Wahren, schaffen, erleben
Das Richard-Wagner-Museum in neuem Gewand
veröffentlicht am 04.08.2014 | Lesezeit: ca. 6 Min.
Stillstand, heißt es, sei der Untergang der Kunst. So hat denn Richard Wagner in einem Brief vom September 1852 an seinen späteren Schwiegervater Franz Liszt ausgerufen: „Kinder, macht Neues! Neues! und abermals Neues!“ Und weiter: „Hängt Ihr Euch an’s Alte, so hat euch der Teufel der Inproduktivität, und Ihr seid die traurigsten Künstler!“ Daraus lässt sich schließen, dass der in Bayreuth omnipräsente Komponist sicherlich dem zeitgemäßen Erleben seiner Vita, seines Werkes und Wirkens, wie es die neue Ausstellung im erweiterten Richard-Wagner-Museum vorsieht, sein Placet gegeben hätte.
Wagners Wohnhaus Wahnfried, unmittelbar am Hofgarten gelegen, ist ein von einer mythischen Aura umgebener Symbolort deutscher (Kultur-)Geschichte. Das neben dem Nationalarchiv – die weltweit bedeutendste und größte Wagner-Sammlung am Briefen, Partituren, Autographen, biographischen Dokumenten – darin beheimatete Richard-Wagner-Museum soll nicht erstarren, sondern zu einem Ort der dem 21. Jahrhundert adäquaten Auseinandersetzung mit Wagner werden. Um dem Werk Wagners ein angemessenes Denkmal zu setzen, ist es das erklärte Ziel der Stadt Bayreuth und der Richard-Wagner-Stiftung, ein informatives und kulturell hochwertiges Museum auf der Höhe der Zeit entstehen zu lassen. Der Auftrag der Vermittlung kulturgeschichtlichen Wissens zur Vergegenwärtigung unserer kulturellen Wurzeln, unserer kulturellen Identität und damit eines verbindenden Gemeinsinns folgt der eingangs zitierten, zukunftsweisenden Forderung des Gesamtkunstwerk-Meisters: „Kinder, macht Neues!“
Das Motto „wahren. schaffen. erleben.“ nimmt Bezug auf die drei Teile der Museumserneuerung: Sanierung – Neubau – Neugestaltung. Jeder dieser Teile hat einen anderen zeitlichen und thematischen Schwerpunkt. Während sich der erste Punkt mit der baulich-technischen Sanierung von Haus Wahnfried dem Bewahren widmet, richtet sich der Fokus danach auf den Museumsneubau als äußerlich sichtbarer Ausdruck zukunftweisenden Schaffens sowie auf die neue Ausstellung als zeitgemäßem Erleben von Wagners Biographie und Œuvre.
Der Direktor des Richard-Wagner-Museums, Sven Friedrich, spricht von einem „auratischen Ort, der wie kein anderer mit Wagner verbunden“ sei. Friedrich liegt vor allem die Aufarbeitung der Rezeptions- und Ideologiegeschichte am Herzen, die es über verschiedenste Wege zu vermitteln gelte. Mehr noch als Goethe sei Wagner ein „Gesamtkulturphänomen“, gerade auch aufgrund der ideologischen Vereinnahmung (etwa durch die Nazis). Wagner sei ein historisches Objekt, das sich von seiner Rezeption gar nicht trennen lasse. „Ich kann Wagner nicht mehr hören“, stellt Friedrich klar, „als habe es Furtwängler nicht gegeben, ich kann seine Ästhetik nicht mehr wahrnehmen, als habe es Hitler nicht gegeben.“
Tatsächlich ist es ja noch heute so, dass Wagnerianer wie der Kritiker Joachim Kaiser, der Germanist Dieter Borchmeyer, der Dirigent Christian Thielemann den Antisemitismus ihres Idols wenn nicht abstreiten so doch herunterspielen und zur Bagatelle machen. Darauf hat im vergangenen Jubiläumsjahr der Urenkel Gottfried Wagner aufmerksam gemacht („Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Richard Wagner – Ein Minenfeld“. Berlin: Propyläen, 2013:S. 151ff.). Noch 1985 hatte Friedrichs Vorgänger, Manfred Eger, im Katalog zur Ausstellung „Wagner und die Juden“ behauptet, bei Wagners antisemitischen Aussagen handele es sich bloß um vereinzelte „Fehltritte“, um „schlechte Scherze“ und „böse Äußerungen“. Adorno aber hat 1952 in seinem „Versuch über Wagner“ festgehalten, dass dieser selbst den „Gedanken von der Vernichtung der Juden“ bereits konzipiert habe. Ein ums andere Mal hebt Wagner in der Schrift „Das Judenthum in der Musik“ (1850; stark erweitert 1869) das „unwillkürlich Abstoßende, welches die Persönlichkeit und das Wesen der Juden für uns hat“ und die „für uns widerliche Besonderheit der jüdischen Natur“ hervor.
Der Platzmangel in Wahnfried habe eine Erweiterung, einen Anbau, unumgänglich gemacht, erzählt Friedrich. Es gab einen langen Vorlauf, der unter anderem den baulichen Auflagen geschuldet ist: barrierefreier Zugang, Klimatisierung, Brandschutz. Zu ersten Planungen, allerdings noch nicht in dem jetzigen Umfang, kam es bereits 2001. Der Rohbau ist inzwischen fertiggestellt, mit dem Innenausbau hat man begonnen. Die Eröffnung ist für den kommenden Sommer geplant. Vorgesehen ist eine völlige Erneuerung der Dauerausstellung, die sich didaktisch und inhaltlich frisch aufbereitet präsentieren wird.
Friedrich befürwortet die exklusive Beschränkung der Bayreuther Festspiele auf das Werk Wagners, und er schätzt auch den auf Juli und August festgelegten Saisonbetrieb. „Für einen gläubigen Wagnerianer ist Bayreuth das, was für einen Moslem Mekka ist“, sagt Friedrich. Er sieht Bayreuth in der Pflicht, ein Ort der theatralischen Avantgarde zu sein. Die Debatte um die Werktreue tut der Museumsdirektor als albern ab und fragt, was das denn eigentlich sei, Werktreue. Tradition bilde sich nur aus Innovation heraus. Und auch Friedrich erinnert an Wagners Wort, Neues zu machen: „Theater entsteht immer nur aus der Gegenwart, ob es einem gefällt oder nicht.“
Der flachgehaltene Neubau soll eine moderne, eine eigenständige architektonische Geste formulieren. Viel Glas ist verarbeitet worden, die Erweiterung wirkt sehr offen und ist ausgerichtet auf den Park, den Hofgarten. Für die Neugestaltung zeichnen die staab-Architekten aus Berlin verantwortlich. Die neue Bebauung soll die historische Gartenbegrenzung wieder erlebbar machen. Die Besucher erwartet eine Raumchoreographie, die die vorhandenen Elemente Allee, Vorplatz und Garten stärkt und in Szene setzt. Und im Inneren sollen die neugestalteten Museumsräume die Exponate mit Wucht wirken lassen. Darüber hätte sich der Monomane Wagner gewiss gefreut.
Copyright Fotos: © Richard-Wagner-Museum, Bayreuth