Szene

Bavarian Brass

Bayernpop - Neue bayrische Volksmusik!?

veröffentlicht am 26.09.2012 | Lesezeit: ca. 9 Min.

Deutsche Texte zu Rockmusik kennt man schon seit den 50er Jahren, aber dass junge Bands in Bayern ganz selbstverständlich Dialekt singen, ist relativ neu. Nicht zu übersehen ist das Gros der Bands mit so illustren Namen wie Blassportgruppe, Donnerbalkan, Ziehgäuner, Moop Mama oder Kofelgschroa – gleichermaßen gefeiert von Fans und Medien. Und wie bei der Neuen Deutschen Welle zu Beginn der 80er Jahre, wird es da immer schwieriger den Überblick zu behalten. Art5drei-Autor Frank Keil gibt Tipps aus der modernen Volksmusik-Szene.

Django 3000. Was auf den ersten Blick wie ein 60er Jahre Italo-Western anmutet, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein smartes Quartett aus dem Chiemgau, dass seine Heimat bei Südpolmusic gefunden hat. „Django nimmt natürlich ganz klar Bezug auf Django Reinhardt, den weltberühmten Gypsy Swing-Gitarristen“ erklärt Sänger/Gitarrist Kamil Müller auf die Frage nach dem Bandnamen. „Und die 3000 nimmt das Ganze dann mit in die Moderne. Zigeuner-Musik ist einer unserer größten Einflüsse, aber wir verpacken das Ganze sehr zeitgemäß und tanzbar, denn wir wollen ein junges bzw. jung gebliebenes Publikum erreichen.“

Und so stürmen die Oberbayern derzeit mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum die deutschen Charts und Bühnen. Erstaunlich, denn man kennt sich schon lange und macht seit über 10 Jahren in wechselnden Besetzungen Musik. Doch erst die bayerische Sprache in perfekter Ergänzung zu Balkan Beats und Rock´n Roll brachte den Durchbruch. Den haben sich Django 3000 vor allem live erspielt. „Die Arbeit im Studio hat Spass gemacht, aber für uns sind die Liveauftritte das Allerwichtigste. Der direkte Kontakt zum Publikum, die Energie auf der Bühne, dafür leben wir. Was dort besteht, hat später auch die Chance auf eine CD zu kommen.“

Diese bietet aktuell 12 Titel, vom Opener „Zeit Fia Ois“ bis hin zum Szene-Hit „Heidi“, der als reguläre und als Wirtshaus-Version vertreten ist. Mittlerweile ist man auch im Ausland auf die Jungs aufmerksam geworden, im Zuge des renommierten Comenius Regio-Projekts ging es kürzlich nach Ungarn, wo man jede Menge neue Inspirationen sammeln konnte. Und ab Oktober sind die Jungs dann wieder auf Tournee, wahlweise im Vorprogramm von Los Colorados oder mit eigenem Support. „Parallel dazu wird natürlich fleißig komponiert, zur Abwechslung gibt es auch mal einen Song auf Russisch, Englisch oder Hochdeutsch. Wir machen auch in Zukunft einfach, worauf wir Lust haben“ fügt Kamil abschliessend an.

Auf bayrische Lyrics setzen auch HoAß, die ihrem ´Mix aus Bärwurz und Bourbon made in Oberpfalz´ vor allem Rockmusik hinzufügen. Sänger Dominik, Gitarrist Sir Tilo, Bassist Big Tony (der das Debütalbum produziert hat) und Schlagzeuger Little Chris sind schon annähernd 15 Jahre zusammen aktiv, einen Namen haben sich HoAß dabei zunächst als Coverband im Mainstream zwischen AC/DC und Guns N´ Roses erspielt. Persönlich und musikalisch zusammen gewachsen, gelang ihnen mit „Fassl voll Bier“, einer Party-Version des Boney M.-Klassikers „Rivers Of Babylon“ 2010 der Oktoberfesthit für die Jubiläumswiesn in München.

Doch abseits von Bierzelt-Romantik und Nostalgie schreiben die in Regensburg, Cham und München ansässigen Musiker auch eigene Songs. 11 davon sind auf dem gleichnamigen Debüt (BSC Music/RTD) gelandet, die Single „Summa“ bzw. das augernzwinkende „Saupreiß“ haben sich zu Dauerbrennern bei den Fans entwickelt. „Volksmusik findet bei uns überhaupt nicht statt, wir machen Partyrock mit bayrischen Texten. Wer zu uns kommt, soll danach nicht von der Brücke springen, sondern eine tolle Zeit mit einer unterhaltsamen Band auf den Weg nach Hause mitnehmen“ erläutert Gitarrist Sir Tilo. Also gibt es zwei Sets, je nach Veranstaltung und Publikum, man hat sich arrangiert. Und der obligatorische Ausflug zum Oktoberfest 2012 stet für HoAß natürlich auch wieder auf dem Programm, denn dort nahm ihre Kariere ja einen ganz besonderen Lauf.

Im Gegensatz zu HoAß mögen und machen sie Volksmusik, bzw. Volxmusik: Das Kellerkommando aus Bamberg. Sechs der sieben Gründungsmitglieder sind seit dem Jahr 2009 dabei, Rapper Ali As aus dem Samy Deluxe-Umfeld seit Herbst 2010. Laut Sänger/Akkordeonist David Saam „sind alle aber schon länger professionelle Musiker und auch in anderen Projekten aktiv.“

Er selber z.B. bei Boxgalopp, als Organisator des Antistadl im Morph Club sowie als Protagonist des Musik-Dokumentarfilms „Sound of Heimat“, den der neuseeländische Musiker Hayden Chisholm drehte und der derzeit in ausgewählten deutschen Kinos aufgeführt wird. So prallen beim Kellerkommando also reichlich Gegensätze aufeinander, traditionelle fränkische Volksmusik, urbane Hip Hop-Beats, Ska, Klezmer und Balkan-Einflüsse. Zum Akkordeon sowie den klassisch in einer Blaskapelle geschulten Trompeten und Posaunen gesellen sich Schlagzeug, Bass, Gitarre und Keyboard. Die Musik ist seit Beginn bei Fans und Medien gleichermaßen gut angekommen, nicht weiter verwunderlich also, dass Four Artists, die VW Soundfoundation, Wanderlust Entertainment und Warner Music ihr Interesse an einer Zusammenarbeit mit der Band konkretisierten.

