Unterwegs

Mannheim und Heidelberg

Kunst und Geschichte entlang des Neckars

veröffentlicht am 30.03.2020 | Lesezeit: ca. 9 Min. | von Regina Littig

Der Neubau der Kunsthalle Mannheim am Friedrichsplatz

Der Neubau der Kunsthalle Mannheim am Friedrichsplatz, Foto © Kunsthalle Mannheim/ HG Esch

„Alt Heidelberg, Du feine
Du Stadt an Ehren reich
Am Neckar und am Rheine
Kein’ and're kommt Dir gleich“,
heißt es in einem Studentenlied. Und nicht nur Studenten verzaubert diese pittoreske Stadt am Neckar von Semester zu Semester, ganze Loblieder wurden ihr zuteil, zu Gedichten inspirierte sie namhafte Lyriker und wurde zur Protagonistin so mancher Gemälde. Mit ihrer verträumten Altstadt, der sagenumwobenen Schlossruine, die zu ihrem Wahrzeichen wurde, ihren geheimnisvollen Gassen, der firmen Alten Brücke, die über die seichten Wellen des Neckars hinübergeleitet, den grünenden Neckarwiesen, die im Sommer zum Verweilen einladen und ihrem bezaubernden Wesen ist es kein Wunder, dass so mancher sein Herz hier verliert. Und ein solcher Schatz muss auch gebührend bewahrt werden.

Dieser Aufgabe nimmt sich das Kurpfälzische Museum Heidelberg an und stellt die Stadtgeschichte Heidelbergs besonders in den Vordergrund, wodurch zahlreiche Werke der umfassenden Sammlung einen Bezug zur Stadt und ihrer Umgebung aufweisen. Die Sammlung beginnt mit einer beeindruckenden Fülle graphischer Arbeiten. Anhand zahlreicher Werke auf Papier lässt sich hier nicht bloß die Geschichte Heidelbergs nachvollziehen, sondern auch ein Blick auf die Moderne werfen, die in diesem Sammlungsabschnitt von keinen geringeren als Marc Chagall, Joan Miró und Emil Nolde vertreten wird. Kunsthandwerk, archäologische Funde aus der Region, die die Siedlungsgeschichte widerspiegeln sowie Regenten- und Adelsportraits komplettieren die Sammlung. Auch Gemälde und Skulpturen vom Mittelalter bis heute bereichern das Kurpfälzische Museum. Einen wahren Höhepunkt bildet in diesem Segment der spätmittelalterliche Windsheimer Zwölfbotenaltar Tilman Riemenschneiders, ergänzt von Portraits historischer Persönlichkeiten aus Heidelberg und der Kurpfalz. Weitere moderne und zeitgenössische Gemälde führen die Kunstgeschichte bis zur heutigen Zeit fort und manifestieren sich in Bildnissen und Skulpturen von Impressionisten wie Lovis Corinth, Max Slevogt sowie Expressionisten wie Karl Schmidt-Rotluff, Wilhelm Lehmbruck und Max Beckmann. Auf diese Weise vermengen sich Zeitgenossen mit jahrhundertealten Meistern, Stadtgeschichte mit kosmopolitischen Ansichten der Welt.

„Alt Heidelberg, Du feine
Du Stadt an Ehren reich
Am Neckar und am Rheine
Kein’ and're kommt Dir gleich“

Ähnlich sind auch die aktuellen Ausstellungen konzipiert: mondän, welterfahren und vielschichtig, jedoch stets mit einem liebevollen Blick auf die Heimat. So auch „Herkules - Unsterblicher Held“, die bis zum 12. Juli zu sehen ist. Hier wird der allseits bekannte „Popstar der Antike“ in all seinen Facetten durch die Jahrtausende hindurch zelebriert. Antike Vasen, pompejanische Wandgemälde, Graphiken und Bronzestatuetten führen durch das Leben des Helden, der auch außerhalb der Museumsmauern vielerorts in Heidelberg vertreten ist. Auf diese Weise gelingt auch hier der Balanceakt zwischen einem universalen Ausstellungssujet und dem regionalen Bezug.

