Portrait

Kunst, Kirche, Kastner

Symbiose im Namen des Herren

veröffentlicht am 29.11.2021 | Lesezeit: ca. 6 Min. | von Oliver Will

Blick vom Diözesanmuseum auf die Neue Residenz

Blick vom Diözesanmuseum auf die Neue Residenz, Foto © Oliver Will

Ein gutes Jahr ist es nun her, dass Frau Dr. Birgit Kastner die Leitung der Abteilung Kunst und Kultur des Erzbistum Bamberg übernommen hat. Im Gespräch mit art5drei sprach die promovierte Kunsthistorikerin über ihre neue Zuständigkeit, die ersten Weichenstellungen und Projekte, über die speziellen Herausforderungen der corona-Zeit und die allgemeinen Anforderungen im Rahmen ihrer großen Aufgabengebiete.

Dr. Kastner war in der Geschäftsführung des Bundes Deutscher Innenarchitekten tätig. Von 2013 bis 2016 leitete sie die Kooperation der Museen um den Bamberger Dom, war Lehrbeauftragte und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bamberg und übernahm 2017 die wissenschaftliche Leitung eines Projektes zum Europäischen Kulturerbejahr und schließlich das Europäische Kulturerbesiegel-Projekt Cisterscapes des Landkreises Bamberg in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege zur Erforschung und Vermittlung zisterziensischer Klosterlandschaften. Kunst, Kirche, Architektur und Denkmalpflege waren seit je Gegenstand ihrer Arbeit. Als Ordinariatsrätin fühlt sie sich nun als Wissenschaftlerin mit langjährig wechselnden Arbeitsfeldern entsprechend angekommen und bestens für die aktuelle Tätigkeit gerüstet. Die Umstrukturierung im Bistum kam ihr wie gerufen. Während sich das pastorale Personal auf die geistlichen Aufgaben konzentriert, beschäftigt das Bistum nun mehr weltliches Fachpersonal und stärkt gleichzeitig die Rolle der Frau. Mit vier großen Bereichen füllt Dr. Kastner ihr Amt aus und baut damit auf ihren vorherigen Aufgaben auf.

Das Diözesanmuseum, geleitet von Frau Mag. Carola Marie Schmidt, die diözesanen Bibliotheken mit der Bibliothek des Metropolitankapitels, die im Jahr 2022 ihr 200jähriges Jubiläum feiern wird, unter der Leitung von Dipl.-Bibl. Maria Kunzelmann, der Bereich Kunstdenkmalpflege und Inventarisation, verantwortet von Peter Schwarzmann sowie die Domtouristik mit den diözesanen Festen.

Im ersten Jahr, so Frau Kastner, war insbesondere die Situation der Corona-Pandemie eine große Herausforderung für ihren Einstieg. Der Museumsbetrieb sowie auch die Domtouristik standen unter stark veränderten Vorzeichen, die kurzfristig einiges an Dynamik abverlangten. Und gleichzeitig eine Not verursachte, die erfinderisch machte. So war der starke Besucherrückgang in Dom wie Diözesanmuseum nicht nur ein finanzielles Problem. Die Besuchergruppen haben sich auch stark verändert, worauf einzugehen war und sie sollten unter den besten Hygienebedingungen empfangen werden, soweit eine Öffnung jeweils möglich war. Entsprechend wurden digitale Formate erprobt, konzeptuell Weichen Richtung Zukunft gestellt. Zum einen stand die Publikumsorientierung „für alle Sinne“ des Museums im Mittelpunkt, zum anderen kam mit der Leitung ein neuer Schwerpunkt der Museumsarbeit nach Bamberg. Die Präsentation zeitgenössischer Textilkunst im Dialog mit den historischen Gewändern, verknüpfe die zeitgemäße Kunstszene mit Weltkunstexponaten erster Güte und schaffe Anschluss an die Gegenwartskunst, wie derzeit eine Zusammenarbeit mit der Bamberger Textilkünstlerin Heidrun Schimmel belegt. Die Grundausstattung der Dauerausstellung sei ein großes Thema. Der Zustand des Hauses sei auf dem Stand der 90er. Entsprechend groß der Handlungs- und Erneuerungsbedarf. Nicht zuletzt werde auch die Vermittlungsebene einer strategischen Neuaufstellung unterzogen.

