Szene

Helmut Schleich kommt gleich zweimal nach Franken

„Wo der Spaß aufhört, da fängt der Humor an“

veröffentlicht am 28.09.2023 | Lesezeit: ca. 9 Min. | von Andreas Bär

Das kann man so nicht sagen. Sagt Helmut Schleich

Das kann man so nicht sagen. Sagt Helmut Schleich, Foto © PR

Helmut Schleich ist einer derer, die das bayerische Kabarett seit vielen Jahren prägen. Mal stilvoll, mal zotig, aber immer ehrlich. Gleich dreimal gibt sich der gebürtige Schongauer im November in hiesigen Gefilden die Ehre. Mit seinem „Das kann man so nicht sagen“-Programm gastiert er im Rahmen des Comedy-Herbstes am 5. November im Bayreuther Zentrum und am 17. November im Bockshorn in Würzburg. Im Vorfeld seiner fränkischen Gastspiele haben wir uns mit ihm, der nicht nur als Parodist großartige Kunstfiguren geschaffen hat, sondern auch als "echter" Helmut Schleich mitunter grandiose Sequenzen kreeirt, unterhalten. Und der hält auch im Vorfeld seiner kommenden Tournee nicht mit kritischen Worten hinter dem Berg. Das Interview, einige Wochen vor der bayerischen Landtagswahl geführt, zeigt einmal mehr die Schleichsche Denkweise. Der 56-jährige Kabarettist aus Leidenschaft hat derzeit das Problem, das viele seiner Kollegen und Kolleginnen umtreibt: Kabarett lebt von Übertreibung und Provokation. Nicht wenige altgediente politische Parodisten haben dabei ein schwer zu bewerkstelligendes Problem: Die politischen Macher, egal welcher Partie angehörend, tun alles dafür, diesen Job selbst zu erledigen. Die dem Kabarett zugespielten Bälle sind mitunter allerdings durchaus grandioser Natur. Schleich gefällt das. Auch wenn es ihm auf der anderen Seite nicht gefällt. Aber auch was Kollegen und Kolleginnen betrifft, findet der Oberbayer deutliche Worte.

Hallo Helmut Schleich. Nett, dass Sie sich inmitten der Sommer- und Ihrer Urlaubszeit ein paar Minuten Zeit nehmen. Wie läuft die schöpferische Pause denn soweit?

Danke bestens. Abstand schärft den Blick.

Dann wollen wir Ihre freien Tage gar nicht so arg beanspruchen. Lassen Sie mich raten. Die sind sowieso damit vollgepackt, neue Geschichten und Geschichtla zu schreiben. Schließlich ist ja Wahlkampf in Bayern. Besser geht es für Kabarettisten doch eigentlich gar nicht.

Freie Tage sind freie Tage. Natürlich bekomme ich mit, was in Bayern so läuft und was die Medien daraus machen. Unseren einäugigen Kanzler eingeschlossen.

Wer imponiert Ihnen da gerade am meisten? So aus der Sicht ihres alter Egos Franz Josef Strauß heraus betrachtet vielleicht. Ministerpräsident Markus Söder bekommt ja gerade massive Konkurrenz. Von links, von rechts, von oben und von unten, so scheint es. Für Sie muss das doch vergleichbar sein mit einem Japaner oder auch einem Oberfranken, der die Wiesn herbeisehnt? Quasi das Paradies auf Erden.

Die CSU plakatiert ja im Wahlkampf gerade Strauß, habe ich gesehen. Das ist 35 Jahre nach seinem Tod schon sehr skurril. Noch dazu mit einem Zitat gegen „Rechts“ quasi als Kronzeuge des Antifaschismus der CSU. Da gibt es freilich auch andere Zitate vom großen Vorsitzenden. In Richtung Söder/Aiwanger gemünzt etwa dieses: „Mit seinen Hilfstruppen darf man nicht zimperlich sein.“ Das plakatiert komischerweise niemand.

Wie sehr prägt Strauß eigentlich Schleich? Ertappen Sie sich auch privat, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - eher Strauß als Schleich sind?

