„Die brennendste Frage des Tages überhaupt: … Wie werden wir wohnen, wie werden wir siedeln, welche Form des Gemeinwesens wollen wir erstreben?“
Staatliches Bauhaus Weimar, 1924
Ein Pionierprojekt der Moderne wird 100: Das Modellhaus Am Horn wurde 1923 zur ersten Bauhaus-Ausstellung errichtet. Hier präsentierten die Meister*innen und Schüler*innen der berühmten Designschule, wie sie sich zeitgemäßes Bauen und Wohnen vorstellten. Zunächst als „Bonbonschachtel“ oder „Haus für Marsbewohner“ denunziert und im Zuge von Weltwirtschaftskrise und Zweitem Weltkrieg in Vergessenheit geraten, entwickelte sich das Haus Am Horn zu einer Art Prototyp des deutschen Einfamilienhauses. Bis heute sprießen weiße Flachdach-Adaptionen des Klassikers in den Speckgürteln rund um deutsche Städte aus dem Boden. Mittlerweile gehört das Haus Am Horn zum UNESCO-Welterbe „Bauhaus und seine Stätten in Weimar, Dessau und Bernau“ und wurde im Jahr 2021 mit dem Europäischen Preis für Kulturerbe / Europa Nostra Award ausgezeichnet.
Zum Jubiläum des Haus Am Horn widmet die Klassik Stiftung Weimar ihr Jahresprogramm 2023 dem Thema Wohnen. Ausgehend von der Frage „Wie werden wir wohnen?“, die das Staatliche Bauhaus Weimar ins Zentrum seines Wirkens stellte, wird das einzigartige Ensemble historischer Wohnhäuser in Weimar in den Mittelpunkt gerückt: Von der Residenzkultur über Dichter- und Künstlerhäuser aus der Zeit um 1800 bis hin zu den avantgardistischen Bauten des belgischen Architekten Henry van de Velde und des Bauhaus-Meisters Georg Muche.
Davon ausgehend und vor dem Hintergrund eines anspruchsvollen Winters voller neuer politischer, gesellschaftlicher und auch persönlicher Erfahrungen richtet die Stiftung den Blick auf die Zukunft des Wohnens und Zusammenlebens, lädt ein zur Beschäftigung mit nachhaltigem Bauen und diskutiert Themen wie Verdrängung und Gentrifizierung. „Der Traum vom Einfamilienhaus ist ausgeträumt. Das Haus Am Horn für die bürgerliche Kleinfamilie im Industriezeitalter ist heute keine zukunftsweisende Antwort mehr. Die Bauhaus-Utopie sieht steinalt aus – und prägt in gesichtsloser Massenhaftigkeit unsere zersiedelte Umwelt dennoch munter weiter. Wohnungs- und Sozialpolitik, Kapitalmaximierung versus Klimaziele, Arbeiten im Wohnen, Armut...Die Klassik Stiftung Weimar liefert mit ihren Themenjahren brisanten Diskussionsstoff für Existenzfragen der Gegenwart“, so die Stiftungspräsidentin Ulrike Lorenz zur Wahl des Themenschwerpunkts 2023 und zur Eröffnung der Saison in Weimar.
Mit künstlerischen und kuratorischen Interventionen in den Häusern der Weimarer Klassik und der Moderne, der zentralen Ausstellung „Wege nach Utopia. Wohnen zwischen Sehnsucht und Krise“ im Bauhaus-Museum Weimar, dem Fotoprojekt „Wie Weimar wohnt“ im öffentlichen Raum und dem Wohnlabor vor dem Stadtschloss werden die gebauten und gestalteten (Wohn-)Formen unseres Seins von allen Seiten beleuchtet und zu den historischen Häusern in Beziehung gesetzt.
Wie sich Wohnen und Arbeiten in neuen Formen des Miteinanders gestalten und reproduzieren lassen, daran forschten bereits die Lehrenden und Studierenden des Bauhauses. Goethe war ein Meister des nachhaltigen Bauens im Bestand. Weimar mit seinem unvergleichlichen Schatz an Dichter- und Künstlerhäusern, seinen Wohn- und Arbeitsensembles und den Zeugnissen einer langen Tradition des Nachdenkens über Wohnkultur bietet eine Fülle an Musterbeispielen, Ideen und Plattformen für die Frage nach der Zukunft des Wohnens.
Was liegt näher, als das Nachdenken über die „brennendste Frage des Tages überhaupt…“ 2023 zur Hauptsache zu erklären?
Wie möchten wir zusammenleben? Auftakt mit Eröffnungswochenende
Denken Sie das Wohnen neu! Das viertägige Eröffnungswochenende vom 30. März bis 2. April 2023 verwandelt Weimar mit vielfältigen Kreativangeboten zu einem interaktiven Diskursraum. Künstlerische Performances, Live-Musik, eine Pop-up-Bar und Fassaden-Projektionen schaffen innerhalb des Quartiers der Moderne Begegnungsorte und schärfen den Blick für die umgebende Wohnarchitektur. Zahlreiche Ausstellungseröffnungen, Werkstattangebote für Groß und Klein sowie geführte Kurztouren und eine Matinee schaffen spannende Zugänge zu den politischen Dimensionen des Wohnens und dem Wohnalltag damals wie heute.
Mehr Informationen unter: www.klassik-stiftung.de/wohnen.