Wagner, Wagner, Wagner.
Gedanken zum Jubiläumsjahr an der Regnitz und anderswo
veröffentlicht am 10.01.2013 | Lesezeit: ca. 9 Min.
Es götterdämmert schwer, anno 2013, es wagnert, wirbelt und wird gewuchtet werden. Grimms Kinder- und Hausmärchen, fünf Monate vor Wagners Geburt erstmals herausgekommen, werden gefeiert, Sören Kierkegaard, Giuseppe Verdi, und, naturgemäß, Richard Wagner. Die Eckdaten sind schnell gesetzt, das Leben ist in Briefen und (autobiographischen) Schriften – auch von Cosima, der zweiten Ehefrau, überhaupt von Zeitgenossen – bestens dokumentiert.
Nehmen wir das Ende zuerst, seines, das des großen Meister(sänger)s.
Genug gelitten hatte Wagner am 13. Februar 1883. Am späten Morgen noch einen Kaffee mit Cosima getrunken, setzen im Palazzo Vendramin zu Venedig bald Krämpfe ein, ist der Puls nicht mehr zu spüren, gegen drei Uhr ist es aus, dieses Jahrhundertleben. En detail festgehalten ist der Bericht des Hausarztes. Herzkammererweiterung „mit consecutiver fettiger Degeneration“, prononcierte Magenerweiterung, massenhafte Gasentwicklung ebendort und im Gedärm, ein Mix an „vielen und starken Arzneimitteln“, schließlich eine Ruptur der Herzkammer, die die Katastrophe herbeiführt, an deren Beschleunigung die psychischen Aufregungen, denen Wagner Tag für Tag ausgesetzt war, nicht wenig Anteil hatten.
Seinen Anfang genommen hatte das Leben des Erneuerers des Musikdramas in Leipzig, inmitten von (napoleonischen) Kriegswirren, am 22. Mai 1813. Wagner, das sei gleich gesagt, ist weit mehr als Komponist. Wagner ist daneben auch Verfasser, Autor, Philosoph und Theoretiker (wenn man so will auch Hundefreund, Tierschützer, Vegetarier). Wichtig, ganz klar. Sie lohnen der Lektüre, diese Briefe, Erinnerungen, festgehalten in „Mein Leben“. Da sind aber auch die nicht immer ganz leicht – Schachtelsätze! – zu lesenden kunsttheoretischen Schriften. Etwa „Das Kunstwerk der Zukunft“ (1850) aus der Zürcher Zeit, in welchem Wagner seine Idee vom modernen Gesamtkunstwerk entwickelt und, aus dem Folgejahr und gleichfalls im Zürcher Exil entstanden, „Oper und Drama“. Darin geht Wagner unter anderem auf seine gerade für den „Ring“ bedeutende Leitmotivtechnik ein.
Darüber vergesse man bitte auch einen seiner zahllosen Vor- und auch Nachnamensgleichen nicht: R. W., aus dem Banat gebürtig, letzthin sechzig geworden, auch er also ein Jubelkind, der Steller solcher Schriften wie „Heiße Maroni“ (1991), genau das, was wir in diesen kalten Winterwochen brauchen, oder wie, eine halbe Dekade hernach, „Lisas geheimes Buch“. Man höre, man lese, man staune auch hier.
Doch zurück zur Musik Wagners, von der im Gedenkjahr 2013 in und um Bamberg nicht eben wenig – weit mehr noch als sonst – zur Aufführung kommen wird. Ende Januar, anfangs Februar wird im Joseph-Keilberth-Saal der Konzert- und Kongresshalle „Die Götterdämmerung“ erklingen. Damit schließen Jonathan Nott und die Bamberger Symphoniker-Bayerische Staatsphilharmonie im Wagner-Jahr die Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ ab, die sie an der Regnitz in konzertanten Aufführungen präsentier(t)en. Konzertant, also ohne Bühnenbild und Inszenierung? Aber ja doch, sagt Intendant Wolfgang Fink. Die bei Wagner keineswegs unwichtigen Leitmotive könne man gerade im Konzertsaal bestens wahrnehmen, ihnen folgen, anders als etwa in Bayreuth, wo der Orchestergraben so manches schluckt. Fink stellt die hohe Affinität Notts, der ja eigentlich von der Oper her komme, zu dem Schaffen Wagners heraus.
