Szene

Ein Weltstar mit Stil beehrt Wendelstein am 28. April

Grammy-Gewinner Kurt Elling kommt zum Jazz & Blues OPEN-Festival

veröffentlicht am 30.03.2023 | Lesezeit: ca. 9 Min. | von Andreas Bär

Kurt Elling

Kurt Elling, Foto © Cory Dewald

Highlights ist man vom Wendelsteiner Jazz & Blues OPEN-Festival gewohnt. Alle Jahre wieder präsentieren die Macher nicht nur ein breit gefächertes Programm, sondern auch absolute Schmankerln, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Ein solches Date können Musikliebhaber am 28. April genießen. Kurt Elling gibt sich die Ehre. Elling, landauf, landab als die größte männliche Jazzstimme der Gegenwart gefeiert, ist einer, der Perfektion, Experimentierfreude und gute Laune auf sich vereint. 2021, inmitten der Coronapandemie, heimste der 55-jährige Sänger für sein Album „Secrets are the best stories“ seinen zweiten Grammy-Award ein. Mit seinem neuen Album „Superblue“ ließ er Genregrenzen ineinander verschmelzen. An der Seite von Gitarrist und Produzent Charlie Hunter gelang dem aus Chicago stammenden Entertainer ein Paradeexemplar musikalischer Genialität. Ein zwischen Rhythm'n'Blues, Soul, Funk, Jazz und Swingbeat flüssig von der Hand gehendes Meisterwerk, das Lust auf mehr macht. Gerade eben folgte der zweite Schritt: „Guilty pleasures“, eine EP – wieder an der Seite von Hunter und mit Nate Smith am Schlagzeug – mit Coverversionen von Jazzpionier Al Jarreau bis hin zu AC/DC. Bevor das gerade in der Mache befindliche Werk „Superblue II“ auf den Markt kommt, macht sich Elling zusammen mit Hunter und zwei weiteren Mitstreitern auf Welttournee. Zwischen Terminen in seiner zweiten Heimat New York, Detroit, Stuttgart und Kaunas verschlägt es den smarten Sonnyboy in die fränkische Peripherie nach Wendelstein. Was er nicht nur aus geographischen Aspekten heraus spannend findet: Er mag die Leute dort. Wenige Wochen vor der mit Spannung erwarteten Stippvisite eines Weltstars stand er kurz nach seiner Rückkehr aus Europa ART.5|III für ein telefonisches Interview zur Verfügung.

Hallo Mr. Elling. Schön, Sie zu hören. Wo erwischen wir Sie denn gerade?

Ich bin gerade in Chicago.

Oh. Das ist ja gleich einmal spannend. Viele Menschen in Deutschland kennen Kurt Elling nicht sofort. Aber wenn wir denen erzählen, dass sie einst 2005 das Apartment von Ex-Präsident Barack Obama gekauft haben. Vielleicht lesen die Menschen dann auch die Sachen, die wir über Musik reden. Das Haus gehört also weiterhin ihnen?

(lacht) Das ist der Trick, den wir benutzen müssen. Das gehört uns tatsächlich noch. Wir haben einige Jahre nicht darin gewohnt. Meine Frau und ich haben 13, 14 Jahre in New York gelebt. Jetzt sind wir zurück in Chicago, haben das Haus aber an eine ganz liebe Familie vermietet.

Lassen sie uns über Musik reden. Das ist doch das, was die Menschen bewegt. Wir müssen darüber reden. Zwei Jahre lang war es weit weniger einfach als vorher. Aufgrund Covid. Und dem dazugehörigen Timeout für alle Musiker. Wie haben Sie die zwei Jahre gesehen?

