Glosse

MARTINS SPRACHECKE

Communities und sprachliche Farbenspiele

veröffentlicht am 29.07.2020 | Lesezeit: ca. 3 Min. | von Martin Köhl

Vorbei sind die Zeiten, als die Mannheimer Duden-Redakteure über die deutsche Sprache wachten. Die neuen Sprachwächter nennen sich „communities“ und sind unerbittlicher als die alten, wenn es um Verstöße gegen die jeweils neuesten sprachlichen Imperative geht. Die denkbaren Bezeichnungen für Menschen mit dunkler Hautfarbe waren schon immer ein besonders heikles Terrain und haben dank der „Black Lives Matter“-Bewegung aktuelle Debatten heraufbeschworen. Schwarz, so heißt eine energisch vorgetragene Forderung, solle nunmehr stets groß geschrieben werden, weil das Adjektiv keine Eigenschaft, sondern die „Zugehörigkeit zu einer Community“ kennzeichne. Im Übrigen, so die Aktivistin Sharon Dodua Otoo, hätten sich weiße Menschen aus solchen sprachlichen Debatten überhaupt herauszuhalten. Natürlich auch aus der „Mohren“-Debatte, über die wir hier tunlichst schweigen werden, genauso wie über die fatale Eventualität eines dunkelhäutigen „Schwarzfahrers“ in der U-Bahn, denn sprachliches Glatteis droht allenthalben.

Wer sich sicherheitshalber auf das gängige Wort „Farbige“ besinnt, sollte vorsichtig sein, denn es stammt aus der Kolonialzeit. Um so verwirrender erscheint, dass jetzt „People of Color“ (PoC) en vogue ist, obwohl das doch exakt die englische Entsprechung darstellt. Die Süddeutsche Zeitung ist angesichts der kaum noch zu ahnenden Empfindlichkeiten diverser Communities ganz vorsichtig und schreibt jetzt „nicht-weiße Menschen“ für die Zeitgenossen dunklerer Hautfärbung. Tja, schwarz ist jetzt zu einem toxischen Begriff geworden, handle with care! Dabei hat doch die Originalversion des Homo sapiens genau diese Farbe, wie nicht nur Anthropologen wissen. Erst als die Angehörigen dieser Spezies nach Norden aufbrachen, erbleichten sie. Weiße Menschen sind also eigentlich die nicht vorgesehene, geradezu peinliche Ausnahme von der Art …

Die BLM-Bewegung hat zu Recht eine große Sympathiewelle ausgelöst. Aber auch dieser Begriff ist eigentlich defizitär, denn er ignoriert die Welle der Ablehnung, ja des Hasses gegenüber asiatisch aussehenden Menschen – insbesondere Chinesen – im Gefolge der Corona-Pandemie. Und die sind nun einmal weiß, zumindest für diejenigen, die nicht mehr, wie noch zu Adenauers Zeiten, von der „gelben Gefahr“ schwadronieren. Selbst der Begriff ‚Rassismus’ ist problematisch, weil er vor allem Assoziationen an die Hautfarbe weckt. Dabei geht es doch ganz allgemein um die Vorbehalte vor dem Fremden, dem Ungewohnten, das zu diskriminierendem Verhalten führt. Der Grund kann im Aussehen liegen, aber ebenso in der Religion oder in andersartigen Gewohnheiten. Der richtige Befund lautet deshalb ‚Xenophobie’, also Fremdenfeindlichkeit, und als solche sollte man übergriffiges Verhalten jedweder Art auch brandmarken.

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