographie dieser beiden Großwerke nun noch eine Version der Bamberger Symphoniker einen Platz beanspruchen sollte. Aber der Chefdirigent des Orchesters hat mit seinem Repertoire von Anfang darauf gesetzt, dass die gemeinsame böhmisch-mährische Herkunft der interpretatorischen Plausibilität dieses Klangkörpers eine triftige Begründung hinzufügt. Und so hört sich das auch an, vor allem natürlich bei der Dvorák-Symphonie, in deren Ecksätzen einige Erregung und Glut entfacht wird.

In der Brahms-Symphonie scheint sich Jakub Hrusa noch weniger Zügel anlegen zu wollen, denn er meißelt im Kopfsatz Klangblöcke heraus und wagt im Allegro des dritten Satzes, der fast verschämt das Scherzo leugnen will, brachiale Zuspitzungen. Im Andante dürfen Holzbläsertugenden studiert werden, aber die Tutti-Antworten bleiben markant. Die finale Passacaglia wird im Mittelteil fast kammermusikalisch verfeinert, drängt aber zum Schluss zu machtvoller dynamischer Ballung. Eine relativ grundtönige Aussteuerung verleiht dem Klangbild eine breite und mächtige Grundierung. Die seit langer Zeit bestens funktionierende Zusammenarbeit des Züricher Labels Tudor mit BR Klassik ermöglichte diese Doppel-CD, die unbedingt in jede ambitionierte Sammlung mit Aufnahmen der Bamberger Symphoniker gehören sollte.

Johannes Brahms, Symphony No. 4 in E minor

Antonín Dvorák, Symphony No. 9 in E minor

Bamberger Symphoniker, Jakub Hrusa

CD Tudor 1744, in Kooperation mit BR Klassik, 2018

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