Das gab es, ja, am Anfang, damals zum Nockherberg 2010, als „mein“ Strauß Wiederauferstehung feierte. Heute ist es in mir etwas ruhiger um ihn geworden aber ab und zu packt er mich schon. Dieser Strauß’sche Dreiklang aus Vitalität, Brutalität und Sentimentalität ist einfach wunderbar kabarettabel.

Gut, das wäre irgendwie ja auch schlimm. Man stelle sich das vor. Sie persönlich haben ja ganz neue Seiten an sich entdeckt. Das Interview mit Nancy Faeser fand ich persönlich grandios. Gibt es eigentlich noch Politiker, die Sie gern in ihr Portfolio aufnehmen würden? Oder bleibt es dabei, dass FJS der einzige ist, der "zusammen" mit Ihnen auf der Bühne stehen darf, wie zuletzt?

Politiker, die ich gern…? Sie scherzen. Lauterbach, der schöne Habeck, die dem Moralapostel Böhmermann Glauben schenkende Faeser, unsere Bundesaußenministerin Baerbock, die Deutsch als erste Fremdsprache spricht. Unser Kanzler gar. Parodie lebt von der Überhöhung. Das ist da ja kaum noch möglich.

Aber lassen Sie uns weg von der Politik kommen. Irgendwie auch hin zur Politik. Kürzlich habe ich ein Interview von und mit Michael Mittermeier gelesen. Mit einer bemerkenswerten Randnotiz. Er hat festgestellt, dass die Corona-Zwangspause dem Showgeschäft nicht zuträglich war. Der Comedy- und Kabarett-Szene, dabei insbesondere auch den jungen Akteuren, sehr wohl. Er will bemerkt haben, dass die Hallen seit dem kulturellen Re-Start besser gefüllt wären als sie es vorher waren. Auch dank TikTok, Instagram und Facebook, da man über die sozialen Plattformen die Leute abholen konnte. Eine Beobachtung die Sie teilen können? Und wenn ja: Wie ist das rationell erklärbar?

Wenn das der Kollege Mittermeier für sich so erlebt, ist das schön für ihn. Er sollte aber dringend davon Abstand nehmen, sein Erleben an dieser Stelle zu verallgemeinern. Es gibt nach wie vor viele Kollegen, die weniger Zuschauer haben als vor Corona und auch Bühnen und Veranstalter, die es schwer haben. Das hat mit der enormen Kommerzialisierung zu tun, die die Unterhaltungswelt in der Zeit der Corona- Maßnahmen erfahren hat. Dass die Comedy-Maschine hier ganze Arbeit geleistet hat, steht außer Zweifel. Zu Lasten der Tiefe und des Provokativen.

Bleibt da dann nicht Qualität auf der Strecke? Oder selektieren die Leute schon noch aus, wen sie sehen wollen? Die Riege der jungen (und guten) Nachwuchskabarettisten ist ja durchaus lang.

Die Liste wird umso länger, je mehr sich Comedian als Berufsbild darstellt. Welche Witze oder Themen muss ich bespielen um meine Verdienst- und Karrieremöglichkeiten ideal zu nutzen. Das steht im Fokus.

Noch einmal auf Mittermeier zurückkommend. Ich oute mich jetzt einfach mal. Bully Herbigs Format „LOL“ ist in meinen Augen die grandioseste Idee eines per se schon grandiosen Kerls, der die deutsche Comedy noch einmal auf ein neues Level gehievt hat. Zehn urwitzige Menschen auf einem Raum und keiner darf lachen, will er die Show gewinnen. Mittermeier sagte einmal, dass sechs Stunden dort in diesem Raum wie eine Psychotherapie sind. Weil es dich komplett auf den Boden zurückbringt. Hand aufs Herz. Sind Sie traurig, dass Bully Sie bislang noch nicht gefragt hat, ob sie dabei sein wollen? Oder sind Sie jemand, der LOL nicht mag?

Ich habe ein Leben abseits der Bühne, eine große Familie. Da brauche ich keine TV- Show um auf den Boden zurückzukommen. Unfreiwillig und nebenbei zeigt die Show den derzeitigen Umgang der Deutschen mit Humor im echten Leben. Man darf über so vieles nicht mehr lachen - nur dumm, dass man muss.

