Michael Wollny – Mondenkind
(ACT/ Edel )
veröffentlicht am 28.09.2020 | Lesezeit: ca. 3 Min. | von Oliver Will
Was macht ein Ausnahmepianist mit vollen Auftragsbüchern während des Lockdowns?
Er nimmt ein Album auf. Und zwar Solo. Schlichtweg nur er, sein Klavier, sonst nichts und niemand.
Ganze 15 Titel nimmt er in zwei Tagen auf, in einer surreal anmutenden Zeit der Einsamkeit. Und landet irgendwo zwischen Barock, Romantik und Mystik. Titel wie Mondenkind sind uns nicht unbekannt. Es waren stets poetische Motive und Spiele mit der Natur, die er über seine Kompositionen schrieb. Diesmal allerdings füllt er sie selbst aus, ganz alleine, keine Interaktion und Wechselwirkung mit anderen Musikern, die immer eine große Rolle in seinen Aufnahmen spielten. Die Spannung behält er dennoch, setzt Akzente auf die Harmonien und umgekehrt und schafft stets Täler vor den nächsten Spitzen. Wohlgefällig, dynamisch in Tempo und Ton, bisweilen bedrohlich. Übersetzt er all die Stille, die ihn diese Tage so sehr umgibt. Und überträgt so die Erfahrung einer ungewöhnlichen, neuartigen Realität in das Absolute der instrumentalen Musik. Spielt den Soundtrack eines Stummfilms ohne Schauspiel. Die neuartigsten und ungewohntesten Gefühle, ganz auf das reine Hörerlebnis zugeschnitten. Das Bilder einfordert, sie mal findet und auch mal nicht. Von „Bewusstheit, Antizipation, Genugtuung, Zuversicht und Jubel“ sprach Michael Collins bei seinem Blackout im All, seiner Mondumkreisung, auf die Rückkehr seiner Kollegen wartend. Diese besondere Zeit nimmt sich Wollny zum Vorbild, wenn er sich mit Mondenkind auf die Spuren von Collins begibt. Und qua Klavier Gefühlswelten aus dem All morst. Da vergehen 46:38 Minuten seiner musikalischen Reise im Flug, die er in Analogie zu Collins Wartezeit im All, unter Ausschluss jeglichen Blick- und Funkkontakts, auf seine einsamen Aufnahmen übertrug und damit zum außergewöhnlichen Rahmen seiner außergewöhnlichen Musik macht. Und das Genre „Space Night“ damit auf ein gänzlich neues Level hebt. Wer trotz Flugangst zum Mond will, dem verleiht Wollny Flügel.
Michael Wollny on Tour
Mit seinem Solo-Projekt „Mondenkind“ wird Michael Wollny im November fünf Mal in Deutschland zu sehen und vor allem zu hören sein. Den Anfang macht München am 12. November im Prinzregententheater, danach folgen das Enjoy Jazz Festival in Heidelberg (14. November), das Düsseldorfer Savoy Theater (15. November) und das Jazzfestival in Elmau (17. November). Den Schlusspunkt setzt das Dortmunder Konzerthaus am 21. November.