Winterzaubermusik in Bad Kissingen
Ausflüge in den Grenzbereich zwischen Klassik und Pop, U und E
veröffentlicht am 26.11.2014 | Lesezeit: ca. 6 Min.
Mit großen Namen und einem sich in die Grenzbereiche zwischen Klassik, Jazz und Popularmusik wagenden Programm kann einmal mehr der Kissinger Winterzauber aufwarten. Die sechzehnte Auflage des Festivals zur vierten Jahreszeit in dem unterfränkischen Staatsbad lockt vom 19. Dezember bis zum 10. Januar mit über zwei Dutzend Veranstaltungen. Den Auftakt im Max-Littmann-Saal gestaltet am Freitag vor dem vierten Advent das Jugendmusikkorps der Stadt Bad Kissingen unter der Leitung von Bernd Hammer. Das Orchester blickt zurück auf das Jubeljahr zu seinem fünfzigjährigen Bestehen und macht einen genreübergreifenden Streifzug von Offenbach bis Beck.
Dem Philharmonischen Orchester des Landestheaters Coburg unter seinem gefeierten Chefdirigenten Roland Kluttig gebührt anderntags die Ehre, den Winterzauber offiziell zu eröffnen. Solist in Jörg Dudas Tubakonzert Nr. 1 ist ein Grenzgänger und -überschreiter par excellence: Andreas Martin Hofmeier, Tubist bei La Brass Banda und Professor am Mozarteum. Daneben fällt der Blick mit Hugo Alfvén und der Zweiten von Jean Sibelius auf Skandinavien. In der Matinée clasique am vierten Advent trifft „Percussion“ auf „Christmas“. Das KissPercussiva-Schlagzeugensemble bringt neben Werken von Händel auch Klassiker der Pop- und Rockmusik zu Gehör. Der Abend gehört dann den ersten drei Kantaten aus Bachs Weihnachtsoratorium, interpretiert vom Mitteldeutschen Kammerorchester und der Kissinger Kantorei.
Die vier Multiinstrumentalisten von Quadro Nuevo werden am 22. Dezember mit ihrem hochpoetischen Weihnachtsprogramm zu Gast sein, das fulminante A-capella-Sextett Singer Pur stimmt am Tag vor Weihnachten vertraute (und doch anders als üblich arrangierte) Lieder aus seinem Adventskalender an. Beim traditionellen Konzert am ersten Weihnachtsfeiertag in der Herz-Jesu-Kirche erwartet die Zuhörer eine packende Kombination: Marimba trifft Orgel. Michael Nöth und Burkhard Ascherl offerieren ein kontrastreiches Konzert, das Klassik, Pop und Jazz miteinander zu verbinden weiß.
Ungewöhnlich ist auch die am 27. Dezember im Kurtheater gebotene Besetzung. Quattrocelli – das sind die vier Cellisten Lukas Dreyer, Matthias Trück, Tim Ströble und Hartwig Christ – begeben sich auf abseits des Gewohnten gelegene Pfade und präsentieren Filmmusik aus „Psycho“, „Star Wars“ oder „Pulp Fiction“ sowie Klassiker aus der Feder von Ennio Morricone. Die Matinée am letzten Sonntag des Jahres gilt der jungen, aus Kissingen stammenden Harfenistin Maria-Theresa Freibott, die dem Bundesjugendorchester angehört und Werke von Fauré, Tournier, Händel und Hindemith spielen wird. Am Abend versprechen die Pianistin Margarita Oganesjan, die Geigerin Rebekka Hartmann und Markus Maier am Saxophon unter dem Motto „Easy Listening – Tough Playing“ im Rossini-Saal virtuose Musik, die auf der Zunge zergeht, etwa die „Rhapsody in Blue“.
Die Intergalactic Lovers (bezaubernd: die Stimme der Frontfrau Lara Chedraou) aus Belgien kommen am 29. Dezember mit Folk und sphärisch angehauchten Rocksongs, die sich dem Zeitgeist widersetzen, in den Regentenbau. Tags drauf feiert das Musical „Mahalia“ mit Songs wie „Amazing Grace“ und „We Shall Overcome“ im Kurtheater die Königin des Gospel, Mahalia Jackson. Die wohl bekannteste Sinfonie überhaupt, Beethovens Fünfte, erklingt im Silvesterkonzert um 22 Uhr in der Erlöserkirche, bearbeitet für Orgel vierhändig. Es musizieren Christine Stumpf und Kirchenmusikdirektor Jörg Wöltche.
Ins neue Jahr geht es mit Elizabeth Magnor, Sopran, die Donizetti und Lehár singt, und den Berliner Symphonikern unter Lior Shambada, der zugleich durch den Abend im Max-Littmann-Saal führen wird. Am 2. Januar kommt der Phrasierungskünstler, Sänger und Trompeter Till Brönner mit seinem Quintett in das Bad. Er erinnert an sein Vorbild Freddie Hubbard, lässt die Jamsessions der Sechziger und Siebziger aufleben. Leidenschaft paart sich mit Virtuosität. Kinder ab dem Alter von fünf Jahren dürfen sich am 3. Januar im Kurtheater auf das Märchen um die schöne Königstochter Schneewittchen freuen. Die Adaption durch Dana Bufková vom Velvets Theater Wiesbaden bringt in farbenfroher Ausstattung Puppen und Menschen, Musik und Kunstgriffe zusammen.
Die Bananafishbones sind vor allem auf der Konzertbühne ein Ereignis: „live & unplugged“ sind Sebastian (Gesang, Bass) und Peter Horn (Gitarre) mit dem Schlagzeuger Florian Rein am 4. Januar beim Winterzauber zu erleben. Aus Buenos Aires stammt die Sängerin Lily Dahab. Sie präsentiert am 5. Januar Songs ihres umjubelten zweiten Albums, „Huellas“ (Spanisch für „Spuren“, auch „Narben“) – eine Melange aus Tango und Folklore, Jazz, Dramatik und Melancholie. Am Dreikönigstag werden im Kurtheater die unverwüstlichen „Camina Burana“ von der Deutschen Tanzkompanie (Choreographie: Eva Brehme-Solacolu) in magische Bilder übersetzt.
Ehe der Kissinger Winterzauber mit Smetana, Tschaikowsky und Dvoráks Achter, der sogenannten „Englischen“, am 10. Januar zu Ende geht – es spielt das Symphonieorchester des Nationaltheaters Prag, Gerd Schaller steht am Pult – heißt es am 8. Januar „Beat“ (mit dem Tingvall Trio und dem Populären nahestehenden Jazzmelodien), am vorletzten Tag gar „All you can beat!“. Fünf der besten Schlagzeuger hierzulande haben sich zu Power! Percussion zusammengeschlossen. Auch sie, die zwischen E- und U-Musik keinen Unterschied machen, können exemplarisch stehen für die Grenzgänge, die das Kurstadt-Festival so besonders machen.
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Intergalactic Lovers © Pressefoto
Bananafishbones. Foto © Kevin Rechsteiner
Power!Percussion, Foto © Ingo Rack