Mixtur

Am Tag als der Regen kam

Zum Sommerfest des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia

veröffentlicht am 11.07.2014 | Lesezeit: ca. 5 Min.

Am Tag als der Regen kam (gesungen, mit lasziv-verrauchter Stimme, von Dalida, im „Blechtrommel“-Jahr 1959, auf eine Melodie von Gilbert Bécaud, dem „Monsieur 100 000 Volt“), ausgerechnet da, gefiel es dem Internationalen Künstlerhaus Villa Concordia, sein Sommerfest zu feiern. Das nun hatte freilich auch seine Vorteile. Beispielsweise herrschte statt dichtem Gedränge im wunderschönen Barockgarten der Villa Bein- und überhaupt Bewegungsfreiheit, auch unter dem angesichts der Wetterprognose vorsorglich aufgestellten Zelt.

Weniger fein war das für die beiden „Acts“, wie Direktorin Nora Gomringer die zwei aus Dresden angereisten Musikgruppen ankündigte. Zwischen Bühne und Zelt klaffte eine große, mit Bierbänken bestückte Lücke. Die wurden dann aber doch in Beschlag genommen, nachdem Christoph Mangel, der vor Charme sprühende Tenor, der Lead- und Liedsänger des Wortart Ensembles, darauf hingewiesen hatte, dass es doch just nicht regne. „Wie sag ich Wunder“ heißt übrigens die Silberscheibe, die die Dresdner A-cappella-Meister im Frühjahr gemeinsam mit Gomringer, ergo als Sextett, herausbrachten, und von welcher sie einige Kostproben gaben.

Am Donnerstagabend durfte die Künstlerhausdirektorin dem Wunder, welches sich da auf der Bühne abspielte, lauschen, durfte sich zurücklehnen, hatte die Musiker lediglich kurz vorzustellen und post festum, gemeinsam mit Fiona Freifrau Loeffelholz von Colberg, der Vorsitzenden der Freunde des Internationalen Künstlerhauses (die zum Fest eingeladen hatten), rote Rosen zu verteilen. Lena Sundermeyer, Anne Munka, Hannah Ginsburg und Lars Ziegler und Christoph Mangel haben sich seit fünf Jahren der Vertonung überwiegend zeitgenössischer Lyrik verschrieben, von Brecht über Eva Strittmatter und Wolf Wondratschek bis hin eben zu Gomringer („Sag doch mal was zur Nacht“).

In den mal verrückt-verspielt-humorvollen, dann wieder innig-intimen Arrangements (zu hören zum Beispiel in „Sanft“), für welche zumeist Bariton Lars Ziegler sorgt, werden Dicht- und Tonkunst eins. Blitzblank die Intonation des Quintetts, flexibel und farbenreich schillernd ihre stimmliche Gestaltung, hier eine zarte Vokalise, dort ein sattes, sogenanntes Beatboxing. Das war jedenfalls durch die Bank A-cappella-Kunst auf allerhöchstem Niveau. Chapeau! Und es nimmt eben nicht wunder, dass das Wortart Ensemble in seinen noch jungen Jahren schon beachtliche Erfolge feiern konnte, beispielsweise beim arg angesagten Leipziger A-cappella-Wettbewerb.

Nach einer durchaus übersichtlich gehaltenen Essenspause mit Happen und Häppchen und Broten und Hörnchen und Süßem (dies zum, wie sich herausstellen sollte, baldigen Finale, obgleich doch eben aufgrund des Wetters etliche Leute, die sich angemeldet und ihren Beitrag geleistet und gezahlt hatten, zuhause geblieben waren) nahte dann in Gestalt von Annamateur

der gewichtige Höhepunkt des Sommerfestes. Diese Frau verfügt über 100 000 Volt, mindestens, und ist darin Bécaud („Le jour où la pluie viendra“, wir erinnern uns) ähnlich. Rotzfreche, freie Schnauze – ob nun im ureigenen Sächsisch oder im bewundernswert treffend einverleibten Bayerisch – spontane Einlagen, Improvisation, eine Stimme, die von Arien bis zum tränenreichen Röhrenblues viele Register zu bedienen vermag und eine schlicht umwerfende Bühnenpräsenz: Das sind nur einige der Ingredienzien, aus denen Annamateur, Jahrgang 1977, ihr Programm strickt, welches an diesem Abend „Annamateur und Außensaiter“ hieß.

Mit dabei nämlich waren Christoph Schenker am Cello (wunderbar kernig seine Pizzicati) und Samuel Hallscheidt an der Gitarre. Famos, wie Hallscheidt auf sechs Saiten zu zaubern vermochte! Dass sich auch Anna Maria Scholz, wie sie bürgerlich heißt, bestens auf das Instrumentalspiel versteht, führte sie in einer mitreißenden Version von Chick Coreas „Spain“ (anno 1972), nota bene auf der Blockflöte, vor aller Ohren. Ohne Zugabe war da nichts zu machen, zumindest nicht, was Annamateur, Schenker und Hallscheidt anging. Der angekündigte Essensnachschlag hingegen blieb (zu großen Teilen jedenfalls) aus. Sei’s drum. Es war ein feiner Sommerabend bei dem Himmel naher Musik und guten Gesprächen unter netten Menschen, die sich für die Kunst und das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia zu begeistern wissen. Und der Wettergott hatte ja dann doch auch ein Einsehen. Der meiste Regen war vor dem Fest bereits gekommen.

Fotos Copyright © Wiebke Kana

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