Sinnige Spiegelfechterei im frivolen Spektakel
„Was ihr wollt“, die meistgespielte Komödie William Shakespeares, wird bei den Calderón-Spielen in Bambergs Alter Hofhaltung von Mia Constantine fulminant in Szene gesetzt
veröffentlicht am 07.07.2021 | Lesezeit: ca. 3 Min. | von Martin Köhl
Es ist eine ebenso pfiffige wie symbolträchtige Idee, mit der die Inszenierung von Shakespeares „Was ihr wollt“ in der Alten Hofhaltung Bambergs endet. Verspiegelte Drehtüren öffnen sich und bedeuten den Protagonisten und den Zuschauern: es war war nur eine Farce, ein Spiel, eine Spiegelfechterei, Illusionstheater halt. Das ist nicht die einzige originelle Idee, die sich Mia Constantine für ihre Inszenierung von Shakespeares luftiger Sommerkomödie ausgedacht hat. Ihre Bühnenbildnerin Gabriela Neubauer hat zwei Pavillons aufs Pflaster gestellt, die aufgrund von Verbindungen allerlei Versteckspiele ermöglichen und auch im Untergeschoss die bereits erwähnten Spiegeltüren bergen.
Brigitte Schima hat für grelle Kostüme gesorgt, aber natürlich der trauernden Protagonistin zu würdevoller Bekleidung verholfen. Diese Gräfin Olivia wird von Ewa Rataj mit beeindruckender Wandlungsfähigkeit dargestellt, geht es doch darum, nicht nur die Würde der Noblesse, sondern auch die Naivität der Getäuschten auf die Bühne zu bringen und dabei gleichzeitig die Lust auf Liebe mit offensichtlicher Mimik durchblitzen zu lassen. Diese Lust gilt nicht dem werbenden Herzog von Orsino (Paul Maximilian Pira), sondern jener Zwittergestalt, die als Viola (alias Cesario) für ein ordentliches Quantum an Missverständnissen – und Illusionen! – sorgt.
Clara Kroneck, die aus einem Bad aus Plastikbällen ans illyrische Ufer auftaucht, brilliert in dieser Hosenrolle mit ihrem gekonnt abrupten Changieren zwischen dem steifen Ernst des Dieners und der verschlagenen Kumpanin jenes komödiantischen Terzetts, das nun wirklich das Salz in der Suppe sowohl bei Shakespeare als auch in dieser turbulenten Inszenierung ist: Maria (Anne Weise gekonnt schrill), Sir Toby Rülps (Daniel Dietrich betont vulgär) und der Narr mit einem wie immer besonders frechen Eric Wehlan. Die Streichung diversen Personals aus dem Original war kein Makel, sondern sorgte für eine willkommene Straffung.
Grell wie vieles an diesem Abend ist auch die Musik, und man ist zunächst irritiert vom stilistischen Kontrast zwischen dem lautstarken Poprock einerseits und der vornehmen Sprache des Schlegeltextes, der in dieser Konstellation geradezu archaisch wirkt. Aber man gewöhnt sich daran, zumal Clara Kroneck ihn besonders feierlich deklamiert und damit eine Prise ironischer Distanzierung hineinbringt. Derber geht es bei den drei frivolen und tolldreisten Kumpanen zu, deren Streiche vor allem zum Schaden Malvolios sind.
An ihm, dem pedantischen Verwalter im Phantasieland Illyrien, der mit Oliver Niemeier köstlich affektiert daherkommt, hat sich die Kostümbildnerin besonders phantasievoll vergangen. Das Spiel mit geschlechtlichen Genres wird aber nie übertrieben oder gar zu zeitaktuell im Sinne von bi, trans o.ä. Knapp zwei Stunden geht es recht turbulent zu an diesem – ausnahmsweise trockenen – Abend in der Hofhaltung, und Langeweile hat keine Chance. Schade, dass aufgrund der Platzbeschränkungen und der gnadenlosen Regnerei wohl nur wenige Theaterdurstige dieses famose Spektakel werden sehen können.