„Die aktuelle Besetzung hat gemeinsam die EP ´Mondscheinbrüder´ eingespielt, neben den Traditionals ´Hautn Runter´und ´Trixxer´ gibt es vier Titel von uns zu hören“ erläutert David Saam. Das der Mix aus Vergangenheit und Gegenwart durchaus Zukunft hat, beweisen Kellerkommando auch auf der Bühne. „Zu den absoluten Höhepunkten zählten die Show in Guadalajara/Mexiko via Goethe-Institut vor ca. 3.000 Besucherinnen, die uns als internationale Popstars gefeiert haben und der Auftritt beim Bardentreffen in Nürnberg vor ca. 5000 Personen. Als die zusammen ´Aijaijai, die Gaaß is gfreggd´gesungen haben – uff.“ Da ist Pause verständlicherweise ein Fremdwort für das Septett. Das Debüt-Album wird gerade aufgenommen und kommt im Frühjahr 2013, im Herbst steht zunächst eine Clubtournee auf dem Programm sowie ein weiterer Videodreh. Und so sehen sie sich eher als fränkische Außenseiter innerhalb der ´neuen bayrischen Szene´, denn „das Kellerkommando ist für alle da!“

Dies sind LaBrassBanda, ein Quintett aus Oberbayern, definitiv schon länger. Sie sind die Stars einer Szene, zu der eigentlich keiner so direkt gehören will. 2007 gegründet, spielten sie bis 2011 rund 500 Konzerte weltweit, gemäß ihrem Motto: ´Bayrisch funktioniert international!´ Der Abschluss dieser Tournee zum zweiten Studioalbum „Übersee“ (2009) gerät für die Gruppe zum phänomenalen Höhepunkt. In der ausverkauften Münchner Olympiahalle rocken sie im vergangenen Dezember mit 12.000 begeisterten Fans und nehmen dabei das aktuelle „Live“-Album (Trikont/Indigo) auf. Die Pause 2012 wurde nur unterbrochen von fünf Festival-Shows und ihrem Auftritt als Sonntags-Headliner beim 18. Chiemsee Reggae Summer, wo mir Sänger/Trompeter Stefan Dettl noch kurz vor dem Heimspiel einige Fragen beantwortete.

Als Blasmusikkapelle um die Welt und in die Charts, welches Erfolgsgeheimnis steckt dahinter? „Vier von uns, Tuba, Posaune, Schlagzeug und Trompete haben Klassik oder Jazz studiert, der Bass kommt aus der elektronischen Musik. Besonders der Klassik-Bereich hat uns damals zu wenig Perspektive geboten und so hatte ich die Idee, die bayrische Sprache mit dieser außergewöhnlichen Instrumentierung zu kombinieren.“

Mit dem Münchner Trikont-Label (u.a. Hans Söllner) fand man schnell einen kongenialen Partner um die unterschiedlichen musikalischen Interessen und Biographien für das Debüt „Habedieehre“ (2008) zu bündeln. „Rückblickend reiht sich ein Höhepunkt an den anderen, aber es steckte auch jede Menge harter Arbeit in der ganzen Sache. Unsere Fahrt zum Endspiel der Fußball-EM in Wien 2008 mit Mopeds und Traktor inkl. Anhängerbühne, Shows in Russland und Simbabwe, die DVD aus dem Circus Krone bis hin zum zweiten Album ´Übersee´ (2009) – es lief alles perfekt, wir haben unglaublich viel auf der Bühne gestanden, aber trotzdem ist man vom riesigen Erfolg doch ein wenig überrascht.“ Stefan Dettl, im Gespräch sympathisch und bescheiden, trotz Kultstatus, den LaBrassBanda mittlerweile dank Hits wie „Schuikalier“, „Hostasned“ oder „Bauersbua“ geniessen. So kündigt er denn nahe seines Heimatorts an, dass LaBrassBanda im nächsten Jahr ein neues Studio-Album veröffentlichen werden.

„Die Aufnahmen dazu werden in Kürze in unserem eigenen kleinen Studio beginnen, sie sind Grundlage zu einem komplett neuen Programm. In Bayern werden wir uns trotzdem rar machen, eines der wenigen Konzerte wird am 06.07.13 auf dem Hochschloss Stein an der Traun stattfinden.“ Und was macht er, wenn er mal nicht ´Blos´n bis Blut spritzt´ tut, wie es eine SZ-Kollegin so drastisch formulierte. „Ich werde einen kleinen Club eröffnen, für 99 Personen, der ist musikalisch offen für alle Richtungen. Dabei unterstützen mich meine beiden WG-Mitbewohnerinnen.“ Und da gibt es dann sicher auch jede Menge Neues zu entdecken...

Informationen:

Weiterführende Links und Konzert-Tipps:

Django 3000

03. Oktober 2012

Bamberg/Live Club

Kellerkommando

03. November 2012

Ansbach/Kammerspiele

www.django3000.de

www.hoass.de

www.kellerkommando.com

www.labrassbanda.com

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