Auch die Frage nach einer Rückbesinnung auf ihren alten Auftrag als Dombergkoordinatorin beantwortet Dr. Kastner durchweg positiv. Seinerzeit sei die Kooperationsbereitschaft noch nicht auf optimalem Niveau gewesen. Die Weichenstellungen allerdings wären gut, wichtig und bis heute nachhaltig gewesen. So bleibe das Diözesanmuseum beispielsweise nun auch von seiner kommunikativen Identität her bei der Bildsprache der Dombergmuseen.

Mit den zahlreichen, aktuellen personellen Umbrüchen in der Museenlandschaft am Domberg sieht sie ausreichend Fundament für einen „neuen Aufschlag“, der das Potential des Dombergs deutlich stärker nach außen kehren könne. Der inhaltliche Zusammenhang der Häuser am Domberg spreche für sich, es bedürfe aber einer erfolgreichen Vermittlung derselben. Er liefere wichtige Grundlagen der Stadtgeschichte. Das alte Ziel eines einheitlichen Museumstickets hält Frau Dr. Kastner nach wie vor für erstrebenswert und für zunehmend realistisch.

Vom Domberg weg, tief hinein in die Bistumsgebiete und kirchlichen Schätze gedacht, beschäftigt Dr. Kastner sich aktuell auch mit zahlreichen jüngeren Kirchenbauten, wenn die Frage nach dem Bedarf sie tangiert und eine Einstufung erforderlich ist, was erhaltenswert ist. Kirchenschließungen stellten die Frage nach dem Abriss aktuell zunehmend. Eine Ausstellung zu den „Nachkriegskirchen“ des Bistums sei daher ein besonderes Anliegen.

Die Pflege des Inventars verknüpfe sie mit dem besonderen Anliegen der Sensibilisierung der Menschen vor Ort. Die Pfarrer, Pastoralpfleger usw. als Multiplikatoren der Vermittlung dessen, was wo an Kunst und Kulturgut vor Ort ist. So dass die Gemeinden den Stolz auf ihre und die Besonderheiten ihrer Kirchenschätze pflegen und diesen gegenüber adäquate Wertschätzung entgegengebracht wird. Hierfür gebe es Schulungen „Sehen lernen“ und auch Faltblätter zur Information.

Für die genannten Projekte und Baustellen bleiben Dr. Kastner nur etwa 40 % ihrer Arbeitszeit, da sie stark mit Leitungsaufgaben, Personalführung und in Gremien und Ausschüssen gefordert ist. So greift ihr Portfolio in die besonderen Vorhaben ebenso ein, wie sie das Wirken auf der Meta-Ebene genießt. Für den Einfluss des theologisch versierten Sachverstands, der bisher in persona in der Leitung saß, sieht sie ausreichend Möglichkeiten, auf die sie zählen könne. Zunächst sei ihr die Liturgiewissenschaft nicht fremd. Zum anderen dienen wertvolle Gespräche mit den Domkapitularen und dem Summus Custos des Doms, Herrn Dr. Markus Kohmann, auf die sie regelmäßig zurückgreifen könne.

In der aktuell sensiblen Diskussion um den Verbleib von Ecclesia und Synagoge beispielsweise wurde ein entsprechendes Fachgremium einberufen, dass alle nötige Expertise aus verschiedenster Perspektive einbringt und auch Vertreter anderer Glaubensgemeinschaften direkt einbezieht. Die Diskussion sei konstruktiv und in bestem Austausch. Einen Leitfaden für derartige Erinnerungsarbeit gebe es nicht. Doch sei sie zuversichtlich, dass für die Gegenwart eine gute Lösung gefunden wird, die nicht automatisch den Anspruch haben kann, für alle Zeiten zu gelten.

Insgesamt freue sie sich sehr über die ihr übertragenen Aufgaben, da sie ihren Auftrag gerne darin sieht, Kunst und Kirche miteinander zu verbinden und den Zugang zur Kirche, der einigen scheinbar immer schwerer falle, über die Kunst zu stützen.

Wir wünschen ihr für die nächsten Jahre eine glückliche Hand und die Unterstützung, die sie für ihre Pläne nötig hat.

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