Wer ist eigentlich Ihr großes Vorbild auf den Kabarettbühnen? Comedy in dem Sinne gab es ja noch nicht, als Sie jung waren und selber auf den Bühnen der Republik gelandet sind.

Das bayerische Kabarett hat eine lange Geschichte. Die hat auch mich stark geprägt. Die Vorbilder reichen von Karl Valentin über Herbert Achternbusch bis zu Polt. Dieser gab mir in den 80ern mit seiner TV- Satire „Fast wia im richtigen Leben“ den Anstoß Kabarett zu machen.

Weil wir es gerade über altgediente Komiker und Kabarettisten haben. Verfolgen Sie eigentlich die Diskussion um Warnungen von Fernsehsendern über eventuell nicht mehr zeitgemäße Witze von Otto Waalkes und Harald Schmidt. Um zwei zu nennen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und anscheinend doch so ähnlich.

Im Fernsehen hat Kabarett derzeit die Wahl zwischen politischer Zuverlässigkeit und Warnhinweisen. Beides ist meine Sache nicht. Das ÖR-Fernsehen tut sich mit seinem Erzieher-Gebaren da auch keinen Gefallen.

Und? Können Sie da noch drüber lachen oder müssen Sie da schon weinen?

Es ist ja leider seit einiger Zeit sogar Mode geworden, dass Kabarett-Kollegen die sich selbst als links oder woke verorten, glauben, über Kollegen, die das nicht tun, öffentlich herfallen zu dürfen. Ausschließlich öffentlich wohlgemerkt. Nicht, wie man das im Kollegenkreis erwarten würde, im persönlichen Gespräch. Vermutlich versprechen sie sich dadurch Bonus-Punkte bei ihrem (social-media)-Publikum.

Irgendwie landen wir dann ja wieder bei Strauß. Hatten Sie schon die Gelegenheit, gedanklich mit ihm über die heutige Zeit zu plaudern - also rein hypothetisch versteht sich.

Ich antworte mit einem Satz aus dem legendären Promille-Interview von Strauß am Abend der Bundestagswahl 1987: „Das Gegenteil wäre mir völlig neu.“

Jetzt ist ihr Humor auch nicht sonderlich zimperlich. Macht man sich da Gedanken drüber, ob man diese oder jene Pointe jetzt eigentlich (noch) bringen kann. Oder dürfen Comedy und Satire immer noch alles und vor allem überspitzt und damit gerne auch einmal richtig böse sein?

Satire muss vor allem frei sein. Der Spott richtet sich gegen alle, die auffallen. Oder um es mit dem großen Werner Finck zu sagen: „Wo der Spaß aufhört, da fängt der Humor an.“

Ganz kurz noch. Bevor ich es vergesse. Was ist eigentlich aus der Republik Mbongalo geworden? Gibt es Maxwell Strauß und dessen fiktives Land noch? Oder war die Figur am Ende doch zuviel Aneignung anderer Kulturen? Stichwort: Blackfacing?

Selbstverständlich ist Maxwell Strauß noch Präsident der freien Volksrepublik Mbongalo. Er wurde im Juli sogar mit einem sensationellen Stimmenanteil von 103,8% wiedergewählt. Er tritt halt nur nicht mehr im BR auf. Möchte er auch nicht mehr. Dass man ihm in der Heimat seines Vaters FJS aufgrund seiner Hautfarbe mit solch heftigen ablehnenden Reaktion begegnet ist, hat ihn zutiefst empört.

Das kann man so nicht sagen. Könnte man sagen. Ein, wie ich finde, übrigens sehr charmantes Titelthema in der heutigen Zeit. Darf man das noch sagen?

Ich darf das. Noch.

Was erwartet die Leute denn noch so an einem Abend mit Ihnen? Oder anders gefragt: Was würde Helmut Schleich denn animieren, einen Auftritt von Helmut Schleich zu besuchen, wäre er selbst nicht Helmut Schleich?

Da kommt einer, der sich lustig macht. Gnadenlos. Ich empfehle mich.

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