Dem Richtigen für das Richtige zur richtigen Zeit
Neue Gesichter in der Jury, die über die Kulturpreise der Stadt Bamberg befindet
veröffentlicht am 29.09.2014 | Lesezeit: ca. 10 Min.
Der ETA-Hoffmann-Preis der Stadt Bamberg wurde im Jahre 1989 zum ersten Male vergeben (an Hans Wollschläger) und zeichnete zuletzt (2012) den Musikverein Bamberg aus. Seit 1992 wird er im zweijährigen turnusmäßigen Wechsel mit dem Kulturförderpreis der Stadt ausgelobt. Die Kriterien für die beiden Auszeichnungen, festgelegt im Bamberger Stadtrecht, lesen sich wie folgt: „Der ETA-Hoffmann-Preis wird an natürliche oder juristische Personen oder an Gruppen verliehen, die sich durch ihr literarisches, musikalisches, bildnerisches oder sonstiges künstlerisches Schaffen und Wirken verdient gemacht haben und dem Anspruch, der mit dem Namen E.T.A. Hoffmann verbunden ist, gerecht werden“ … „Der Kultur-Förderpreis wird verliehen an … Personen oder Gruppen, die durch ihre innovativen Aktivitäten das kulturelle Angebot in und für Bamberg bereichert haben, oder an junge Künstlerinnen und Künstler, die eine besondere Förderung verdienen und durch ihr Leben oder ihre Arbeit mit Bamberg verbunden sind“. Soweit die Maßstäbe - doch wer ist befugt, sie anzuwenden und zur Kandidatenkür anzutreten?
Die Jury für die Auswahl der Preisträger(innen) ist geradezu ideal zusammengesetzt, versammelt sie doch Fachleute aller Sparten. Die Bildenden Künste sind durch Repräsentanten des oberfränkischen Berufsverbandes und des Bamberger Kunstvereins gleich zwiefach vertreten, die Musik durch den Musikverein Bamberg und die Literatur durch den Fachwissenschaftler der ortsansässigen Universität. Quasi für alles zuständig und daher ebenfalls mit Sitz und Stimme vertreten ist das Internationale Künstlerhaus des Freistaats Bayern. Lassen wir sie im Folgenden zu Wort kommen, um Ihre Kriterien oder Präferenzen kennen zu lernen.
Hält man sich dabei streng an das Alphabet, so ist zuallererst Nora Gomringer an der Reihe. Die Künstlerhauschefin kann in diesem Gremium fast als „Doyenne“ durchgehen, denn sie ist bereits seit einigen Jahren dabei. Ihr Statement - originell wie immer – übernehmen wir gerne wörtlich: „Eine Stadt wie Bamberg tut wohl daran, einen Preis nach ihrem berühmtesten Literaten zu benennen. Dazu ist es noch ein Preis, der – wie sein Namensgeber – verschiedenen Künsten Aufmerksamkeit zu Teil werden lassen möchte. Seit ein paar Jahren bin ich in der Jury und freue mich immer an unseren Preisträgerinnen und Preisträgern, die für ihre kulturelle Leistung für und innerhalb Bambergs ausgezeichnet werden, aber in der Regel weit über Bamberg hinaus Bekanntheit erreicht haben. Ganz wie der Namensvetter selbst... Wie in jeder Stadt von Bamberger Größe stehen eine Reihe von Kulturschaffenden schon lange auf der Liste der Preiswürdigen und einige davon werden immer wieder diskutiert, was allein eine anregende Sache ist, weil man wieder einmal erinnert wird an die Vielfalt der Kulturlandschaft. Jeder in der Jury hat Favoriten, doch immer wieder gelingen einstimmig angenommene Lösungen. Der Preis – und alle wissen, dass jeder Preis per se stets den Falschen für das Falsche zur falschen Zeit übergeben wird – trifft oft doch die oder den Richtigen des Augenblicks. Im Sinne E.T.A. Hoffmanns ist es hoffentlich, dass viele Preisträgerinnen und Preisträger dafür belohnt werden, dass sie über einen langen Zeitraum der Stadt und ihrem kulturellen Leben verbunden waren, den oft kunstfernen Argumenten der Mitmenschen trotzend und ganz entgegen des Hoffmann‘schen Satzes: Des Menschen Wille ist ein gebrechliches Ding, oft knickt ihn ein daherziehendes Lüftchen.“ Soweit Nora Gomringer. Das Bonmot mit dem „Falschen für das Falsche zur falschen Zeit“ nehmen wir übrigens so augenzwinkernd zur Kenntnis, wie es wohl von der Prinzipalin der Villa Concordia gemeint ist, konzediert sie doch flugs danach, dass in Bamberg oft genug der/die Richtige für das Richtige zur richtigen Zeit ausgewählt wurde.