Es war definitiv herausfordernd. Es ist für einen Sänger schwierig, ohne zu singen zu leben. Gottseidank sind wir jetzt wieder auf der anderen Seite. Es ist sehr aufregend, wieder zurück zu sein in der Welt. Und natürlich war das kreeiren von „Superblue“ für mich ein großer Teil, um dranzubleiben. Charlie Hunter hat mich angerufen und hatte die Idee, zu kolloborieren. Inmitten der Pandemie. Also haben er und die Musiker in verschiedenen Räumen ihre Masken aufgesetzt, im Studio in Virgina ihre Sachen produziert. Ich saß in Chicago. Sie haben mir Files geschickt, und wir haben grundsätzlich gesagt die Dinger hin und her geschickt. Das ist, wie wir die Scheibe gemacht haben. Sie haben mir Rhythmusabschnitte geschickt. Ohne Melodie. Ich habe ihnen die Melodie und einige Textideen geschickt. An einem bestimmten Punkt haben wir nicht mehr hin und her geschickt, sondern die Platte gemischt. Charlie und ich, der Toningenieur und mein Manager haben dann alles immer wieder getestet. Dann waren wir zusammen im Studio und haben es letztlich fertiggestellt. Ich habe Drummer Corey Fonville und Keyboarder DJ Harrison nie getroffen, bevor die Platte auf dem Markt war und wir schließlich getourt sind.

Das klingt tatsächlich ziemlich interessant, toll. Oder wie würden Sie das bezeichnen?

Es ist das 21. Jahrhundert.

Apropos. Für Sie hatte die Covid-Zeit ja tatsächlich noch etwas positives. Für ihr Werk „Secrets are the best stories“ haben Sie ihren zweiten Grammy-Award erhalten.

Ja, das war so ein kleiner Silberstreif. Ein weiterer Verlust für mich war es ja, ein Jahr Touring-Zeit zu verlieren mit Danilo Perez (Anm. d. Red.: Sein Partner bei diesem Album). Wir haben uns echt auf diese Zeit zusammen gefreut. Wir hatten zwei, drei Nächte miteinander gespielt bevor Covid alles abgeschalten hat. Das Album kam raus und wir konnten nicht damit arbeiten.

Das ist in der Tat schade. Es war schon ein richtig gutes Album. Ich liebe aber Superblue fast noch mehr. Kurt Elling wie man ihn nie zuvor gehört hat. Wow. Was ist das? Das ist nicht Kurt Elling. Doch, es ist Kurt Elling.

Absolut. Ich liebe es, Risiken einzugehen und greife dann zu. Und das war ein echt Großes. Ich denke, dass viele R'n'B-Sachen geduldig auf den Moment gewartet haben, rauszukommen. Jetzt sind sie es.

Jüngst kam mir zu Ohren, dass eine Fortsetzung von Superblue geplant und in der Mache ist. Stimmt das?

Das ist wahr. Ich weiß nicht, ob Sie es schon gehört haben. Jüngst haben Charlie und ich eine EP herausgebracht mit Schlagzeuger Nate Smith. Wir arbeiten jetzt mit verschiedenen Drummern, Keyboardern und Blasinstrumentalisten zusammen. Charlie und ich sind das Zentrum des Ganzen. Wir bringen die zu verschiedenen Zeiten zusammen. Immer, wenn sie gerade verfügbar sind. Das ist ein bisschen mehr von einer kollektiven Umgebung.

Charlie Hunter und Sie. Das funktioniert offensichtlich. Zwei, die sich nicht gesucht und doch gefunden haben?

Ja. Wir waren ja beide bei Blue Note unter Vertrag. Als wir noch viel jünger waren. Daher kannten wir uns und haben immer die Gesellschaft des anderen genossen. Wir hatten auch schon vor unserem gemeinsamen Albumprojekt kleinere Tourneen zusammen. Als Covid kam mussten wir wirklich etwas zu tun. Es war an der Zeit. Besonders weil Charlie die Technik beherrschte, war es möglich, dieses Album zu machen.

Die jüngeren Leute wissen da Bescheid. Ich muss zugeben, dass ich es auch nicht wüsste.

Es ist immer schlau, Leute zu haben, die schlauer sind als du es bist.

Weil wir gerade dabei sind. Dieses Jahr hat Samara Joy den Grammy gewonnen. Eine 23-jährige, die so verdammt cool ist.