Im Mai folgt sodann eine Schau zu Friedrich Hölderlin, welcher eine „Ode an Heidelberg“ verfasste und seither eine lebhafte Präsenz in der Stadt genießt, die er mit Worten wie „Lange lieb’ ich dich schon […]“ adressierte. Hier sind Orte nach ihm benannt und an der Ruprecht-Karls-Universität wird zu ihm geforscht. So widmet sich das Kurpfälzische Museum der Wirkungsgeschichte des bekannten Dichters und zeigt relevante Handschriften sowie Portraits und Aquarelle.

Zu finden ist dies und noch viel mehr im Herzen der Altstadt, wo eines der atemberaubendsten Barockpalais der Region die Kunst- und Kulturgeschichte Heidelbergs beheimatet. Ergänzt wird das Palais von einem 1991 errichteten zeitgenössischen, lichtdurchfluteten Erweiterungsbau, wo vornehmlich Gemälde der Moderne und Gegenwartskunst gezeigt werden.

Während hier die Stadt Heidelberg in den Vordergrund gestellt wird, greift die einen Kilometer entfernte Sammlung Prinzhorn einen anderen, besonderen Schwerpunkt auf, der weltweit seinesgleichen sucht.

Die Sammlung Prinzhorn, eine Einrichtung des Universitätsklinikums Heidelberg, fungiert als ein Museum für Kunst von Menschen mit psychischen Ausnahmeerfahrungen. Mannigfache Zeichnungen, Aquarelle, Gemälde, Skulpturen, Textilien und Texte, die Insassen psychiatrischer Anstalten zwischen 1840 und 1945 schufen, werden hier vereint. Zusammengetragen wurde diese singuläre Sammlung durch den Kunsthistoriker und Psychiater Hans Prinzhorn, während er als Assistenzarzt an der Psychiatrischen Klinik der Universität Heidelberg tätig war. 1919 verfasste der innovative Arzt gemeinsam mit dem damaligen Klinikleiter Schreiben an zahlreiche Psychiatrien im deutschsprachigen Raum, in denen er um Patientenwerke bat. Seither wuchs die Sammlung stetig und umfasst mittlerweile circa 20.000 Werke. Für einen solchen Umfang wurde im Jahre 2001 sodann ein eigenes Museumsgebäude zur Verfügung gestellt: ein umgebauter alter Hörsaal der Neurologie auf dem Gelände des alten Universitätsklinikums Heidelberg. Anfang 2020 erfolgte ein Umbau, um eine zusätzliche Ausstellungsfläche für die ständige Sammlung zu schaffen. Zusätzlich werden jährlich drei bis vier thematische Sonderausstellungen gezeigt. Ziel dieser Sammlung ist es, zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen beizutragen und auf diese Weise die Inklusion betroffener Menschen zu unterstützen.

18 Auto- oder 37 Zugminuten entfernt liegt eine Stadt, die Heidelberger aufgrund einer spaßhaften Feindschaft zwar nicht als Ausflugsziel empfehlen würden, die jedoch in Kulturfragen sehr viel zu bieten hat. Bei der Stadt handelt es sich um Mannheim und bei einem ihrer renommierten und über Landesgrenzen hinaus bekannten Museen um die Kunsthalle Mannheim, deren Sammlung und wechselnde Schauen einen singulären Skulpturenschwerpunkt aufweisen und sich besonders auf die Avantgarde, Moderne und Gegenwart konzentrieren. Auch die Architektur der Kunsthalle mutet bereits sehr avantgardistisch und fortschrittlich an. Der historisch gewachsene Komplex umfasst einen Jugendstil-Bau von 1907 sowie den 100 Jahre später errichteten, nach seinem Stifter benannten Hector-Bau; zwei konträre Museumskonzepte, die sich harmonisch zusammenfügen. Lichtdurchflutet, zeitlos, offen und urban der eine Part, plastisch ausdrucksstark und stattlich der andere, gruppiert um ein 22 Meter hohes Atrium.

In diesen Gebäuden, die selbst ein gefeiertes Kunstwerk bilden, werden Arbeiten namhafter und aufstrebender Künstler präsentiert. Neben drei großen Ausstellungen im Jahr gibt es stets wechselnde Sammlungspräsentationen. So befasst sich die Kunsthalle bis zum 4. Oktober mit ihrer eigenen Geschichte. In der Schau „(Wieder-)Entdecken. Die Kunsthalle Mannheim 1933 bis 1945 und die Folgen“ wird der Einfluss des Nationalsozialismus auf die KuMa beleuchtet und der dauerhafte Verlust von 500 Werken bei der Beschlagnahme „entarteter Kunst“ thematisiert. Zeitgleich setzt sich das Museum unter dem Titel „Erinnern. Aus der Geschichte einer Institution“ mit spezifischen Kernpunkten der heutigen Sammlung auseinander, vor allem mit der gegenstandslosen Malerei der 1920er Jahre wie auch der abstrakten Malerei der 1950er Jahre. Überdies wird hier die Rolle des Mannheimer Hauses im zeitgenössischen Kunstdiskurs diskutiert. Daneben finden aktuelle wechselnde Ausstellungen statt. Bis zum 24. Mai zeigt die KuMa eine Sonderausstellung der Gaphik: „Drucken ohne Farbe. Graphische Experimente ab 1960“. Die 1950er und 1960er Jahre waren geprägt von Auf- und Umbrüchen und auch die Druckgraphik suchte nach Innovation und neuen Ausdrucksformen und entwickelte die Idee, Darzustellendes nicht mittels Farbe deutlich zu machen, sondern alternative Wege einzuschlagen. So entstanden Präge- oder Reliefdrucke, Partien wurden ausgestanzt und Perforierungen nahmen eine relevante Rolle ein. Die hier präsentierten Arbeiten erstrecken sich von streng geometrisch aufgebauten bis hin zu organisch-expressiven Werken und schließen auch die ab 1960 florierenden Kunstrichtungen Pop und Op Art, Konkrete Kunst und Noveaux Réalistes ein. Des Weiteren ist die erste von dem neuen Direktor Johan Holten kuratierte Ausstellung mit dem Titel „Umbruch“ ab dem 15. Mai bis zum 6. September zu bestaunen. Anhand dieser Exposition bestrebt Holten, den Blick auf eine neue inhaltliche Programmatik der KuMa zu lenken und eine größere Diversität zu gestalten. Drei verschiedene, jedoch zusammenhängende Kapitel strukturieren die Schau. Das Spektrum reicht dabei von Gemälden wiederentdeckter KünstlerInnen der 1920/1930er Jahre bis hin zu zeitgenössischer Skulptur und Videoinstallationen von Künstlern mannigfacher Nationen. Zu Beginn seiner Amtszeit macht der neue Direktor somit deutlich, welche Vorstellungen er für die Zukunft der KuMa mitbringt und in welche Richtung sich auch die Sammlung in seinen Augen entwickeln könnte.
Weniger als 20 Laufminuten entfernt befinden sich in Mannheim die Reiss-Engelhorn-Museen, die einen hohen Bekanntheitsgrad genießen und aufgrund ihrer Vielfalt einen Besuchsgrund für jeden Geschmack aufweisen. Hierzu gehören das Museum Zeughaus, das Literaturforum Schillerhaus, das Forum Internationale Photographie, das Museum Weltkulturen, das Museum Bassermannhaus, der ZEPHYR Raum für Photographie sowie das Peter und Traudl Engelhorn-Haus. Neben mannigfaltigen Sammlungspräsentationen locken die Häuser momentan mit Expositionen wie der Biennale für aktuelle Photographie, die bis zum 26. April unter dem Titel „Reconsidering Icons“ im Museum Weltkulturen zu sehen ist, einer Ausstellung zu Ägypten, dem „Land der Unsterblichkeit“ (ebenfalls Museum Weltkulturen) sowie vom 30. Mai bis zum 31. Januar 2021 „Tutenchamun. Sein Grab und die Schätze“ im Museum Zeughaus.

Abschließend ist anzumerken, dass alle in dem Artikel genannten Museen ihre Ausstellungen aufgrund von COVID-19 bis auf Weiteres geschlossen haben. Vor einem geplanten Besuch ist es deshalb unbedingt empfehlenswert, sich online oder telefonisch aktuelle Informationen einzuholen.

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