Heinrich Zille im Land der (Tauber-)Franken
Zu Gast im Wertheimer Museum „Schlösschen im Hofgarten“
veröffentlicht am 05.06.2014 | Lesezeit: ca. 3 Min.
Eine Empfehlung für einen feinen Ausflug über Pfingsten: Man mache sich auf ins schöne Wertheim und flaniere durch die historische Altstadt. Von dort aus erreicht man in nur zehn Gehminuten das am Ortseingang von Wertheim gelegene Museum „Schlösschen im Hofgarten“. Das anno 1777 errichtete, von einem englischen Landschaftsgarten umgebene Schlösschen war die Sommerresidenz des Grafen Friedrich Ludwig zu Löwenstein-Wertheim-Virneburg. Seit acht Jahren ist das sanierte Gebäude Sitz eines Museums, welches Wechselausstellungen sowie private Kunstsammlungen mit Werken beispielsweise von Max Slevogt, von dem großartigen Lovis Corinth und von Max Liebermann präsentiert.
Derzeit (und noch bis zum 3. August) können Kunstfreunde zwei Sonderausstellungen in Augenschein nehmen. Die eine gilt Heinrich Zille (1858 bis 1929), die andere seinem Zeitgenossen und Künstlerfreund August Gaul. 1869 bei Hanau geboren und 1921 in Berlin verstorben, gehörte Gaul, ganz wie Zille, der mit den Galeristen und Verlegern Bruno und Paul Cassirer verbundenen Berliner Secession an. Er ist zwischen Historismus und Moderne anzusiedeln und besonders bekannt für seine ausdrucksstarken Tierplastiken. Die sind zweifelsohne seinem stupenden Talent geschuldet, verdanken sich aber auch zeichnerischen Studien vor Ort: 1890 hatte Gaul, der ja, nomen est omen, einen tierischen Namen trägt, eine Dauerfreikarte für den Berliner Zoologischen Garten gewonnen. Gaul war auch mit dem Bildhauer, Zeichner und Dramatiker (siehe etwa „Der blaue Boll“, erschienen 1926 im Verlag Paul Cassirer) Ernst Barlach. 1921 wurde Gaul zum Senator der Akademie der Künste berufen, doch starb er, noch ehe er sein Amt antreten konnte.
Weit bekannter als August Gaul ist der aus Radeburg bei Dresden gebürtige Heinrich Zille. Das Sujet, und das „Milljöh“ des gern als „Pinselheinrich“ apostrophierten Zille, das waren die Berliner Hinterhöfe, die Welt der Proletarier, die Arbeiterviertel mit ihren Gassen und Kaschemmen. An diesen Zuständen übte Zille in seinen Zeichnungen Sozialkritik. Die Wertheimer Ausstellung zeigt nicht nur den bekannten Grafiker und Zeichner Zille, sondern auch seine bislang wenig beachteten Photographien. Auch Zille selbst nannte sich nie einen Photographen. Um die Jahrhundertwende herum hat er auch Aktaufnahmen gemacht und dafür unter anderem das Atelier von August Gaul benutzt.
Und Gaul war es auch, mit dem Zille in Franken unterwegs war. Dies mag der Anlass gewesen seine für die Zeichnung „In’s Thal der Franken möchte ich fahr’n“, die sich im Besitz der Stiftung Schlösschen im Hofgarten / Wolfgang Schuller befindet. Nach ihr ist die Sonderausstellung betitelt. In diesem Zusammenhang ist noch auf den Vortrag von Constanze Neuendorf am 22. Juni um 11.15 Uhr. Sie wird über Zilles aquarellierte Federzeichnung referieren und über die Geschichte dieses Bildes sprechen.
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