Wie vorhin gesagt. Samara umgibt sich mit den bestmöglichsten Menschen. Alleine schon Kenny Washington als Bandleader zu haben. Für jemanden wie sie ist das richtig gut.

Die Verantwortlichen der Grammy-Verleihung werden ja oft für ihren Umgang mit weiblichen Personen kritisiert. Wissen Sie eigentlich wie oft männliche Sänger den Grammy für das beste Vocal-Jazz-Album verliehen bekommen haben, seit Sie 1995 ins Geschäft eingestiegen sind?

Fast nie.

Tatsächlich. Zweimal Gregory Porter und zweimal Sie. Ich war überrascht. Woher rührt das? Können Sie das erklären?

Sicherlich auch aufgrund der Zahl männlicher Sänger. Das wird da sichtbar. Statistisch gibt es weit mehr Nominierungen von Damen, da es einfach wesentlich mehr weibliche gibt. Das liegt auch daran, dass du in den Vereinigten Staaten in sehr jungen Jahren anfangen musst, wenn du damit dein Einkommen sichern willst. Oft singst du erst in Kirchen. Da sammelst du nicht die Erfahrungen, um dich weiterzuentwickeln. Und Jazz ist nicht der Weg, eine Menge Frauen kennenzulernen. Wenn du Musik dazu brauchen willst, Girls kennenzulernen, dann musst du Rock'n'Roll spielen. Oder Rap. Oder etwas, was weitaus sichtbarer ist. Und du wirst niemals reich damit.

Sie haben gerade andere Musikstile angesprochen. Welche Musik hören Sie eigentlich privat?

Ich liebe es, Texte zu hören. Daher höre ich überwiegend tatsächlich Jazz. Aber es gibt auch Sachen, die ich gern höre und die mich wegbringen vom Jazz. Ich bin immer wieder erstaunt von regionaler Musik weltweit. Viele Sachen sind so unmöglich schön. Ich liebe es, Fado aus Portugal zu hören. Ich mag offensichtlich viele aktuell in Brasilien aufkommende Musiker. Ich liebe Chormusik aus Katalanien. Und Gipsy. Viele nicht elektronisch beeinflußte Sachen. Weltmusik einfach, eher als solche geremixten Sachen.

Gibt es eigentlich irgendwelche Künstler, mit denen Sie gerne kooperieren würden?

Ja klar! Kennen Sie Lizz Wright? Sie war gerade hier in Chicago. Sie ist sehr, sehr großartig. Mit ihr würde ich gerne singen. Es gibt so viele großartige Künstler, die du gar nicht verfolgen kannst.

Lassen Sie uns über Wendelstein sprechen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie Wendelstein vorher noch nie gehört haben.

Was ist denn da in der Nähe?

Nürnberg. Wenn Sie von München aus in die Richtung fahren, liegt es kurz davor.

Oh. Das ist ein wunderschönes Fleckchen Erde da. Ein wundervoller Part. Da hatte ich einen meiner schönsten Konzertabende. Du wirst dort so freundlich empfangen. Und die Leute kommen aus dem richtigen Grund. Bewegt von der Musik.

Was dürfen die Leute denn von Ihnen und den drei anderen Jungs erwarten?

Die Leute sollen einfach kommen. Eine gute Zeit haben. Tanzen. Das ist, was wir mit der Band wollen. Charlie Hunter an der Gitarre, Drummer Corey Fonville und Keyboarder DJ Harrison sind ja auch dabei.

Tanzen und Spaß haben ist immer gut.

Das ist, was wir in diesen Tagen brauchen!

Gibt es noch Sachen, die im Vorfeld geschrieben werden müssen?

Ich freue mich, dort so gut wie ich kann zu singen. Lasst uns einfach einen schönen Abend haben.

In diesem Sinne besten Dank für das Gespräch und wir freuen uns auf den 28. April!

Die Freude ist ganz meinerseits!

Das vollständige Programm von JAZZ & BLUES OPEN gibt es hier: https://www.jazzandbluesopen.de/

Schlagworte:

Ähnliche Artikel: