Klassiker

Der Stadt etwas zurückgeben

Seit gut einem Jahr ist Kahchun Wong Chefdirigent der Nürnberger Symphoniker – Für Art5drei Grund genug für ein Gespräch mit dem Künstler

veröffentlicht am 30.01.2020 | Lesezeit: ca. 5 Min. | von Martin Köhl

Kahchun Wong

Kahchun Wong, Foto © Steffen Riese

Herr Wong, wir beginnen jetzt ein Beethoven-Jubiläumsjahr. Sie gratulieren dem Komponisten am 5./6. Januar unter dem Motto „Happy Birthday, Beethoven“ mit einem üppigen Programm in der Meistersingerhalle zum Geburtstag. Welche Bedeutung hatte Beethoven für Sie in Ihrer Ausbildung, und welchen Stellenwert hat er bei Ihren Planungen für die Nürnberger Symphoniker?

Kahchun Wong: Jeder kennt die Musik Beethovens, und zwar weltweit, seien es die Anfangstakte der 5. Symphonie oder das unsterbliche „Für Elise“. Und natürlich gehört auch die Ode „An die Freude“ zu diesen musikalischen „Giganten“. Als Musikliebhaber und Student der klassischen Musik gaben mir die Partituren Beethovens, die zu musikalischen Schätzen führen, stets neue Inspiration und zeigten mir Wege auf, um tiefer empfundene und größere Kunst zu entdecken. Dieses Jahr werden wir einige von Beethovens bekanntesten Meisterwerken aufführen, aber gleichzeitig die Gelegenheit wahrnehmen, um seltener gespielte Werke zu erschließen wie beispielsweise die Ouvertüre zur Namensfeier oder die Choralfantasie.

Am 20. Mai heißt es wieder „Freude, schöner Götterfunken“, und dann werden Sie unter dem Motto „Beethoven mittendrin“ abermals die 9. Symphonie d-moll aufführen. Was sind die besonderen Bedingungen bzw. Umstände dieses Konzertes?

Kahchun Wong: Als ich in Berlin an der Hans-Eisler-Musikhochschule studierte zählte es zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, ins benachbarte Konzerthaus zu gehen und den Proben des Konzerthausorchesters zu lauschen. Mit ihrem damaligen Chefdirigenten Ivan Fischer bot das Orchester eine Reihe unter dem Titel „Mittendrin“ an, bei welcher die Platzierung der Stühle so geändert wurde, dass das Publikum zwischen den Ausführenden saß und dergestalt das „Musikmachen“ von innen nach außen erleben konnte. Dadurch habe ich viel gelernt, denn es macht einen Unterschied, ob man neben einem Horn sitzt oder beim letzten Violapult. Ich glaube, das ist ein guter Weg, um neue Konzertgänger zu erreichen – und um den Kennern andere Höreindrücke zu ermöglichen. Dieses „Mittendrin“-Konzept haben wir auch bereits in Singapur und im Nürnberger Neuen Gymnasium angewandt; und jetzt schauen wir voraus auf die „Neunte“ im Mai in der Meistersingerhalle. Zusätzlich werden wir da Musiker verschiedenster Niveaus oder Herkunft einbeziehen, z.B. Kinder aus dem Education-Projekt „klasse.im Pult“ der Universität Erlangen-Nürnberg. Auch Amateurchöre aus ganz Franken oder studentische Solisten aus der hiesigen Musikhochschule, die das Meisterwerk neben den Profis der Nürnberger Symphoniker darbieten, werden dabei sein.

Wenn Sie ganz frei und ohne Rücksichtnahme auf die Kosten sowie den Publikumsgeschmack planen könnten, wo lägen Ihre Präferenzen im Repertoire?

Kahchun Wong: Ich bin immer sehr neugierig bezüglich der Musik und habe weit gesteckte Interessen. Natürlich bin ich fasziniert von solchen musikalisch-architektonischen Meisterwerken wie der 8. Symphonie Gustav Mahlers oder Olivier Messiaens „Turangalila-Symphonie“. Doch gleichzeitig kann die musikalische „Diät“ des Orchesters mit Mozart und Haydn vorteilhaft ausgeglichen werden. Gerade vom Genie Haydn können wir eigentlich gar nicht genug bekommen. Übrigens möchte ich auch gerne die Zusammenarbeit mit Musikern ganz anderer Genres suchen. Die Schweden z.B. haben den Metal-Gitarristen Yngwie Malmsteen. Oder Yoshiki.

Welche Erweiterung Ihres Dirigierrepertoires haben Sie bislang mit den Nürnberger Symphonikern realisieren können, und welche eigenen neuen Impulse glauben Sie dem Orchester bisher vermittelt zu haben?

Kahchun Wong: Ich achte sehr darauf, dass ich in Nürnberg mit meinem Orchester für unser Publikum spiele. Deshalb versuche ich, in jedem Programm Werke anzubieten, die ich auch schon woanders dirigiert habe. Die Nürnberger Symphoniker haben ihre eigenen Traditionen. So wird beispielsweise eine jüngst gespielte Symphonie für mindestens fünf Jahre nicht wiederholt. Das mag zu gewissen Restriktionen führen, doch garantiert das dem Publikum eine gewisse musikalische Vielfalt. Der hier festzustellende Wunsch nach längerer Konzertdauer lässt mich öfters den Intendanten Lucius Hemmer fragen, was denn das Beste für unsere „Fans“ sein könnte. Das Wichtigste scheint mir aber, dass unsere musikalische Arbeit ehrlich und wahrhaftig ist.

Sind Sie eigentlich mit der Meistersingerhalle zufrieden, oder könnten Sie sich eine idealere Konzerthalle vorstellen? Welche Wünsche an die Stadt, an das Orchester oder an das Publikum möchten Sie gerne noch äußern?

Kahchun Wong: Nachdem ich nun mehr als ein Jahr mit den Nürnberger Symphonikern musiziert habe, weiß ich, dass jeder sein Bestes gibt, egal wo wir spielen. Ich schätze die Meistersingerhalle sehr und trete gerne dort auf. Andererseits ist sie natürlich eine Multifunktionshalle, weshalb es gewisse akustische Grenzen für Konzerte mit klassischer Musik gibt. Ich verstehe deshalb, warum Nürnberg jetzt eine neue Konzerthalle direkt neben der Meistersingerhalle im Luitpoldhain plant. Wir sind alle sehr gespannt, denn ich glaube, dass ein Orchester und eine Konzerthalle organisch im Klang miteinander wachsen können. Die Nürnberger Symphoniker sind jedenfalls bereit dazu, mit der Fertigstellung der Halle auch der Stadt auf einem noch höheren Niveau etwas zurückzugeben.

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