Lese- & Hörstoff

Hockneys Leben

Stilistischer Sonderweg eines Künstlers

veröffentlicht am 30.03.2020 | Lesezeit: ca. 3 Min. | von Ludwig Märthesheimer

Buchcover "Hockneys Leben"

Buchcover "Hockneys Leben", Foto © Verlag Freies Geistesleben, Foto © ART. 5|III

Es gibt Bücher, die einen gewissen An- oder Vorlauf benötigen, bevor sie so richtig lesenswert werden. Catherine Cussets Biographie über David Hockney ist so eines, denn es widmet sich auf den ersten 80 Seiten fast ausschließlich einem einzigen Aspekt im Leben des berühmten englischen Malers. So gut wie alle Personen, die ins Blickfeld geraten, werden unter homoerotischen Gesichtspunkten vorgestellt – natürlich sind es fast ausnahmslos junge attraktive Männer. Von sich entwickelnden Beziehungen ist kaum die Rede, dafür um so regelmäßiger von schnellem und umstandslosem Sex. Man muss beileibe nicht prüde sein, um das alsbald ziemlich öde zu finden, vor allem so voraussehbar.

Im Laufe der Lektüre gewöhnt sich der Leser – gerne auch die Leserin – einen geradezu voyeuristischen Blick an, weiß er oder sie doch, dass mit dem jeweils nächsten Jüngling auch die jeweils nächsten physiognomischen Phantasien ausgebreitet werden. Gleich eingangs braucht man auf den ersten pädophilen Missbrauch nicht lange zu warten. Die Jugend des Künstlers wird zügig erzählt, in einem fast lakonischen Stil, und bald ist auch – mit der Lektüre der einschlägigen (und damals in England verbotenen) Bücher von Konstantinos Kafavis – der Weg zur homosexuellen Identität vorgezeichnet.

Doch dann kommt eine Kontinuität in Hockneys Leben, die auf dessen erster längerer Liebe beruht und endlich auch in der Biographie Raum gibt für die Betrachtung seiner künstlerischen Entwicklung. Das Buch wartet nun mit detaillierten Beschreibungen seiner Bilder und mit maltechnischen Aspekten auf, die stets verwoben werden mit dem Lebensweg des Protagonisten, seinen Projekten, seinen Beziehungen und seinen häufig wechselnden Aufenthaltsorten. Die Lektüre wird stetig interessanter, fesselnder und auch tiefgründiger.

Spätestens wenn der Eros aus Altersgründen keine besondere Rolle mehr spielt, erfährt man um so mehr über die amerikanische Kulturszene, über die ästhetischen Debatten der siebziger und achtziger Jahre und über den stilistischen Sonderweg, den Hockney, der die Abstraktion verweigerte, erfolgreich beschritt und gegen manche Widerstände durchhielt. Man erfährt auch viel über das Verhältnis des Künstlers zu den medialen Hilfsmitteln, die er – vom Fax bis zu den digitalen Techniken – im Laufe der Zeit virtuos in seine Kunst einbaute. Der Schluss gerät Catherine Cusste geradezu poetisch, aber biographisch sehr einfühlsam, befördert durch die ausgezeichnete Übersetzung von Maja Ueberle-Pfaff.

Martin Köhl

Catherine Cusset, Hockneys Leben, Oktaven und Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2019, 219 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-37725-3014-2

Ähnliche Artikel: