Kissinger Klavierolymp macht das Dutzend voll
Pianistennachwuchs trifft sich zum Wettbewerb
veröffentlicht am 29.09.2014 | Lesezeit: ca. 4 Min.
Völlig zu Recht genießt Bad Kissingen in Sachen Musik einen vorzüglichen Ruf. Das fängt schon beim Kurorchester an. Es ist das größte seiner Art, also in Festanstellung, in Deutschland. Das Dutzend Männer, angeführt von Konzertmeisterin Elena Iossifova, hat sage und schreibe über siebenhundert Auftritte im Jahr zu absolvieren, was ihm einen Eintrag bei Guinness als „meistspielendes Ensemble der Welt“ einbrachte, und kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Vorgängerensembles der Münchner Philharmoniker und der Wiener Symphoniker sorgten in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts in Bad Kissingen für eine Blüte auch des symphonischen Repertoires, Größen wie Erna Berger und Yehudi Menuhin konnten zu Konzerten verpflichtet werden.
Apropos Berühmtheiten: Natürlich zogen die sieben Heilquellen immer wieder auch berühmte Komponisten in das bayerische Staatsbad. Michail Glinka, dessen Ouvertüre zu „Ruslan und Ljudmila“ noch immer gern gegeben wird, Julius Blüthner (ja, ja, kein Tonsetzer, aber doch Begründer der gleichnamigen Pianofortefabrik in Leipzig und somit Zulieferer etlicher Komponisten von Rang), Richard Strauss, der nicht mit diesem noch mit der Wiener Stauß-Walzer-Dynastie verwandte Oscar Straus („Eine Frau, die weiß, was sie will“, 1932) und Ralph „Im weißen Rößl“ Benatzky suchten allesamt an der Fränkischen Saale zu gesunden.
Seit 1986 ist es der Kissinger Sommer, seit 1999 zudem der Kissinger Winterzauber, der die besten Orchester und Solisten in das Kurbad kommen lässt. Und dem pianistischen Nachwuchs gilt der Kissinger KlavierOlymp, zu welchem sich vom 9. Oktober bis zum 12. Oktober zum jetzt zwölften Male potentielle Weltstars von morgen treffen. Man muss das so kraftvoll sagen, denn seit der Premiere 2003 haben etliche Preisträger des KlavierOlymp staunenswerte Karrieren hingelegt.
Olga Scheps, die Münchnerin Alice Sara Ott, den Berliner Martin Helmchen, den gebürtigen Rumänen Herbert Schuch, der Karl-Heinz Kämmerlings Wunderpianistenschmiede am Salzburger Mozarteum entsprungen ist oder den auch in der Mathematik phänomenal begabten Kit Armstrong aus Kalifornien, den Alfred Brendel zeitweise unter seine Fittiche genommen hatte und der vor drei Jahren mit den Bamberger Symphonikern Mozart machte, muss man längst nicht mehr vorstellen. Und Igor Levit, der vor allem mit seinem Beethoven-Spiel für Furore und volle Konzertsäle sorgt, schon gleich gar nicht.
Der Wettbewerb wird von Kissinger Bürgern und vom Förderverein Kissinger Sommer getragen. So ist es nur konsequent, wenn sämtliche Teilnehmer im Folgejahr zum Sommerfestival erneut eingeladen werden, etwa zu Pianissimo im Kloster Maria Bildhausen am 17. Juni oder am 11. Juli zur Eröffnung der Kissinger Klangwerkstatt. Der Gewinner (beziehungsweise: die Siegerin) darf sogar solistisch agieren und wird am 5. Juli beim Skandinavischen Sonntagskonzert begleitet vom Philharmonischen Orchester Kopenhagen unter der Leitung von Lawrence Foster. Viele Preisträger, wie beispielsweise Levit, halten Bad Kissingen über Jahre hinweg die Treue.
Die künstlerische Gesamtleitung liegt in den bewährten Händen der Intendantin Kari Kahl-Wolfsjäger. Neben ihr gehörten der Jury renommierte Musikkritiker – darunter Eleonore Büning, Wolfgang Schreiber und der langjährige Mann vor Ort, Thomas Ahnert – an. Ihr stellt sich ein halbes Dutzend Kandidaten mit Werken von Beethoven und Schubert und Schumann, von Chopin, Ravel, Satie, de Falla und, last not least: Franz Liszt. So ähnlich, nur weit besser, hat das Heinz Erhardt, selbst Pianist und Komponist, in seinem Gedicht „Der Tastenhengst“ in Verse gefasst:
O eminenter Tastenhengst,
der du der Töne Schlachten lenkst
und sie mit jeder Hand für sich
zum Siege führst, dich preise ich!
Und jeder Hörer merkt alsbald:
du siegst mit Liszt, nicht mit Gewalt!
Für Liszt hat sich der Chinese Julian Jia, Jahrgang 1991, aus der Klasse von Arie Vardi in Hannover entschieden. Nicht nur ihm, sondern auch François-Xavier Poiza, einem Protegé Martha Argerichs, dem Lars-Vogt-Schüler Mario Häring, Samson Tsoy aus Kasachstan, Niu Niu – dem jüngsten, 1997 geborenen, an der Juilliard School studierenden Kandidaten und der Chinesin Boyang Shi sind die Daumen – also die Finger, auf die man beim Klavierspielen am ehesten verzichten kann, zu drücken. Viel Glück! Good luck! Bonne chance!
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