Ein Lebemann sinniert über das Alter(n)
Konstantin Wecker: 74 Jahre und langsam wird er leise?
veröffentlicht am 29.11.2021 | Lesezeit: ca. 3 Min. | von Andreas Bär
Ein heimliches Highlight erlebt die Konzertszene in Nürnberg zum Abschluss des Jahres. Am 27. Dezember gastiert Konstantin Wecker mit seinem neuen „Utopia“-Programm in der Meistersingerhalle.
Utopia. Eine Konzertreise. So hat er sein neuestes Machwerk getauft. Der Münchener Lebemann begibt sich da auf für ihn komplett ungewohntes Terrain. Er, seit Jahrzehnten Genießer und Mann staatsmännischer Worte in einer Person, wird plötzlich ungewohnt leise. Schlägt die Kraft des Alters etwa auch bei Wecker zu? Fast könnte man es meinen. Doch weit gefehlt. Je mehr man sich hineinhört in seine neuen Lieder, desto klarer wird: Unpolitisch und ruhig wird ein Konstantin Wecker sicher nicht mehr werden. Auch wenn die Töne leiser werden. Die Kraft der Worte: Die wirkt weiterhin mit aller Härte.
Utopia wird eine sehr persönliche und politische Zeitreise in Vergangenheit und Zukunft, um all die eigenen, fremden und kollektiven Sehnsüchte, Rebellionen, Ideen und gelebten Momente zu entdecken, in denen eine herrschaftsfreie Weltgesellschaft heute längst entsteht und lebendig wird – so beschreibt seine Plattenfirma die neueste Scheibe eines der begnadetsten Musiker hierzulande. Der nicht nur markige Worte kennt.
Tief im Innersten hat er eben dieses Innere in so manchem Song nach außen gekehrt. Imposant sein Stück „Die Tage grauer“ – mit berührenden Worten besingt er das Schicksal dementer Menschen. Eines der Weckerschen Produktionen, die schlichtweg von exorbitanter Qualität und Einfühlungsvermögen zeugen. Doch nicht nur neue Lieder präsentiert der Dauerbrenner auf seiner Tournee. Viele alte, manche fast schon vergessene Stücke, hat der 74-jährige Liedermacher im Gepäck. Und da ist da noch dieser eine traditionelle Moment, auf den man besonders gespannt sein darf. Bei „Questa Nuova Realtà“ tigert der bekennende Pazifist schließlich im Regelfall quer durch sein Publikum und sucht die Nähe zu seinen Anhängern. Ob das in Zeiten einer wieder aufflammenden Pandemie noch möglich ist: Man weiß es nicht. Eines ist dabei aber sicher: Auch wenn er es nicht darf. Im Herzen wird er es tun. Und vermutlich auch mit Worten. Utopisch? Für Wecker nicht. Erst recht nicht in Zeiten wie den jetzigen. In denen es kürzlich noch utopisch erschien, dass wieder Konzerte stattfinden. Und in denen es dann utopisch erschien, dass Corona noch einmal in dieser Intensität zurückkommt. Wie es weitergeht? Diese Frage bleibt. Wecker versucht zumindest, darauf plausible Antworten zu finden. Auch wenn das utopisch erscheint.