Bereits als Kapellmeister am Hessischen Staatstheater in Wiesbaden, hat Jonathan Nott – dem wir gern zu seinem Fünfzigsten an Weihnachten post festum gratulieren – sich um Wagner verdient gemacht. Nun also, im Jubeljahr des 200. Geburtstages, der Abschluss des „Rings“. Das Solistenensemble der in Bamberg auf mehrere Abende verteilten „Götterdämmerung“ kann sich hören lassen. Fink freut sich besonders auf das Bamberg-Debüt der Mezzosopranistin Petra Lang, „eine der großen Wagner-Sängerinnen unserer Zeit“. Und der Tenor Christian Voigt wird („jung, groß, blond und gut aussehend“) in den Feuilletons gar als das „Idealbild eines Siegfried“ gefeiert. Seinen Wagner-Einstand in der Domstadt gab Nott übrigens schon in den frühen Tagen mit dem „Tristan“.
Apropos Bayreuth: Joseph Keilberth, der erste Chefdirigent der Symphoniker von 1950 bis zu seinem Tod im Sommer 1968 – er brach während einer Aufführung von „Tristan und Isolde“ am Münchner Nationaltheater zusammen – stand in den frühen fünfziger Jahren häufig am Pult des Festspielorchesters, mit dem er 1955 den „Ring“ vollständig einspielte. Der erste Konzertmitschnitt. Bis heute finden sich im Orchester der Bayreuther Festspiele Musiker aus Bamberg, was nichts mit der geographischen Nähe sondern vielmehr mit der Güte der Bamberger Symphoniker zu tun hat. Im vergangenen Sommer war es ein gutes halbes Dutzend. Im Bayreuther Graben sitzt Berthold Opower seit einigen Jahren schon unter den ersten Violinen, aber auch die Trompeten, Posaunen und das Schlagwerk sind immer wieder vertreten. Viele Sommer war der Cellist Klaus Greiner im Festspielorchester, ein einziges Mal auch Georg Meerwein. 1968 spielte dieser im „Lohengrin“ Englischhorn und dritte Oboe. Am Pult Karl Böhm, der sehr intensiv dirigiert habe, wie Meerwein sich erinnert: „Sehr eindrucksvoll war das!“ Ganz großartig aufgelegt sei damals in der Titelrolle der Tenor Wolfgang Windgassen gewesen, die schwedische Sopranistin Birgit Nilsson habe die Elsa gegeben. Unvergessen geblieben ist Meerwein auch, was er auf der Rückfahrt ins heimische Bamberg im Autoradio hörte: dass nämlich Joseph Keilberth in München während des „Tristan“ zusammengebrochen sei, an einer ähnlichen Partiturstelle wie es 1911 Felix Mottl widerfahren war. Den „Tristan“ zu dirigieren, das birgt, so scheint es, Gefahren. Meerwein machte sich sofort auf in das Stammlokal der Bamberger Symphoniker, Scheiners Weinstube, und überbrachte den Kollegen die traurige Nachricht, die anderntags von der Presse bestätigt wurde.
