Krieg der Geister im Neuen Museum
Weimar als Symbolort deutscher Kultur um 1914
veröffentlicht am 04.08.2014 | Lesezeit: ca. 3 Min.
Das Gedenken an den Ausbruch des ersten weltumspannenden Krieges vor einem Jahrhundert nimmt die Klassik Stiftung Weimar zum Anlass für eine umfangreiche Schau, die sich mit der Rolle Weimars als „Hort der deutschen Kultur“ am Vorabend der Katastrophe und während des Großen Krieges befasst. Die Eliten der kriegsführenden Länder warfen sich in einen beispiellosen Krieg der Kulturen. Es wurde intellektuell aufgerüstet. Unter kulturgeschichtlichen Prämissen nimmt die Ausstellung in den Blick, wie Weimar wieder zum Symbolort deutscher Kultur wurde.
Protagonisten aus Weimar und Jena stehen im Fokus, darunter der Philosoph (und Literaturnobelpreisträger von 1908) Rudolf Eucken, der Zoologe und Freidenker Ernst Haeckel, der Kunstsammler, Mäzen und eifrige Tagebuchschreiber Harry Graf Kessler und die mit ihm eng befreundete Elisabeth Förster-Nietzsche, Friedrichs Schwester. Die Vielfalt der Weltanschauung – Nationalismus, Modernismus, Pazifismus, Neuidealismus – spiegelt ein ambivalentes Bild der Moderne. Weimar wurde zum „Herz Deutschlands“ erhoben. Das geistige Panorama der Zeit von der Jahrhundertwende bis zur Nationalversammlung von 1919 vermitteln erstmals gezeigte Exponate, die deutlich machen, wie Künstler, Literaten, Verleger, Politiker und auch regierende Fürsten nach Orientierung suchten. Zeitzeugnisse aus der Kunst-, Kultur- und Mentalitätsgeschichte machen den Facettenreichtum der Residenzstadt deutlich.
Es wird die noch immer aktuelle Frage nach einer deutschen Identität gestellt. Zur Ausstellung (Neues Museum, 1. August bis 9. November) erscheint ein umfassender Katalog. Das Rahmenprogramm wartet mit Führungen auf, mit Podiumsdiskussionen, Lesungen und Vorträgen, etwa mit Peter Sloterdijk und Manfred Osten. Im Stadtschloss Weimar gehen Führungen der Baugeschichte des 1914 unter Großherzog Wilhelm Ernst fertiggestellten Südflügels nach, während Exkursionen in der Stadt mit Justus Ulbricht die geistige Hochrüstung in Weimars Kulturtopographie erkunden. Als Vorbereitung auf die Ausstellung haben Schüler einen Medienguide entwickelt, der die Ambivalenzen der Moderne im Stadtraum verortet und öffentlich zugänglich macht. Über die Anwendung „Zeitfenster“ (www.zeitfenster-app.de) werden historische Fotografien mit den Originalschauplätzen verknüpft, wie sie sich heute darstellen: ein innovativer Zugang zur Geschichte, mit dem die Mehrfachbesetzung von Orten, Plätzen, Gebäuden herausgearbeitet werden kann.
Copyright Fotos:
Sascha-Schneider, Hohes-Sinnen, 1903, Klassik Stiftung Weimar