Das Alphabet führt uns nach dieser ersten Stellungnahme zu Barbara Kahle, der Vorsitzenden des Kunstvereins, die in und aufgrund dieser Stellung seit 2010 Mitglied der Kunstpreisjury Bambergs ist. Da der Kunstverein, der erst kürzlich in der ‚Süddeutschen Zeitung‘ prominent porträtiert wurde, seinen Schwerpunkt bekanntermaßen in der zeitgenössischen Bildenden Kunst hat, wacht Barbara Kahle naturgemäß darüber, dass dieser Bereich in angemessener Weise Berücksichtigung bei der Preisträgerauswahl findet. Allerdings betont sie, dass ihr die Forderung nach einem „turnusmäßigen Wechsel innerhalb der Sparten“ fern liege. Wichtig sei vielmehr, unter den Kulturschaffenden diejenigen herauszufinden, die sich wirklich verdient gemacht hätten, laut oder leise, öffentlich oder im Verborgenen. Dass es angesichts getroffener Entscheidungen auch bisweilen von Neid geprägte Reaktionen derjenigen gebe, die sich längst als auserwählungswürdig wähnten, leugnet sie nicht und fügt hinzu, oft genug und vernehmlich deren lautes Hufescharren zu vernehmen. Für Barbara Kahle ist es selbstredend sinnvoll, zwischen dem ETA-Hoffmann-Preis - der sicherlich eher die langjährig Engagierten hervorhebe und eine wichtige öffentliche Form des Dankes an verdienstvolle Persönlichkeiten oder Institutionen sei – und dem alternierend vergebenen Kulturförderpreis zu unterscheiden. Dieser biete die Möglichkeit, neues kreatives Engagement zu unterstützen. An die Juroren – und damit an sich selber – appelliert die Kunstvereinsvorsitzende, diesbezüglich noch etwas mehr Mut zu zeigen und beispielsweise die alternative Kulturszene stärker wahrzunehmen und einzubeziehen. In diesem Zusammenhang betont sie ihre besondere Freude darüber, dass gerade ein neues Förderstipendium für regionale Künstler dazu gekommen ist.
In der Literatursparte kommen wir bei Friedhelm Marx an und damit beim Lehrstuhlinhaber für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Bamberg. Der Nachfolger Wulf Segebrechts ist neu in der Jury, hat aber als Literaturprofessor schon sehr genaue, weil dezidiert auf E.T.A. Hoffmann abhebende Vorstellungen bezüglich der Auswahlkriterien. Für ihn honoriert der ETA-Hoffmann-Preis „die kreative Rezeption, Fortschreibung, Erforschung oder Vermittlung des Hoffmannschen Werkes“ und hält damit die Erinnerung an den berühmtesten „Bamberger Künstler“ wach. Dessen vielseitiges „literarisches, musikalisches, graphisches und theatralisches Talent“ biete ja Anknüpfungspunkte in alle denkbaren Richtungen. Bezüglich des zu beanspruchenden Niveaus bei der Vergabe legt der Germanistikprofessor die Latte hoch: Voraussetzung sei die Anknüpfung an das künstlerische Niveau E.T.A. Hoffmanns und eine Wahrnehmung nicht nur regionaler, sondern auch überregionaler Reichweite. Friedhelm Marx betont mit Blick auf den Kultur-Förderpreis, dass es ihm um die Unterstützung junger und innovativer Künstlerinnen und Künstler oder einzigartiger Kulturprojekte seitens der Stadt zu tun sei. Damit erhalte ein vitaler Teil des Bamberger Kulturlebens Aufmerksamkeit und finanzielle Unterstützung, der sonst womöglich „in den Schlagschatten der großen Kulturinstutionen“ geriete.
Mit dem Buchstaben P gelangen wir zum traditionsbeladenen, weil ebenfalls fast in den Zeiten E.T.A. Hoffmanns gründenden Musikverein Bamberg. Dessen Vorsitzende, ebenfalls Novizin in der Jury, heißt nämlich seit 20 Jahren Andrea Paletta und ist überdies am ETA-Hoffmann-Gymnasium beschäftigt. Damit nicht genug der Hoffmann-Bezüge: Der Musikverein ist der aktuelle Träger des (großen) ETA-Hoffmann-Preises, der im November 2012 während einer Feierstunde im ETA-Hoffmann-Theater an die Vorsitzende übergeben wurde. Die überregionale Bedeutung dieses Vereins, der seinerzeit auch maßgeblich als Geburtshelfer der Bamberger Symphoniker mitwirkte, wurde unterstrichen durch die laudatorische Präsenz des Bayerischen Rundfunks. Andrea Paletta legt – sicherlich mit Bezug auf ihr eigenes Engagement – großen Wert auf die ehrenamtliche Komponente bei der Preisträgersuche. Sicherlich habe es in der Vergangenheit wichtige und höchst gerechtfertigte Preisverleihungen an Persönlichkeiten gegeben, die auf ihrem ureigensten beruflichen Gebiet oder aus ihrem beruflichen Umfeld heraus Bedeutendes für Bamberg geleistet hätten. Die Uneigennützigkeit sei ihr aber im Zweifelsfall ein ganz entscheidendes Kriterium.
Die Runde der fünf vom Stadtrat ausgewählten Jurymitglieder schließt sich beim Buchstaben S mit Gerhard Schlötzer, dem Vorsitzenden des Berufsverbandes Bildender Künstler in Oberfranken, der betont wissen möchte, dass er nicht mit seiner Privatmeinung in das Vergabegremium geladen sei, sondern quasi ein imperatives Mandat jener Organisation habe, die er vertrete, also des BBK Oberfranken. Dort seien in der Vorstandschaft immer wieder die Kriterien sowie mögliche Empfängernamen diskutiert worden. Gerhard Schlötzer legt Wert auf die Feststellung, dass er keinesfalls zwangsläufig Bildende Künstler und Organisationen, die sich für die Förderung der Bildenden Künste zuständig fühlen, favorisieren würde. Gerade die zurückliegenden Preisvergaben an den Musikverein Bamberg und die Sommeroper Bamberg (Kulturförderpreis) zeigen seiner Meinung nach in die richtige Richtung, weil sie ein Kulturengagement belohnen, das längst ein beeindruckendes Durchhaltevermögen unter Beweis gestellt habe, also – modern gesprochen – „nachhaltig“ sei. Insofern dürften diese Auszeichnungen auch als Ansporn im Sinne eines „Weiter so!“ verstanden werden. Für den BBK-Vorsitzenden besitzt der ETA-Hoffmann-Preis eine stärker ehrende Komponente, während der Kulturförderpreis sein Ziel schon im Namen trägt. Beide sollten jedoch hauptsächlich an Akteure verliehen werden, die in dieser Stadt und für diese Stadt und ihre Bürger wirken. Bei der konkreten Suche nach geeigneten Empfängern will Gerhard Schlötzer „eine gewisse Kunstspartengerechtigkeit immer im Hinterkopf behalten“ und versuchen, „mehr nach Wirkung als nach Ehre zu entscheiden“.
Soweit die Einlassungen der Jurorinnen und Juroren, die sich in unseren Gesprächen wohlweislich gehütet haben, die Namen irgendwelcher Preisverdächtiger zu nennen. Natürlich gibt es seitens der Stadt noch ein sechstes Jurymitglied, das zugleich dessen Vorsitzender ist: den zuständigen Kulturbürgermeister. Christian Lange werden wir befragen, wenn er die nächste Sitzung des Gremiums, die zugleich seine erste ist, geleitet hat.
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