Im Sommer sind die Bamberger Symphoniker zu den Luzerner Festspielen eingeladen, wo sie unter ihrem Chefdirigenten den „Ring“ geben werden, eine ehrenvolle Auszeichnung. Auch Luzern ist ja eine Wagner- (und, nebenbei, denn vor der Bamberger Zeit war er Chef des Luzerner Sinfonieorchesters, Jonathan-Nott-)Stadt. Zwischen 1866 und 1872 war der Opernrevolutionär in der Villa Tribschen zuhause, wo er an der „Götterdämmerung“ arbeitete. In der Pfarrkirche ehelichte er Cosima von Bülow. Auch sind zwei ihrer drei Kinder, Eva und Siegfried, in Luzern geboren. Mit dem Bamberger „Ring“ wird Wagners Tetralogie erstmals vollständig bei den Luzerner Festspielen zu hören sein. En passant sei noch vermerkt, dass auf Einladung Claudio Abbados immer wieder auch Bamberger im Festspielorchester Luzern spielen, beispielsweise Kai Frömbgen, Solo-Oboist (und zuvor Albrecht Mayer, der ja längst zu den Philharmonikern nach Berlin abgewandert ist).
Seit just einer Dekade hat auch der Internationale Richard-Wagner-Verband in Bamberg eine Dependance, angeführt von Dr. Ingrid Huther-Thor. Ins Jubiläumsjahr startet man mit einem Besuch des „Lohengrin“ in der Semperoper unter Christian Thielemann. Thielemann, seit 2012 Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle und so etwas wie der aktuelle Nachfolger des Königlich Sächsischen Hofkapellmeisters Wagner, machte schon in Franken Furore. Als Bratscher wirkte er im Orchester der Sommerakademie Pommersfelden mit, unvergessen ist seine Tätigkeit von 1988 an als jüngster Generalmusikdirektor in Nürnberg, die er mit einer mustergültigen Aufführung des „Tristan“ begann.
Im Frühjahr werden sich die Bamberger Wagnerianer nach Leipzig aufmachen, um den Internationalen Richard-Wagner-Kongress in der Geburtsstadt des Meisters zu besuchen. E.T.A. Hoffmanns Einfluss auf Wagner wird im Oktober schließlich ein Symposium beleuchten, zu welchem gerade auch junge Nachwuchswissenschaftler eingeladen werden. Ohnehin ist festzuhalten, dass sich der Wagner-Verband ganz besonders, etwa über verschiedene Wettbewerbe und die Vergabe von Stipendien, der jungen Generation annimmt.
Innerhalb des Symposiums wird es im Großen Saal des Theaters am Schillerplatz zur Bamberger Erstaufführung des letzten Werkes von Herbert Rosendorfer (er verstarb im September in Bozen) kommen, das neben Wagner mit Verdi auch den zweiten großen 2013er Musik-Jubilar zum Thema hat. Für „Siegfried und Violetta“ hat Rosendorfer gemeinsam mit Karl Dietrich Gräwe das Libretto verfasst. Das Opernfragment in drei Akten für vier Hörner, Wagnertuben und Schauspieler handelt im Wagnerischen Stabreim von „List, Last, Lust und Lunge“. Wagner und das Horn, das ist ein eigenes Kapitel. Eine der berühmtesten Hornstellen ist ja „Siegfrieds Hornruf“.
Hier schließt sich der Kreis, zu Bamberg – Martin Neubauer vom Brentano-Theater in der Gartenstraße wird mit von der Partie sein – und auch zu den Bamberger Symphonikern. Christoph Eß, der junge, phänomenal begabte und mit Preisen bedachte Solohornist der Bayerischen Staatsphilharmonie, hat die Wagner-Verdi-Melange mit seinem Quartett German HornSound auf CD eingespielt und wird sie, die Melange wie die Silberscheibe, im Oktober an der Regnitz vorstellen. An der Regnitz, an der der Noch-nicht-Zwanzigjährige Jubilar im Januar 1833 Station machte und sich, auch hier schließt sich ein Kreis, an E.T.A. Hoffmann erinnerte, unterwegs, mit Postkutsche und Leiterwagen, nach Würzburg, um dort auf eine Spielzeit als Chordirektor zu wirken. 2013 kommt man nur schwerlich an Wagner vorbei, ob nun in Bamberg, Bayreuth, Leipzig, Luzern, München, Dresden. Man lasse sich darauf ein!